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Wirtschaft: „Man muss nur warten können“

Schering-Aktionäre spekulieren auf hohe Abfindung

Berlin - Der Mann hat Nerven. „Es wird noch viele Jahre dauern, bis wir Geld sehen“, sagt Kleinaktionär Kai Winkler und macht dabei nicht den Eindruck, als würde ihn das irgendwie beunruhigen. Gerade hat sich der Mittvierziger mit dem roten T-Shirt und den schulterlangen Locken den Teller mit Bockwürstchen und Kartoffelsalat vollgeladen.

Es ist Viertel vor zwölf an diesem Freitag, vor knapp zwei Stunden hat in Halle 21 des Berliner Messegeländes die wohl letzte Hauptversammlung der Berliner Bayer Schering Pharma AG begonnen, die früher Schering hieß. Vor zwei Jahren war das Berliner Traditionsunternehmen für 17 Milliarden Euro vom Leverkusener Bayer-Konzern geschluckt worden. 89 Euro pro Aktie hatte Bayer damals gezahlt.

Das übliche Hauptversammlungsprogramm ist an diesem Morgen schnell abgespult. Vorstandsmitglied Werner Baumann versichert den rund 200 Aktionären, dass die Schering-Integration „im Plan“ sei, und das „Geschäftswachstum unsere Erwartungen voll erfüllt“ hat. Im ersten Quartal hatte die Bayer-Gesundheitssparte den Gewinn um elf Prozent auf über eine Milliarde Euro gesteigert, und dabei von Schering-Produkten wie der Verhütungspille Yasmin profitiert.

Den versammelten Bayer-Managern sieht man an, dass sie lieber woanders wären. Arthur Higgins, der schottische Vorstandsvorsitzende von Bayer-Schering-Pharma (BSP), liest konzentriert in Unterlagen. Auch Hubertus Erlen, der letzte Schering-Chef, der nach der Übernahme als Vize in den BSP-Aufsichtsrat gerückt ist, scheint das Geschehen im Saal kaum wahrzunehmen. Für Bayer ist das hier nur eine lästige Pflichtübung.

Dass Schering auch zwei Jahre nach der Übernahme noch zur Hauptversammlung laden muss, liegt an Zockern wie Kai Winkler. Der Aktionär, der seinen richtigen Namen lieber für sich behält, weigert sich nicht nur, seine alten Schering-Papiere zu verkaufen; „ich kaufe sogar noch Aktien zu“, bekennt er, zuletzt zum Preis von unglaublichen 107 Euro pro Stück. Denn an der Börse steigt der Aktienkurs noch immer, am Freitag auf 108 Euro.

Man muss dazu wissen: Bayer will die übrigen Schering-Aktionäre gerne loswerden und zwar möglichst schnell. 96,3 Prozent von Schering gehören inzwischen dem Leverkusener Konzern, die restlichen Aktionäre sollen per Zwangsabfindung zum Verkauf gezwungen werden, die das Gesetz ausdrücklich erlaubt. Dafür hat Bayer den Minderheitsaktionären 98,98 Euro geboten. Weil das vielen immer noch zu wenig ist, haben 46 dagegen geklagt. Auf einen Vergleich will sich Bayer nicht einlassen. Diese Klagen stehen der Zwangsabfindung aber nicht entgegen, hat das Landgericht Berlin entschieden. Nun müssen die Gerichte noch über die Höhe entscheiden.

Die Erwartungen sind hoch. „Ich erwarte eine Abfindung von circa 120 Euro pro Aktie“, sagt Winkler. Mehr als 2500 Schering-Aktien hält er noch, selbst bei einem Kaufpreis von 107 Euro würde er einen guten Schnitt machen. „Man muss nur warten können“, sagt der Ingenieur.

Ein älterer Herr im Anzug hat ihm interessiert zugehört. 102 Schering-Aktien hatte Lorenz Claussen einmal, doch auf Anraten seiner Bank hat er 100 davon verkauft, damals noch für 89 Euro das Stück. Die übrigen zwei hält er noch „aus Spaß“, wie er sagt. Trotzdem meint er: „Es war ein Fehler, nicht abzuwarten.“ Vielleicht klappts beim nächsten Mal. Er hat ein Auge auf VW-Aktien geworden. Der Autokonzern wird gerade von Porsche übernommen.Maren Peters

Maren Peters

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