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Auf Kosten sitzengeblieben. Bisher konnten junge Leute ihre Ausgaben fürs Erststudium nicht geltend machen.

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Urteil: Lernen wird billiger

Lehrlinge und Studierende können ihre Ausbildungskosten von der Steuer absetzen, hat ein Gericht befunden. Im Klartext ist das: ein Milliardengeschenk an die Jugend.

Berlin - Für viele Hunderttausend aktive und ehemalige Studenten und Auszubildende in Deutschland ist es ein Segen, dem Bundesfinanzminister dagegen könnten zwei höchstrichterliche Urteile die Finanzplanung verhageln: Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat entschieden, dass Kosten für die Erstausbildung oder das Erststudium in voller Höhe von der Steuer absetzbar sind. Unter Umständen können auch Steuerzahler, die ihr Studium oder ihre Ausbildung in den vergangenen vier Jahren abgeschlossen haben, die Kosten dafür nachträglich geltend machen – dazu zählen etwa Ausbildungs- und Studiengebühren, Kosten für Fahrten, Bücher, Computer, Kurse oder für eine nötige doppelte Wohnungsführung.

Bisher blieben Betroffene auf diesen Ausgaben für ihre erste Ausbildung sitzen, da das Einkommensteuergesetz seit 2004 den Abzug untersagte. Die Kosten für ein Zweitstudium oder eine anschließende Ausbildung sind bereits seit einem Urteil von 2009 absetzbar.

Ein Pilot kann 28 000 Euro absetzen

Der Bundesfinanzhof veröffentlichte am Mittwoch nun zwei bereits Ende Juli gefällte Urteile: Im ersten Fall (Aktenzeichen BFH VI R 38/10) gab das Gericht einem Piloten Recht, der seine entstandenen Aufwendungen für die Ausbildung in Höhe von rund 28 000 Euro in seiner Einkommensteuererklärung 2004 als „vorweggenommene Werbungskosten“ geltend machen wollte. Gerichte lehnten dies mit Verweis auf das Abzugsverbot ab. Seine Revision war nun allerdings in letzter Instanz erfolgreich. Die Begründung: Seine Kosten der Ausbildung seien hinreichend durch die spätere Berufstätigkeit als Verkehrspilot veranlasst, so dass die vorweggenommenen Werbungskosten berücksichtigt werden müssten.

Gleiches gilt auch für den etwas kniffligeren Fall einer Klägerin, die 2004 ihr Abitur gemacht und anschließend ein Medizinstudium aufgenommen hatte (BFH VI R 7/10). Sie machte Kosten in Höhe von rund 23 500 Euro geltend. Hier sei das Erststudium zwingend nötig, um später eine entsprechende Stelle und Gehalt als Ärztin zu bekommen, hieß es zur Begründung.

„Die Urteile sind auch eine sehr gute Nachricht für alle Studenten und Auszubildenden, die zum Beispiel Einnahmen aus Nebenjobs versteuern müssen oder mussten“, sagte Erich Nöll, Geschäftsführer des Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine, dem Tagesspiegel. Glück hätten jene, die bisher keine Steuererklärung für die vergangenen Jahre abgegeben haben – oder bei denen die „Vorläufigkeit“ auf dem Steuerbescheid festgehalten wurde, weil sie Einspruch in der Sache eingelegt haben. Bei Steuererklärungen, die über die Lohnsteuerhilfevereine erstellt worden sind, sei dies in der Regel der Fall. Endgültige Bescheide würden nachträglich nicht mehr geändert.

Wird die Regierung ein Veto einlegen?

Florian Pranghe vom Zusammenschluss von StudentInnenschaften (FZS) begrüße das Urteil angesichts der stetig steigenden Kosten für Miete, Lebensmittel, Bücher und Studiengebühren. „Jetzt ist die Bundesregierung am Zug. Sie muss sicherstellen, dass das Urteil zur Grundlage einer eindeutigen Regelung wird.“ Theoretisch könnte die Regierung die Steuerentlastung vereiteln, indem sie einen sogenannten Nichtanwendungserlass für die Finanzämter beschließt.

Ob es angesichts möglicher Milliardenkosten dazu kommt, blieb zunächst offen. Das Bundesfinanzministerium teilte mit, es wolle die Urteilsbegründung prüfen. „Vorerst gilt, dass die Finanzgerichte in ähnlichen Fällen nun unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofes erneut in der Sache entscheiden müssen“, sagte ein Sprecher. Dies bedeutet, dass Betroffene theoretisch ihre Rückzahlung einklagen müssen.

In jedem Fall sollten möglicherweise Betroffene alle Belege ab 2007 heraussuchen und sich darauf vorbereiten, noch in diesem Jahr vier Steuererklärungen nachzureichen. Hilfe leisten auch Steuerberater oder Lohnsteuerhilfevereine.

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