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Wirtschaft: Löscher läuft ins Leere

Regierung und Opposition hadern mit Vorschlägen des Siemens-Chefs für eine große Strommarktreform.

Berlin - Private, gewerbliche und industrielle Energieverbraucher können sich auf absehbare Zeit wenig Hoffnung auf sinkende Strompreise machen: Sowohl die Regierungsparteien CDU und FDP wie auch SPD und Grüne schrecken offenbar vor einer tiefgreifenden Reform des Strommarktes zurück, die nach Ansicht der meisten Experten aber Voraussetzung für eine nachhaltige Preisentlastung wäre. Das wurde am Freitag bei einer Podiumsdiskussion, die der Technologiekonzern Siemens in Berlin organisiert hatte, deutlich.

Siemens-Chef Peter Löscher hatte am Mittwoch in Berlin einen Plan präsentiert, mit dem Deutschland seiner Ansicht nach die Energieversorgung effizienter und billiger organisieren könnte. Damit könne man mehr als 150 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 sparen, rechnete er vor. Das entspräche etwa einem Zehntel der Betriebs- und Investitionskosten, die bis zu dem Jahr für die Stromversorgung anfielen. Um das zu erreichen, nannte Löscher als ersten von fünf Punkten die Abschaffung des seit Jahren geltenden Einspeisevorrangs für die erneuerbaren Energien ins Stromnetz.

Bereits dieser Punkt traf am Freitag auf eine ganz große Koalition der Ablehnung. Das sei mit ihm „nicht verhandelbar“, sagte Umweltminister Peter Altmaier (CDU) – und wusste damit die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Frank-Walter Steinmeier und Jürgen Trittin, auf seiner Seite. Hans-Joachim Otto (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, hätte zumindest damit aber keine Probleme. Allerdings argumentierte er leidenschaftlich gegen den Vorschlag der Grünen, die Zahl der stromintensiven Betriebe, die von der EEG-Umlage befreit sind, wieder von über 2000 auf rund 600 zu reduzieren. In den Branchen, die eine Befreiung beantragen könnten, seien rund 900 000 Arbeitnehmer beschäftigt, argumentierte Otto.

SPD und Grüne selbst hatten EEG-Befreiung für die Schwerindustrie in ihrer Regierungszeit eingeführt, allerdings hatte die aktuelle Bundesregierung den Kreis der von der Umlage befreiten Betriebe stark ausgeweitet. Der Grüne Trittin sagte, mit Rückkehr zur alten Praxis könne die EEG-Belastung um rund 1,6 Milliarden Euro im Jahr sinken. Der Wunschkoalitionspartner SPD will die Stromverbraucher durch eine 25-prozentige Senkung der Stromsteuer entlasten, was ebenfalls ein Entlastungsvolumen von rund 1,6 Milliarden Euro hätte, sagte Steinmeier. „Wir müssen die Preisdynamik brechen“, bekräftigte er und warf Umweltminister Altmaier vor, den Vorschlag mit der Senkung der Stromsteuer nicht aufgenommen zu haben.

„Weil er die Preisdynamik nicht bricht, sondern nur ein neues Loch an anderer Stelle aufreißen würde“, konterte der Umweltminister. Altmaier sagte allerdings auch nicht, wie er konkret den Strompreisanstieg stoppen will – und zwar mit Vorschlägen, die auch Gefallen des FDP-Partners finden.

So diskutierten die Spitzenvertreter der Bundestagsparteien über weniger als zwei Milliarden Euro. Zum Vergleich: Allein in diesem Jahr wird eine zehnfach so große Summe, rund 18,7 Milliarden Euro, über das EEG bei den Stromkunden eingesammelt und an die Betreiber der rund 1,3 Millionen Solarstromanlagen, 23 000 Windkraft- sowie mehr als 7500 Biogasanlagen ausgeschüttet. Und es stand ja noch Siemens-Chef Löschers Sparkonzept über 150 Milliarden Euro (bis 2030) im Raum.

Immerhin bei einem Dauerthema der Energiebranche fanden die Parteienvertreter zumindest eine Diskussionsgrundlage: Der möglichen Schaffung eines sogenannten Kapazitätsmarktes. Im Prinzip geht es darum, Anreize für Kraftwerksbetreiber zu schaffen, Reserveleistung vorzuhalten für Stunden und Tage, an denen keine Sonne scheint und kein Wind weht. Kraftwerke sollen nicht mehr nur für die abgegebene Leistung Geld erhalten, sondern auch für ihre Betriebsbereitschaft. Im Detail gingen aber auch hier die Positionen weit auseinander: So plädierte Trittin dafür, regenerative Produktion aus Wasser, Biomasse oder Erdwärme nicht für die stabile Grundlastproduktion einzusetzen, sondern als Regelenergie für die Produktionslücken, die bei der Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom entstehen. Dahinter steckt die Erwartung, dass man auf den Einsatz fossiler Kraftwerke weitgehend verzichten könnte. Die anderen Parteien sehen darin keine Lösung.

Beim Thema Ausbau der Höchstspannungsnetze wurde es dann wieder emotional: Steinmeier trauerte der Situation rund um das Jahr 2008 nach, als der Bund theoretisch die Chance gehabt hätte, sich an den Netzen zu beteiligen. Ironisch im Ton sagte er: „Die Netze werden uns noch große Freude machen, vor allem wenn sie das dritte oder vierte Mal weiterverkauft worden sind – und vor allem an einen ostasiatischen Investor.“ Protest kam von FDP-Mann Otto: Der Betreiber, der die größten Probleme beim Netzausbau habe, sei in staatlicher Hand. Tennet gehört den Niederlanden.

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