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© Reuters

Lebensmittel: Niedrige Preise – schlechte Qualität

Bauernverband und Ernährungsindustrie wollen mehr Geld vom Handel. Auch in der Biobranche sinken die Umsätze.

Berlin - Kurz vor Beginn der Grünen Woche hat sich der Streit um Lebensmittelpreise und -qualität in Deutschland zugespitzt. Während der Bauernverband und die Ernährungsindustrie am Mittwoch in Berlin vor Qualitätsverschlechterungen als Folge des Preisverfalls warnten, kritisierten Verbraucherschützer fehlende Transparenz und Ehrlichkeit bei der Produktion, Aufmachung und Kennzeichnung von Lebensmitteln. „Wenn die Wertschöpfung nicht mehr stimmt, könnte es Probleme mit der Qualität geben“, sagte Jürgen Abraham, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, auf der Eröffnungspressekonferenz zur Grünen Woche.

Abraham kritisierte die Lebensmitteldiscounter, die im vergangenen Jahr zwölf Mal die Preise gesenkt hatten. Bei der Ernähungsindustrie habe das zu Umsatzverlusten von 6,5 Milliarden Euro geführt, der Gesamtumsatz sei 2009 auf knapp 150 Milliarden Euro gesunken. An dem „Preisverhau“ seien der ruinöse Preiswettbewerb und die Konzentration im Handel schuld. Fünf große Handelsketten würden 70 Prozent des Umsatzes auf sich vereinen, gegen diese Macht könnten besonders die mittelständischen Lieferanten nichts ausrichten, berichtete Abraham. Die Ernährungsindustrie beschäftigt 535 000 Mitarbeiter. Sollte der Preiswettbewerb weiter anhalten, seien Arbeitsplätze bedroht, warnte der Verbandschef.

BAUERN

Auch die Bauern leiden unter den Niedrigpreisen, sagte Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV). „Unsere Bauernfamilien blicken auf ein extrem schwieriges Jahr zurück“, die sinkenden Agrarpreise hätten viele Betriebe „existenziell gefährdet“. Allerdings habe die Politik nach den zahlreichen Demonstrationen und Gesprächen im vergangenen Jahr Liquiditätsprogramme und Konjunkturpakete für die Landwirte geschnürt, räumte Sonnleitner ein. Auch der Bauernpräsident warnte vor den Folgen des Preiskampfes im Lebensmittelhandel. „Wer Lebensmittel nur über den Preis kauft, der untergräbt langfristige, ehrliche Qualitätsarbeit.“

BIO-BRANCHE

Den Preisverfall hat selbst die erfolgverwöhnte Bio-Branche zu spüren bekommen. Nach Jahren stetigen Wachstums stagnierte der Umsatz 2009 mit knapp 5,9 Milliarden Euro auf dem Niveau von 2008, schätzt die Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI). Hans-Christoph Behr von der AMI machte am Mittwoch dafür neben den Preissenkungen auch die Fusion von Discountern verantwortlich, die zu Sortimentsreduzierungen geführt habe. Im Vergleich zum gesamten Lebensmittelmarkt, der einen Umsatzrückgang von 2,4 Prozent verkraften musste, stehe die Biobranche aber immer noch gut da.


KLIMA

Neben den Preisen ist auch der Klimawandel Thema auf der Grünen Woche. Die Bauern sehen sich bei diesem Thema vorn. Als einzige Wirtschaftsbranche binde die Land- und Forstwirtschaft klimaschädliches CO2, betonte Bauernpräsident Sonnleitner. Die in der Landwirtschaft entstehenden Emissionen würden ständig verringert. Seit 1990 seien die CO2-Emissionen um 17 bis 20 Prozent gesunken.

Angesichts des globalen Klimawandels fordern Verbraucherschützer bessere Informationen zu den Klimawirkungen von Lebensmitteln. 86 Prozent der deutschen Verbraucher möchten mehr über die Wirkung von Lebensmitteln über das Klima wissen, sagte Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Das habe eine Umfrage unter Konsumenten ergeben. Von der Lebensmittelwirtschaft erwarten die Verbraucherschützer zudem mehr Ehrlichkeit bei der Herstellung und Kennzeichnung ihrer Produkte. Billen forderte unter anderem, Lebensmittelimitate zu kennzeichnen und Fleischabfälle einzufärben. Zudem soll den Herstellern verboten werden, auf Verpackungen Bilder von Zutaten zu zeigen, die im Produkt nicht enthalten sind.

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