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Nach dem Ende der Krise werden die Lohnforderungen der Arbeitnehmer höher.

© dapd

Lohnentwicklung: Arbeitnehmer erleben zehn magere Jahre

Deutschland hat den kleinsten Lohnzuwachs in der EU - unter anderem, weil die Gewerkschaften sich in Zurückhaltung übten. Das Ungleichgewicht schafft Probleme für die Währungsunion.

Berlin - Die Löhne und Gehälter steigen in Deutschland seit Jahren wesentlich langsamer als im übrigen Europa. Während das Plus in der Eurozone zwischen 2000 und Mitte 2010 bei fast 31 Prozent lag, kamen die Beschäftigten in der Bundesrepublik nur auf gut 22 Prozent – das ist der geringste Wert aller untersuchten Länder, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Dieser Trend gefährdet die Zukunft der Währungsunion, warnen Ökonomen und verlangen von den Problemländern massive Reformen.

Die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik bekamen damit deutlich geringere Lohnzuwächse als ihre Kollegen auf dem Kontinent. In Frankreich legten die Bezüge um 35 Prozent zu. In Großbritannien (plus 44 Prozent) und Spanien (plus 51 Prozent) lag der Zuwachs mindestens doppelt so hoch wie in Deutschland. Daten über Italien gab es nicht. Noch stärker war der Anstieg in Osteuropa – allerdings war dort auch der Ausgangswert deutlich geringer. Rumänien liegt mit einem Lohnplus von 563 Prozent an der EU-Spitze, gefolgt von Lettland (216 Prozent) und Bulgarien (177 Prozent).

Für die Unterschiede gibt es mehrere Gründe. Erstens haben die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren Lohnzurückhaltung geübt und Tariferhöhungen durchgesetzt, die unterhalb des Verteilungsspielraums lagen. Zweitens ist der Niedriglohnsektor gewachsen, auch legten atypische Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeitjobs zu. Der geringere Lohnanstieg, den Ökonomen kontinuierlich seit 2003 beobachten, verschafft Deutschland einen immensen Wettbewerbsvorteil und ist eine Ursache der aktuellen Exportstärke. Andere Länder können derzeit keinen so deutlichen Aufschwung vermelden.

Dies ist für die Währungsunion ein Problem. „Die unterschiedliche Konjunkturdynamik in der Eurozone verschärft die Schuldenkrise noch“, sagte Christoph Weil, Volkswirt bei der Commerzbank. Auf der einen Seite profitiere Deutschland davon, dass seine Produkte vor allem in Asien gefragt seien. Zudem seien die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank für die Verhältnisse in der Bundesrepublik viel zu niedrig. „Auf der anderen Seite stehen die Staaten, die mit den Spätfolgen der Bankenkrise oder einer geplatzten Immobilienblase kämpfen, so wie derzeit Irland oder Spanien.“ Sie müssten nun ihre Etats konsolidieren, dies beeinträchtige aber das Wachstum. „Es wird fast zwangsläufig knallen, wenn nichts passiert.“

Die Währungsunion steht damit vor zwei Alternativen: Entweder entscheidet sie sich, eine Transferunion zu werden – die Rettungsschirme für Griechenland und Irland sind ja schon der erste Schritt auf diesem Weg, bei dem die wirtschaftlich Starken für die Schwachen einstehen. Oder die momentan angeschlagenen Staaten entschließen sich zu einschneidenden Reformen. „Sie müssen den Weg gehen, den auch Deutschland gegangen ist – den Arbeitsmarkt flexibilisieren, die Bildungssysteme modernisieren, bei den Löhnen über Jahre Zurückhaltung üben. Das braucht allerdings Zeit“, sagt Weil.

Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, forderte „restriktive“ Auflagen für die Länder, die finanzielle Hilfe der Eurozone in Anspruch nehmen. Sonst werde das deutsche Sparkapital ins Ausland fließen, und hierzulande gingen die Investitionen zurück. „Wenn wir unsere Bonität gänzlich verschenken, fließt das Sparkapital wieder ab, die Peripherie feiert wieder Party, und Deutschland kehrt in die Flaute zurück“, sagte er dem „Handelsblatt“.

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