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Wirtschaft: Mehr Spaß an der Spekulation

Studien zum Verhalten privater Anleger / Gesucht wird das schnelle GeldVON RENATE I.MRESCHARDas Aktienfieber hat längst nicht nur die Börsianer erfaßt.

Studien zum Verhalten privater Anleger / Gesucht wird das schnelle GeldVON RENATE I.MRESCHAR

Das Aktienfieber hat längst nicht nur die Börsianer erfaßt.Angefangen mit der Telekom- und der Pro-Sieben-Aktie wagen sich inzwischen immer mehr private Kleinanleger an die Börse, um an den Rekordläufen teilzuhaben.Spekulation ist offenbar ein verbreitetes Motiv für die neue Begeisterung für Börsengeschäfte.Nach einer Studie des Psychologen Professor Gerd Jüttemann und seiner Mitarbeiter an der Technischen Universität Berlin, die die Vermögensanlage von Bankkunden in Aktien, Optionen und Optionsscheine untersucht haben, waren die drei am häufigsten genannten Motive "schneller als herkömmlich Geld verdienen" (65 Prozent der Befragten), "Herausforderung und Spiellust" (43 Prozent) und "Spaß" (33 Prozent).Auch die Antworten auf die Frage, nach welchen Gesichtspunkten das aktuelle Depot zusammengestellt worden ist, weisen in die gleiche Richtung: Fast 60 Prozent der Befragten nannten "kurzfristige Gewinnmitnahme" als wesentlichen Aspekt. Die familieninterne Entscheidung, welche Anlagestrategie zu wählen sei, hängt entscheidend von der Art der Anlage ab: Beim Sparen reden die Frauen recht gleichgewichtig mit, geht es um den Kauf von Aktien entscheiden zwei Drittel der Männer allein.Die Mehrheit beider Geschlechter meint gleichwohl, daß es in der Regel die Männer sind, die Finanzentscheidungen treffen.Dies geht aus einer Studie über die "Erklärung des Verhaltens privater Anleger" an der Universität Bamberg hervor. Ihrem Autor, Professor Andreas Oehler vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, geht es darum, theoretische, methodische und empirische Ansatzpunkte aufzuzeigen, um das reale Geschehen an Finanzmärkten und das Verhalten seiner Akteure zu erklären.Kern von Oehlers empirischen Analysen ist eine schriftliche Befragung von über 800 privaten Anlegern.Ergänzt wurde diese durch Experimente mit über 2200 Versuchspersonen, die gedanklich in Situationen versetzt wurden, in denen sie, versorgt mit verschiedenen Informationen, Dispositionen über Aktien zu treffen hatten. Bei allen Anlageformen entscheiden die weiblichen Partner mit zunehmendem Alter immer seltener mit.In der jüngsten Altersgruppe allerdings, den bis 25jährigen Anlegern, sind Frauen bei den verschiedenen Sparformen, bei Festgeld und festverzinslichen Wertpapieren sogar stärker beteiligt als Männer.In der höheren Altersgruppe (40 Jahre und älter) dagegen sind die "Aufgaben" entsprechend dem "traditionellen" Rollenmodell bereits verteilt und "eingeübt", der Hauptverdiener - zumeist (wie auch bei Oehlers Befragten) der Mann - trifft eher die Entscheidung in der Finanzsphäre. Diese Vermutung läßt sich indirekt durch ein weiteres Ergebnis der Befragung bestätigen.Der Einfluß des Hauptverdieners auf die Wahl der Anlage ist teilweise deutlich geringer als im Durchschnitt der Befragten, wenn er im Beruf nur eine geringe "Autonomie des Handelns" besitzt.Oft sind in einem solchen Fall die Entscheidungsgewichte in einer Partnerschaft eher gleich verteilt (geringe Autonomie: zum Beispiel Beamter im höheren Dienst, Selbständiger mit vielen Angestellten). Oehlers Untersuchungen bestätigen die Berliner Ergebnisse tendenziell.Anleger, die in erster Linie Einkommen erzielen wollen, halten einen überdurchschnittlichen Anteil Aktien in ihrem Geldvermögen-Portefeuille.Sparformen sind im Vergleich zum Durchschnitt aller Befragten unterrepräsentiert.Private Investoren, die die eigene Vorsorge für wesentlich erachten, legen ihren Anlageschwerpunkt überproportional auf Sparformen.Beim verwandten Motiv der Familienvorsorge dagegen werden festverzinsliche Wertpapiere stärker bevorzugt. Im Durchschnitt entscheiden sich unter allen Deutschen 45 Prozent für diverse Sparformen, 14 Prozent für Festgeld, 25 Prozent für Festverzinsliche, zehn Prozent für Fondsanteile und nur sechs Prozent für Aktien.Die Befragten der Oehler-Studie waren hingegen zu 14 Prozent Aktienbesitzer und zu 36 Prozent Sparer; 23 Prozent verfügten über Festverzinsliche, 17 Prozent über Festgeld und zehn Prozent über Fondsanteile. Für Aktienbesitzer sind offenbar auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale bedeutsam.Wer glaubt, seine Anlageentscheidungen "im Griff" zu haben, sich also kompetent fühlt und seinen eigenen Entscheidungen vertraut, hat deutlich höhere Anteile an Aktien in seinem Geldvermögen-Portefeuille und delegiert tendenziell weniger oft Anlageentscheidungen an Dritte.Auch lassen sich solche Personen seltener bei ihren Anlageentscheidungen von Profis beraten.Während von allen Befragten neun Prozent angaben, ihre Anlageentscheidung "nach ausführlichen Beratungen" zu treffen, 62 Prozent "selbständig nach Prüfung von Vorschlägen" und nur 29 Prozent sagten, die Entscheidung "ohne jeden Einfluß allein" zu treffen, sieht es bei den Kompetenten folgendermaßen aus: Nur fünf Prozent lassen sich ausführlich beraten, 48 Prozent entscheiden "selbständig nach Prüfung von Vorschlägen" und 47 Prozent treffen ihre Wahl "unbeeinflußt ganz allein". Insgesamt nimmt der relative Anteil an Formen der Wertpapieranlage mit steigendem Geldvermögen zu.Mit steigendem Geldvermögen ist man auch bereiter, Geld in riskanten Anlageformen zu investieren.Schließlich spielt auch die Einschätzung der Wirtschaftslage eine Rolle.Mit zunehmender positiver Einschätzung der Wirtschaftslage in den vergangenen zwölf und zukünftigen zwölf Monaten wird auch eher die Geldanlagemöglichkeit aussichtsreich beurteilt.Wer eine inflationäre Entwicklung erwartet, hat in seinem Portefeuille mehr Aktien und weniger Sparbücher.Dies, so Oehler, deutet darauf hin, daß Anleger Aktien als eher "inflationsresistent" beurteilen.

RENATE I.MRESCHAR

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