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Medizinforschung: Die Charité im Wandel

Fünf Sechstel ihres Umsatzes erwirtschaftet die Berliner Charité nach eigenen Angaben aus dem Gesundheitsmarkt. Punkten kann sie vor allem in der Forschung. Doch noch ist es ein langer Weg zum profitablen Unternehmen.

Das würde man heute wohl erfolgreiche Standortpolitik nennen. 1709 erließ König Friedrich I. eine Kabinettsorder, derzufolge vor den Toren der Stadt ein Pesthaus eröffnet werden sollte. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I. verfügte später in einer flüchtig hingekritzelten Randnotiz, dass das Haus „Charité“ (Barmherzigkeit) heißen solle – wohl ohne zu ahnen, dass dieser Name 300 Jahre später Gold wert sein würde. Denn Unternehmen, die Erfolg haben wollen, brauchen heute einen bekannten Markennamen.

Und ein Unternehmen ist die Charité dieser Tage mindestens so sehr wie ein Krankenhaus. Symbolisch vereint das neue Lehr- und Forschungsgebäude, das gerade auf dem Campus in Mitte errichtet wird, Vergangenheit und Zukunft. Der backsteinerne Mantel ist eine Referenz an die umliegenden Klinikgebäude aus dem 19. Jahrhundert, doch das Innere ist hochmodern. Die Charité ist beides: Älteste und traditionsreichste Klinik Berlins und zugleich ein wichtiges Element im Plan des Senats, die Stadt zum führenden Standort der Gesundheitswirtschaft zu machen. Nach mehreren Fusionen, zuletzt 2003, verteilt sich die Charité aktuell auf vier Standorte in Mitte, Steglitz, Wedding und Buch. 79 Krankenhäuser gibt es in Berlin, die Charité ist – noch vor dem zweiten landeseigenen Betrieb Vivantes – die bedeutendste davon. Denn hier wird geforscht: Mit rund 13 000 Mitarbeitern, darunter 2000 Ärzten und Wissenschaftlern, gilt sie als das größte Universitätsklinikum Europas. 7200 Studierende von Humboldt- und Freier Universität werden hier ausgebildet.

Fünf Sechstel ihres Umsatzes – 2010 lag er bei 1,2 Milliarden Euro – erwirtschaftet die Charité laut ihres Vorstandsvorsitzenden Karl Max Einhäupl aus dem Gesundheitsmarkt – also aus der Krankenversorgung. Der Rest stammt vor allem aus Drittmitteln, etwa von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Dazu kommt ein jährlicher Landeszuschuss von im Moment 185 Millionen Euro.

Doch noch ist es ein langer Weg zum profitablen Unternehmen: 2010 schloss die Charité mit einem Defizit von 17,8 Millionen Euro ab, eine leichte Verbesserung gegenüber dem erwarteten Verlust von 20 Millionen. 2011 soll beim Abschluss eine schwarze Null stehen.

Punkten kann sie vor allem in der Forschung. Zur Zeit sind rund 1000 größtenteils drittmittelfinanzierte Projekte an der Charité angesiedelt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Frage, wie die Ergebnisse dieser Forschung schnell zum Nutzen des Patienten umgesetzt werden können. „Wir sind ein Innovationsträger der Berliner Gesundheitswirtschaft“, sagt Einhäupl. „Wer sonst könnte die Rolle dieses Motors übernehmen?“ Deshalb gibt es auch seit einigen Jahren Kooperationsverträge mit Firmen wie Sanofi Aventis oder Novartis. Gemeinsam mit ihnen entwickelt die Charité neue Medikamente, an deren Erlös sie beteiligt wird. Mit Bosch kooperiert sie bei der Telemedizin, mit den Brandenburger Firmen Meytec und Brahms bei der Entwicklung eines mobilen Schlaganfall-Rettungsfahrzeugs. „Wir schauen ständig, wo wir neue Partner für Synergien finden können“, sagt Einhäupl.

Der Blick geht nach vorne, aber auch zurück. Etwa im Medizinhistorischen Museum auf dem Campus in Mitte, das mehrere Jahrhunderte Medizingeschichte in immer neuen Ausstellungen präsentiert. Bei der Charité hat man offenbar verstanden, dass Zukunft ohne Vergangenheit nicht zu haben ist.

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