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Die Idylle trügt: In Afrika tobt ein Verdrängungskampf. Das Nachsehen hat die Bevölkerung vor Ort.

© Reuters

Landraub: Kein schöner Land

Bauern in Entwicklungsländern verlieren Land an reiche Investoren. Mit neuen Leitlinien wollen die UN dem jetzt ein Ende machen.

Der Ausverkauf hat begonnen. In Kenia hat sich der Golfstaat Katar 40 000 Hektar Land gesichert. Im Kongo baut China auf 2,8 Millionen Hektar die weltgrößte Palmöl-Plantage auf. Auch die Deutschen mischen mit. Die Neumann-Gruppe etwa, die im Internet mit nachhaltigem Kaffeeanbau wirbt. Menschenrechtsaktivisten werfen dem Unternehmen vor, für die Vertreibung von Bauern in Uganda verantwortlich zu sein.

Land Grabbing heißt das Phänomen. Reiche Investoren kaufen oder pachten Land in Entwicklungsländern – aus unterschiedlichen Gründen. Staaten wie die Scheichtümer am Golf, die zwar Ölfelder, aber keine Äcker haben, wollen so die Versorgung ihrer Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicher stellen. Andere Investoren pflanzen Palmöl oder Rohrzucker, um daraus Biosprit zu machen. Private Geschäftsleute spekulieren auf steigende Preise für Lebensmittel und Agrarflächen und wollen so Rendite für ihre Anleger erwirtschaften. Das Nachsehen haben die Kleinbauern, die von ihren Feldern vertrieben werden, und die Umwelt. Die Bewässerung der großen Plantagen zehrt an den Wasservorräten der Länder.

Doch viele Regierungen wollen diesem Treiben nicht länger zusehen. Unter Schirmherrschaft der UN-Lebensmittelorganisation FAO haben 96 Staaten, die Wirtschaft, Bauern, Menschenrechtsorganisationen und internationale Einrichtungen wie die Weltbank über Leitlinien zum Schutz der Bauern und der Natur verhandelt. Drei Jahre hat das gedauert, an diesem Freitag sollen die Leitlinien von den Vereinten Nationen verabschiedet werden. Sie sehen vor, dass die Bevölkerung vor Ort vor Investitionen konsultiert werden muss und die Behörden die Auswirkungen eines geplanten Grundstücksdeals für die Einwohner und die Natur abschätzen müssen, bevor sie zustimmen. Zudem sollen nicht nur Eigentumsrechte an Grund und Boden geschützt werden, die formell niedergeschrieben sind, sondern auch Gewohnheitsrechte. Für Benjamin Luig von der Hilfsorganisation Misereor ist das besonders wichtig: „90 Prozent des Landbesitzes in Afrika beruht auf informellen Rechten“, sagt der Agrarexperte.

Afrika ist der Kontinent, der am stärksten vom Land Grabbing betroffen ist. Das zeigt die neue Datenbank „Land Matrix“, hinter der große Organisationen der Entwicklungspolitik wie etwa die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) stehen. „Land Matrix“ hat 1217 Grundstückskäufe und -verpachtungen ausgewertet, die seit dem Jahr 2000 über die Bühne gegangen sind. Über 83 Millionen Hektar haben dabei den Besitzer gewechselt. Was auffällt: 70 Prozent der Geschäfte konzentrieren sich auf elf Länder, darunter sind mit dem Sudan, Äthiopien, Mosambik, Tansania, Madagaskar, Sambia und der Demokratischen Republik Kongo allein sieben afrikanische Staaten. „Investoren zielen auf Länder, die zu den ärmsten der Welt gehören und kaum in den Welthandel eingebunden sind“, heißt es in einer Auswertung der „Land Matrix“. Vertreibungen der Bevölkerung werden in Kauf genommen. „Der Erwerb von Land findet oft in Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte statt, in denen das Land nicht brach liegt“, weiß Markus Giger von der Uni Bern.

Die neuen Richtlinien sollen die Bewohner vor dem Verlust ihres Lands schützen. „Wir wollen die Menschen in Entwicklungsländern gezielt stärken, damit sie aus eigener Kraft ihre Existenz sichern können“, sagte Bundesagrarministerin Ilse Aigner dem Tagesspiegel. „Sichere Zugangsrechte zu Land und anderen produktiven Ressourcen sind für die Menschen in ländlichen Gebieten lebensnotwendig.“

Mit 2,1 Millionen Euro hat das Ministerium die Entwicklung der Leitlinien gefördert. Auf deutschen Druck hin sind vor allem die Beteiligungsrechte von Frauen und Mädchen gestärkt worden. „Obwohl Frauen mehr als die Hälfte der Kleinbauern stellen, sind weniger als 20 Prozent der Landtitel auf Frauen ausgestellt“, kritisiert die CSU-Politikerin. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern würden Frauen durch tradiertes Erb- oder Familienrecht diskriminiert. Auch das soll sich ändern.

Die Leitlinien sind freiwillig. Dennoch sollen sie kein Papiertiger werden, mahnt Aigner. „Die Einhaltung der Leitlinien muss in Zukunft eine Bedingung für die bilaterale Zusammenarbeit mit Partnerländern sein und auch von internationalen Geberinstitutionen berücksichtigt werden“, kündigt die Ministerin an. Auch Benjamin Luig ist zuversichtlich, dass die neuen Leitlinien wirken werden. Wichtig sei, dass die Regeln auf UN-Ebene verabschiedet und so von der Staatengemeinschaft legitimiert werden.

Mit den Leitlinien reagiert die Politik auf die wachsende Kritik am neuen Wirtschaftskolonialismus. Wie etwa in Madagaskar, wo der südkoreanische Konzern Daewoo 1,3 Millionen Hektar Land – die Hälfte der dort insgesamt nutzbaren Fläche – für 99 Jahre pachten wollte, um Mais und Palmöl für den Export nach Südkorea anzubauen. Die Bevölkerung rebellierte, die Regierung trat zurück, das Projekt wurde gestoppt.

Oder der Fall der DWS. Die Investmentfondstochter der Deutschen Bank hatte sich an dem thailändischen Unternehmen KSL beteiligt, das in Kambodscha Land für den Anbau von Zuckerrohr gepachtet hatte. Nachdem bekannt geworden war, dass KSL einheimische Bauernfamilien teilweise mit Gewalt von ihren Feldern vertrieben hatte, zog sich die DWS zurück und gelobte Besserung. Nun sind ihre Analysten gehalten, Firmen, an denen sich die Investoren beteiligen wollen, auch auf ethische und ökologische Aspekte hin zu überprüfen. Zudem werden Projekte vor Ort kontrolliert. Dennoch bleiben Unsicherheiten: „Wir bekommen die Plantagen gezeigt, doch was sich hinter den Kulissen abspielt, bekommen wir nicht immer zu sehen“, räumt DWS-Sprecher Claus Gruber ein.

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