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Wirtschaft: Lust am Zocken: Die Deutschen wetten auf Sicherheit

Auf der Galopprennbahn Sha Tin geht hinter dem angrenzenden Bergpanorama langsam die Sonne unter. Der Frühlingswind fegt Tippscheine von der Tribüne.

Auf der Galopprennbahn Sha Tin geht hinter dem angrenzenden Bergpanorama langsam die Sonne unter. Der Frühlingswind fegt Tippscheine von der Tribüne. Noch vor wenigen Stunden konzentrierten sich die Hoffnungen von 50 000 Chinesen auf die bunten Zettel. Zwei Mal wöchentlich versuchen sie auf einer der beiden Rennbahnen in Hongkong ihr Glück. Dabei setzen sie an einem Tag rund 250 Millionen Mark ein - so viel wie in Deutschland im gesamten Jahr auf allen Bahnen, bei Buchmachern, im Internet und bei Telefonwetten zusammenkommt.

Auf dem Düsseldorfer Grafenberg lassen sich die Zocker unterdessen von Heizstrahlern erwärmen. Der April-Wind weht bei Minusgraden steif um die Tribüne und lässt das Wettfieber erst gar nicht aufkommen. Die harten Zocker sind trotzdem da. Doch trotz abschreckender äußerer Bedingungen gehört die Bahn zu den Spitzenreitern beim Wettumsatz aller deutschen Rennbahnen. Nur Hamburg, Köln und Baden Baden schaffen - gemessen am Vorjahresdurchschnitt - noch bessere Umsätze pro Rennen. Tendenz sinkend. Der gesamte Wettumsatz im Galopp sank im vergangenen Jahr um 7,2 Prozent auf rund 250 Millionen Mark. Außenwetten (Buchmacher, Internet) machten mit gut 126 Millionen Mark den größten Anteil aus. Der Trend ist eindeutig: Weg von den Rennbahnen und hin zu Wettcafés, Buchmachern und ins Internet. Grafik: Der Glücksspielmarkt Die Alternativen zu den Bahnen sind steril, der Pferdegeruch fehlt, dafür geht es bequem zu. Nur ein einziger Mausklick, und schon sind 100 Mark auf Sieg gesetzt. Dazu lässt sich gleichzeitig ein Tippschein für die Fußball-Bundesliga abgeben - online und alles auf derselben Internetseite. Die größte Konkurrenz für die Galopper und Traber kommt aus dem Netz. Nach einer Prognose von Datamonitor soll sich der Online-Wettmarkt in Westeuropa und den USA in gut drei Jahren auf knapp fünf Milliarden Mark versechsfachen. Hohe Zuwachsraten versprechen sich Analysten vor allem vom Ausbau des digitalen Fernsehens und der mobilen Datenübertragung per Handy.

Während die Hongkonger die Pferdewette als einzig legales Glücksspiel kennen und Engländer und Franzosen diese als lange Tradition pflegen, kreuzt der Deutsche Sonnabend für Sonnabend seine Lottozahlen an. Vierbeinigen Sachverstand haben nur wenige. Umso gieriger stürzen sich die fußballbegeisterten Deutschen seit zwei Jahren auf so genannte Oddset-Wetten. Seit Februar 1999 können Zocker über die Lottogesellschaften und private Wettanbieter Systemwetten auf Sportereignisse abgeben, vor allem auf Bundesliga-Fußball, Formel Eins und Eishockey. Hier kennen sich die meisten aus. Der Deutsche setzt auf Sicherheit, Hongkong-Chinesen lieben das Risiko.

Ein Unternehmen, das von dem Boom hier zu Lande besonders profitiert, ist Fluxx.com mit seiner Portalseite Jaxx.de. Als deutscher Marktführer bei Sportwetten im Internet sieht das Kieler Unternehmen noch Potenzial im Trab- und Galoppsport. Der Hintergrund: Pferdewetten sind von dem in Deutschland geltenden staatlichen Glücksspiel-Monopol ausgenommen, die Lizenzen werden von den Pferdesportverbänden verwaltet. Fluxx sicherte sich mit der Übernahme der Marketinggesellschaft des Galoppsportverbandes die Exklusivrechte für Telefonwetten einschließlich einer eigenen Fersehshow beim Nachrichtensender n-tv sowie die bis dahin größte Internetwettseite für Pferdesport www.horse.de. Das am Neuen Markt notierte Unternehmen übernahm zudem die Mehrheit an der größten internationalen Internetvermarktung Inter-Jockeycom Horsebet GmbH. Eine Kapitalerhöhung spielte im vergangenen Jahr das nötige Kapital ein. Pikanterweise wurde der zweite Börsengang von der Sal. Oppenheim als Konsortialbank betreut. Hinter dem Kölner Bankhaus steht als Gesellschafter die Familie von Ullmann. Baronin Karin von Ullmann und Sohn Georg zählen als Miteigentümer des Gestüts Schlenderhan zugleich zu den bedeutensten deutschen Pferdebesitzern. Noch legt Fluxx mit 209 Mitarbeitern und 350 000 Kunden zu, vor allem mit Oddset-Wetten und Lottotipps. Der Umsatz lag 2000 bei 33,6 Millionen Euro. Aber: Auch die Fluxx-Aktie wurde im Sog des Neuen Marktes tief nach unten gerissen. Der Fehlbetrag lag zuletzt bei 6,2 Millionen Euro, erst für 2001 sind schwarze Zahlen geplant.

Fluxx steht trotz der Rückendeckung beider Pferdeverbände im harten Wettbewerb. Die staatlichen Lottogesellschaften bieten mit Oddset.de selbst einen erfolgreichen Service im wachsenden Internetmarkt an. Weitere börsennotierte Unternehmen mischen im Milliardengeschäft mit. So lässt der Münchener Wettanbieter Eurotip selbst auf Hundewetten tippen, und verfügt gleichzeitig über das professionellste internationale Pferdesportangebot. Für die nahe Zukunft arbeitet Eurotip sogar an Rennübertragungen im Internet. Eine Kuriosität im hiesigen Wettmarkt findet sich in Ostdeutschland: Die Sportwetten Gera GmbH verfügt über die einzige staatliche Lizenz jenseits des Monopols - ein Relikt aus DDR-Zeiten.

Konkurrenz aus dem Ausland

Gefährlich könnten den deutschen Anbietern aber die ausländischen Wettbewerber werden. Mehr als 20 000 Web-Seiten bieten ihre Dienste an. Viele Unternehmen wählen als Firmensitz die Inseln Vanuatu, Grenada, die englische Kronkolonie Gibraltar oder auch Antigua. Letztere ist auch die Steuer-Heimat der Salzburger Intertops, einer der weltweit größten Anbieter bei Fußball-Wetten. Die Steuerfreiheit ist freilich nicht der einzige Wettbewerbsvorteil. Die Österreicher haben es ohnehin leichter, weil in der Alpenrepublik Wetten als Geschicklichkeits- und nicht als Glücksspiel angesehen werden. Lizenzen werden liberal vergeben.

Antiquiert scheint da das Modell, das der deutsche Galopperverband gemeinsam mit dem italienischen Partner Sisal/Autotote im Sinn hat. Nach italienischem Vorbild sollen hier zu Lande 2500 Wettbistros entstehen, wo die Zocker Rennen verfolgen, Kaffee trinken und Wetten abgeben können. Dafür wurde der Markenname Tip-On erdacht. Doch der Erfolg war bisher wenig durchschlagend. Gerade 50 Cafés haben in Deutschland eröffnet. Das Kribbeln nach dem Klick ist einfach nicht zu toppen. Und dann ist da ja noch das schlechte Wetter.

Ingo Wolff

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