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VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch: Versucht er weiterhin, Vorstandschef Winterkorn abzusetzen?

© Fotolia, dpa, Montage: J. Münch, D. Streuber

Machtkampf: Martin Winterkorn vs. Ferdinand Piëch: Die nächste Runde ist eingeläutet

Deutschlands größter Autokonzern kommt nicht zur Ruhe: Berichten zufolge hat VW-Pate Ferdinand Piëch seinen Plan noch nicht aufgegeben, Konzernchef Martin Winterkorn aus dem Amt zu drängen. Es geht um die Nachfolge an der Aufsichtsratsspitze.

Im Kampf um die Führung des Volkswagen-Konzerns bringen die Gegenspieler ihre Truppen in Stellung. Zunächst sorgte am Donnerstag die Meldung für Aufsehen, der Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch wolle VW-Chef Martin Winterkorn immer noch vorzeitig entmachten – und zwar bereits in der nächsten Aufsichtsratssitzung am 4. Mai.

Am 5. Mai steht in Hannover die diesjährige Hauptversammlung an, mit Winterkorn und Piëch als Hauptdarstellern. Nachdem Piëch vor zwei Wochen geraunt hatte, „ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, hatte das sechsköpfige Präsidium des Aufsichtsrats vor einer Woche dem Vernehmen nach mit 5:1 Stimmen Winterkorn das Vertrauen ausgesprochen. Piëch stand allein. Umso überraschender kam am Donnerstag dann die vom NDR und von der Deutschen Presseagentur verbreitete Nachricht, Piëch versuche erneut, Winterkorn loszuwerden. Ein Dementi von Piëch sowie Erklärungen des Landes Niedersachsen und des Betriebsrats folgten prompt.

Piëch: Wir haben uns ausgesprochen

Piëch sagte der „Bild“-Zeitung: „Wir haben uns letzte Woche ausgesprochen. Und uns auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Ich betreibe die Ablösung von Martin Winterkorn nicht.“ Zuvor war die Nachricht verbreitet worden, am Mittwoch hätten sich auf Drängen von Piëch die Familien Piëch und Porsche in Stuttgart getroffen.

Dort soll Piëch um Unterstützung für seinen Plan geworben haben, Porsche-Chef Matthias Müller oder Skoda-Chef Winfried Vahland als Nachfolger von Winterkorn durchzusetzen. Die Familien Piëch und Porsche halten die Mehrheit an VW. Ein weiterer großer Aktionär ist das Land Niedersachsen, dessen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auch im Aufsichtsrat sitzt und der sich ebenso wie VW-Betriebsratschef und Aufsichtsratsmitglied Bernd Osterloh für Winterkorn einsetzt.

Das Präsidium des Kontrollgremiums inklusive Weil und Osterloh hatte Winterkorn in der vergangenen Woche in Salzburg deutlich das Vertrauen ausgesprochen. Wolfgang Porsche stimmte dabei gegen seinen Vetter Ferdinand. Die Piëchs und Porsches kontrollieren 50,73 Prozent der stimmberechtigten VW-Aktien. Piëchs Attacke auf Winterkorn schien nach hinten loszugehen, seine Position war geschwächt, und aus Aufsichtsratskreisen wurde gestreut, Piëch solle nun seinerseits entmachtet werden.

Womöglich spielt Rache eine Rolle

Doch auch daran scheint in dem Gremium niemand ein ernsthaftes Interesse zu haben. Die Niedersächsischen Landesregierung erklärte am Donnerstag lapidar: „Der Beschluss des Präsidiums vom letzten Donnerstag ist nach gründlicher Diskussion gefasst worden. Er bleibt die Grundlage für das Vorgehen von Ministerpräsident Stephan Weil.“ Niedersachsen hält mit einer Sperrminorität 20 Prozent der VW-Aktien.

Auch Betriebsratschef Osterloh ließ mitteilen, „für uns steht der Beschluss aus der vergangenen Woche“. Ebenso lautete die Darstellung aus der Wolfsburger VW-Zentrale: „Das Aufsichtsratspräsidium hat am Freitag eine Erklärung abgegeben, der nichts hinzuzufügen ist.“ Hinter dem Schlagabtausch steht die Frage, wer in Zukunft den mächtigsten Mann im Konzern – und das ist Ferdinand Piëch – als Aufsichtsratsvorsitzenden ablösen soll. Bislang war Winterkorn der Favorit.

Der 67-Jährige, dessen Vertrag Ende 2016 endet, sollte dann in den Aufsichtsrat wechseln. Nach Piëchs Verbalattacke ist das unwahrscheinlich geworden. Über Piëchs Motiv wird seit Wochen spekuliert.

Ein Erklärungsversuch zielt in Richtung Eifersucht: Winterkorn ist in den Augen von Piëch zu selbstbewusst und vielleicht auch zu erfolgreich geworden. Und er hat sich als sein natürlicher Nachfolger positioniert. „Piëch war empört, dass sich Winterkorn praktisch selbst ernannt hatte“, sagt ein mit den Umständen in Wolfsburg vertrauter Beobachter des jüngsten Scharmützels.

Andere Stimmen vermuten einen Racheakt Piëchs: So war aus dem Umfeld Winterkorns vor zwei Jahren lanciert worden, der „Alte“ sei nicht mehr bei bester Gesundheit. An der VW-Spitze waren damals Szenarien durchgespielt worden, wer welchen Posten besetzt, falls Piëch plötzlich ausfallen sollte. Winterkorn wäre dann Aufsichtsratsvorsitzender geworden und Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch übergangsweise Nachfolger Winterkorns an der Vorstandsspitze.

Die Mehrheit im Aufsichtsrat ist für Winterkorn

Am vergangenen Wochenende hieß es in einem Zeitungsbericht erneut, nach der jüngsten Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums müsse „die Geschäftsfähigkeit des Vorsitzenden infrage“ gestellt werden. Auch die neuerliche Attacke gegen Winterkorn hätte in das Bild des nicht mehr voll zurechnungsfähigen Aufsichtsratschefs gepasst, der offenbar auch, so ist hier und da zu hören, und dem Einfluss seiner deutlich jüngeren Ehefrau Ursula stehen soll, die er vor einigen Jahren in den VW-Aufsichtsrat geholt hatte. Piëch hat indes klar ausgeschlossen, dass er seine Gattin als Nachfolgerin für den Aufsichtsratsvorsitz im Auge hat.

In der aktuellen Auseinandersetzung sei jedenfalls der Aufsichtsrat das Thema für Piëch, und nicht eine vorzeitige Ablösung Winterkorns als Vorstandsvorsitzender. „Es geht um die Nachfolge an der Aufsichtsratsspitze“, sagte ein mit den Vorgängen Vertrauter dem Tagesspiegel. Die Kapitalseite stehe dabei geschlossen hinter dem VW-Patriarchen, der sich einen Techniker an der Spitze des Kontrollgremiums wünscht. Piëch findet dem Vernehmen nach die Lösungen bei Bertelsmann und Springer vorbildlich, wo mit Liz Mohn und Friede Springer die Witwen der Gründer in den Aufsichtsräten sitzen, nicht aber an deren Spitze.

Gesetzliche Beschränkungen

Piëchs angeblichem Manöver gegen Winterkorn sind nach dem Aktiengesetz enge Grenzen gesetzt. Der Aufsichtsrat eines börsennotierten Unternehmens kann einen Vorstandschef nur absetzen, wenn „ein wichtiger Grund“ vorliegt – eine grobe Pflichtverletzung, die „Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung“ oder der „Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung“.

Vor allem aber fehlt Piëch die Mehrheit im Aufsichtsrat, der zur Hälfte von den Arbeitnehmern besetzt ist. Und die stehen an Winterkorns Seite. Da auch der Niedersachse Weil für Winterkorn ist, gibt es keine Mehrheit für Piëch. Trotzdem hat der Alte erneut die Gerüchteküche unter Dampf gesetzt: „Wenn er jetzt nachlegt, dann hat er eine Spur, die zum Ziel führt“, sagt ein Piëch- Kenner. Das Ziel könnte einen Namen haben: Matthias Müller, Vorstandschef von Porsche und Techniker, könnte Aufsichtsratsvorsitzender von VW werden.

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