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Manager: Erfolgsprämien auch ohne Erfolg

Ob bei AIG oder Arcandor – die Geschäfte laufen schlecht, trotzdem werden den Managern horrende Boni gezahlt. Auch für deutsche Unternehmen gibt es derzeit keine rechtlichen Grenzen.

Draußen glänzt die Sonne am frühlingshaften Rheinufer, drinnen riecht es nach frisch Gekochtem. Vermeintlich stimmen die Zutaten im Düsseldorfer Kongresszentrum für eine harmonische Hauptversammlung beim Handels- und Touristikkonzern Arcandor. Doch tatsächlich herrscht dicke Luft. „Der Märchenerzähler hat uns abgezockt“, entrüstet sich ein grauhaariger Aktionär, ohne von seinem Nudelgericht aufzusehen. Die Kritik richtet sich gegen den ehemaligen Konzernchef Thomas Middelhoff. Vor drei Wochen musste dieser seinen Hut nehmen, nach fast 750 Millionen Euro Verlust im vergangenen Geschäftsjahr und einem Schuldenberg von knapp einer Milliarde Euro. Auf Middelhoffs Gehaltszettel ist davon nichts zu spüren. Beim Aktionärstreffen am vergangenen Mittwoch wurde bekannt: Zu seinem festen Jahresgehalt von 1,2 Millionen Euro kassierte der Manager zuletzt einen Bonus von 2,3 Millionen.

Ein Extralohn trotz schlechter Bilanz? Das macht stutzig. Nach Konzernangaben hat Middelhoff seine vertraglich vereinbarten Ziele erreicht. Zum einen habe er von 2005, als der Manager den angeschlagenen Konzern übernahm, bis 2008 den Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) gesteigert. Zum Zweiten ist es ihm gelungen, den Anteil der Reisetochter Thomas Cook am Gesamtergebnis zu erhöhen, wie Gerd Koslowski von Arcandor erklärt. Doch der Firmensprecher ist sich der Brisanz der Erfolgsprämie durchaus bewusst: „Im Nachhinein kann man sich natürlich fragen, ob diese Ziele richtig waren.“

Für Dietmar Hexel aus dem Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geht es bei den Bonuszahlungen für Manager gar nicht so sehr um deren vertragliche Rechte, die zumeist aus konjunkturell besseren Zeiten stammen. „Ob man in der Wirtschaftskrise einen Bonus in Anspruch nimmt, ist keine Sache von Verträgen. Es ist eine Charakterfrage“, sagte Hexel dem Tagesspiegel am Sonntag.

Ein ähnliches Gefühl wird zahlreiche Amerikaner in der vergangenen Woche auf die Straße getrieben haben. In mehreren Städten protestierten Demonstranten gegen Bonuszahlungen beim amerikanischen Versicherungskonzern AIG. Das Unternehmen hatte in den vergangenen Monaten nur mit staatlichen Hilfen von 182,5 Milliarden Dollar überlebt. Gleichzeitig schüttete der Konzern 218 Millionen Dollar an Prämien für seine Manager aus.

Die Politik reagierte schnell. Das Repräsentantenhaus beschloss am Mittwoch eine Sondersteuer für Boni. Demnach sollen Zahlungen an Manager von Unternehmen, die mit Staatsgeldern vor dem Kollaps bewahrt wurden, mit 90 Prozent besteuert werden. Die Abgabe soll für alle Angestellten gelten, die über ein Familieneinkommen von mindestens 250 000 Dollar im Jahr verfügen und deren Firmen mindestens fünf Milliarden Dollar vom Staat bekommen haben.

Auch in Deutschland bemüht sich die Politik, die Managergehälter zu begrenzen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf der Koalition wurde am Freitag erstmals im Bundestag verhandelt. Er sieht vor, dass Aktienoptionen erst nach vier statt nach zwei Jahren eingelöst werden können und dass der Aufsichtsrat künftig stärker für Gehaltsexzesse des Vorstandes haftet. Eine Strafsteuer nach amerikanischem Vorbild lehnt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries jedoch ab.

Dabei funktionieren Bonuszahlungen eigentlich nach einem vernünftigen Prinzip. Neben einem festen Gehalt bietet die Aussicht auf zusätzlichen Lohn einen Anreiz für zusätzliches Engagement. Doch diese Motivation fällt je nach Berufsgruppe unterschiedlich aus. „Bei einfachen Arbeiten sorgt eine variable Bezahlung für enorme Anreize“, sagt Margit Osterloh, Professorin für Organisation und Unternehmenstheorien an der Uni Zürich. Bei der komplexeren Aufgabe von Managern bestehe dagegen die Gefahr, dass für den Bonus andere Ziele wie etwa der Erhalt von Jobs vernachlässigt werden. Osterloh ist dafür, den variablen Teil eines Einkommens weitgehend abzuschaffen. „Es ist nicht nachweisbar, dass Boni zu besseren Ergebnissen von Unternehmen führen“, sagt die Wissenschaftlerin. Zudem förderten sie gierige Manager und die Neigung zur Manipulation. Auch die Gewerkschaft Verdi forderte am Samstag, Bonuszahlungen in der Finanzbranche komplett abzuschaffen.

Derzeit gibt es für Unternehmen bei Boni keine rechtliche Begrenzung außer der Zustimmung des Aufsichtsrates. Der ist nach dem Aktiengesetz für die Anstellungsverträge der Vorstände zuständig und muss also etwaigen Bonuszielen wie im Fall Middelhoff zustimmen. Zudem müssen börsennotierte Gesellschaften einmal im Jahr ihren Aktionären mitteilen, ob sie den Empfehlungen der Corporate Governance Kommission für verantwortungsvolle Unternehmensführung gefolgt sind. Das kann auch über Boni erfolgen, indem man Erfolgsprämien etwa auch für nachhaltige Entwicklung festschreibt. Experten fordern das seit langem. Mit Siemens und Daimler haben 2008 aber nur zwei von 30 Dax-Konzernen solche Vorschläge aufgenommen. Bei Daimler kann ein Vorstand sogar bis zu 15 Prozent seines variablen Jahreseinkommens verlieren, wenn sogenannte Compliance-Ziele nicht erreicht werden.

Grundsätzlich sind die Erfolgsprämien im Pleitenjahr 2008 natürlich stark gesunken. Mitleid hat Dietmar Hexel deswegen nicht. „Die Fixgehälter sind schließlich so hoch, dass man sorgenfrei leben kann“, meint der DGB-Vorstand.

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