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Hohe Ziele. Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski (r.) und Finanzvorstand Thomas Rabe sind optimistisch für 2010.

© Reuters

Medienkonzern: Bertelsmann lässt Bilder sprechen

Der Konzern Bertelsmann ist passabel durch das Krisenjahr gekommen – und will nun schneller wachsen. Grund zu jubeln hat Europas größtes Medienunternehmen allerdings nicht.

Berlin - Wie erklärt man anschaulich, warum die Digitalisierung von Informationen und Kommunikation die Medienindustrie elektrisiert wie kein anderes Thema? Man baut einen kleinen LCD- Bildschirm in die erste Seite seines 160- seitigen Geschäftsberichts ein, fügt einen Microchip, eine USB-Schnittstelle und drei Programme hinzu. So machte es Bertelsmannam jetzt bei der Vorlage der aktuellen Bilanz. Der lesende Zuschauer hatte die Wahl: Er konnte sich auf dem gestochen scharfen Mini-Display den Film „175 Jahre Bertelsmann“ anschauen, Hartmut Ostrowski, dem Vorstandschef des Medienkonzerns, beim Jahresrückblick zuhören und -sehen, oder das Lebenswerk des 2009 verstorbenen Gründers Reinhard Mohn bestaunen. Das Verfahren „Video in print“ wurde vom US-Unternehmen Americhip entwickelt. Es wird auch bei klingenden Glückwunschkarten verwendet.

Für Glückwünsche hatte Europas größtes Medienunternehmen, das am Dienstag in Berlin einen Blick auf das vergangene Geschäftsjahr warf, aber wenig Grund. Hartmut Ostrowski präsentierte Zahlen, die von der Krise gekennzeichnet sind: Dramatisch schrumpfende Werbemärkte haben Umsatz und Ergebnis in allen fünf Geschäftsfeldern massiv unter Druck gesetzt (siehe Kasten), Bertelsmann musste sparen wie nie in der Firmengeschichte (eine Milliarde Euro), 4500 Arbeitsplätze wurden gestrichen, 103 000 Mitarbeiter hat das Unternehmen aktuell. Unter dem Strich blieb im Konzern 2009 nur ein kleiner Gewinn von 35 Millionen Euro (2008: 270 Millionen Euro) übrig. Der Umsatz sank um 5,4 Prozent auf 15,4 Milliarden Euro.

„Verzicht und Kraft“ habe das Unternehmen seinen Mitarbeitern abverlangt, räumte Ostrowski ein. Aber Bertelsmann habe im zweiten Halbjahr 2009 die Wende geschafft. Die Umsatzrendite konnte im Gesamtjahr bei 9,3 Prozent fast stabil gehalten werden (Vorjahr: 9,7 Prozent). Die Schulden sanken um rund 600 Millionen Euro auf 6,024 Milliarden Euro. „Wir bereiten uns nun wieder auf Wachstum vor, ohne an der Kostenfront nachzulassen“, sagte der Bertelsmann-Chef.

Das soll die Botschaft im Frühjahr 2010 sein: Nach der Restrukturierung 2008 und dem Krisenmanagement 2009 ist Bertelsmann wieder da. Umsatz und operatives Ergebnis sollen im laufenden Jahr stabil bleiben, der Konzernüberschuss deutlich steigen. Inklusive der Gewinnanteile für Minderheitsaktionäre – etwa beim Streubesitz der RTL Group – sei ein Konzerngewinn von 400 Millionen Euro möglich, prognostizierte Finanzchef Thomas Rabe. „Ganz Bertelsmann brennt darauf, Wachstumschancen zu ergreifen“, sagte Ostrowski. „Eine Option“ sei dabei auch der Aufbau eines weiteren Geschäftsfelds, etwa im Bereich Bildung.

Hier kommt die Digitalisierung wieder ins Spiel. Bertelsmann sieht sich als Dienstleister und – mit seinen Verlagen, TV-Sendern, Zeitungen, Zeitschriften und Netzwerken – als Lieferant von Inhalten. Profitieren will der Konzern, der 65 Prozent des Umsatzes im Ausland macht, besonders vom technischen Fortschritt. „Nichts bewegt unsere Branche derzeit mehr als die neuen Devices (Geräte) – vom Sony Reader bis zum Kindle, vom Skiff Reader bis zum iPad – und die darauf aufbauenden Geschäftsmodelle“, sagte Ostrowski. „Die Konvergenz, von der wir alle schon so lange reden, ist nun endgültig Realität.“ Geprägt wird diese Realität noch von Hardware-Herstellern wie Apple. Das neueste Produkt, der Tablet-Computer iPad, könnte vor allem Zeitungen und Buchverlagen neue Vertriebswege öffnen. Ostrowski glaubt, dass der iPad den Markt ähnlich wie das iPhone von Apple revolutionieren wird. „Wir hoffen, dass wir bald mit Apple zu einem Deal kommen“, sagte Finanzvorstand Rabe. Markus Dohle, Chef der Bertelsmann-Buchverlagsgruppe Random House, schätzt, dass in den USA bis Ende 2010 rund zehn Millionen iPads und vergleichbare Lesegeräte verkauft werden. Der US-Markt sei dem deutschen zwei Jahre voraus. Random House selbst hat schon mehr als 100 000 elektronische Bücher (E-Books) verkauft.

Inhalte will Bertelsmann künftig günstiger produzieren – oder zukaufen. Dementiert wurde am Dienstag, dass das schwierige Geschäft von Gruner + Jahr verkauft werden soll. „Die Beteiligung steht nicht zur Debatte“, sagte Ostrowski. „Wir werden Gruner + Jahr behalten und weiterentwickeln.“

Zum Poker um die Zukunft der Plattenfirma EMI sagt Rabe: „Wenn EMI auf den Markt kommt, werden wir uns damit befassen.“ Ob das geschieht, sei aber noch völlig offen. In den vergangenen Tagen gab es Gerüchte, Bertelsmann habe Interesse an dem angeschlagenen Konzern.

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