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MARKT ODER STAAT? Wie das Finanzsystem zu retten ist: Die Banken an die Kandare

Politiker und Gewerkschafter sehen die Krise als Chance: Der Staat soll nicht nur kurzfristig einspringen, sondern langfristig an Einfluss gewinnen

Die Schockwellen kommen in immer kürzeren Abständen. Seit Wochen vergeht kaum ein Tag ohne neue Schreckensnachrichten aus der Bankenwelt. In Deutschland sorgen vor allem die Mittelstandsbank IKB und die Landesbanken für Aufregung. Die jüngste Hiobsbotschaft kam am Freitag aus Bayern. Die dortige BayernLB braucht angeblich doppelt so viel Geld wie zunächst vermutet – bis zu vier Milliarden Euro. Ob dies das letzte Wort ist, wagt keiner zu sagen.

Ihren Ursprung hat die Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt. Mittlerweile hat sie aber die Banken in aller Welt erfasst. Selbst Vorzeigeinstitute wie die Deutsche Bank, die bis vor kurzem noch als Fels in der Brandung galt, müssen inzwischen eingestehen, dass sie getroffen sind. Schlimmer noch: Sie müssen den Staat um Hilfe bitten. Genau das hat Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vor knapp zwei Wochen getan und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Doch tatsächlich springen Notenbanken und Regierungen bereits seit Monaten für die Finanzbranche ein. Die Notenbanken leihen den Geschäftsbanken unzählige Milliarden, weil diese sich untereinander keinen Kredit mehr geben. In den USA finanzierte die Notenbank Federal Reserve die Rettung der Investmentbank Bear Stearns. In Deutschland griffen Bund und Länder den Banken IKB, WestLB und SachsenLB mit insgesamt mehr als 15 Milliarden Euro unter die Arme.

„Es findet praktisch eine Sozialisierung der Verluste statt“, wettert Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Linken, „die Gewinne sollen aber weiter privatisiert werden“. Diese Situation sei „nicht zu akzeptieren“, kritisiert Bartsch. „Das muss auch regulatorische Konsequenzen haben.“

Der Kronzeuge der Linken ist Deutsche-Bank-Chef Ackermann

Wie er sehen viele Staatsgläubige in Politik und Gewerkschaften die Krise auch als Chance für ein Comeback des Staates an den Finanzmärkten. „Vielleicht ist das der Beginn einer ernsthaften Debatte über die Zivilisierung des Kapitalismus“, sagt IG-Metall-Vorstand Wolfgang Rhode und fordert strengere Regeln. „Neben dem Zusammenkehren des Scherbenhaufens müssen die unregulierten Finanzmärkte an die Kette gelegt werden.“ Als Kronzeuge dient den Kritikern Josef Ackermann. „Die Einsicht kommt spät, aber sie ist gut“, sagt Rudolf Hickel, Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) in Bremen. „Ackermann sieht die zerstörerische Kraft der Finanzmärkte und weiß, dass wir etwas tun müssen.“

In der Tat stehen die Chancen für mehr Regulierung auf den Finanzmärkten gar nicht so schlecht. Denn nicht nur Josef Ackermann ruft den Staat um Hilfe, auch der traditionell marktliberale Internationale Währungsfonds (IWF) hält staatliche Eingriffe mittlerweile für notwendig. Man müsse das „Undenkbare“ in Betracht ziehen, um die Abwärtsspirale zu stoppen, sagte jüngst der IWF-Vizechef John Lipsky und schien sich dabei vor seinen eigenen Worten zu erschrecken. Pragmatischer ist da die US-Regierung: Finanzminister Henry Paulson hat bereits Maßnahmen angekündigt, um die Banken stärker an die Kandare zu nehmen.

Viele Finanzwissenschaftler halten diesen Weg für richtig. „Die Bankenkrise hat sehr deutlich gemacht, dass wir eine neue Finanzmarktarchitektur brauchen“ sagt Mechthild Schrooten, Professorin an der Hochschule Bremen und Forschungsprofessorin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Schrooten beklagt vor allem die „großen Informationsdefizite“ auf internationaler Ebene. „Die Kooperation der Banken und Behörden muss verbessert werden.“

Um Banken und Finanzmärkte zu zähmen, ist derzeit ein ganzes Bündel von Maßnahmen in der Diskussion. Die Vorschläge setzen an unterschiedlichen Stellen der Kette an, die zur aktuellen Krise geführt hat: von den US-Immobilienfinanzierern bis zu den Banken, die die faulen Kredite gekauft und teilweise sogar an Privatanleger weitergereicht haben. Kein Marktteilnehmer soll verschont bleiben. In Deutschland steht besonders ein Verbot für Banken im Fokus, ihre riskanten Geschäfte außerhalb ihrer Bilanzen zu betreiben und zu verbuchen. „So etwas darf schlicht nicht mehr stattfinden“, fordert Finanzprofessorin Schrooten. Auch Verdi-Bundesvorstand Uwe Foullong will außerbilanzielle Gesellschaften verbieten: „Die regieren im Geheimen an Aufsichtsrat und Finanzaufsicht vorbei“, kritisiert er. „Das dramatische Ausmaß der Krise macht deutlich, dass der Markt mehr staatlicher Regulierung bedarf, damit sich so etwas nicht wiederholt.“ Mitarbeit: alf//mot/dcl

Stefan Kaiser

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