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Wirtschaft: Mehr Stoff

Die besten Modeschulen der Welt lehren Kreativität – und Marketing-Techniken

Mit der Hornbrille und dem extravaganten Schal sieht Alberto Isoppi ganz wie ein angehender Modedesigner aus, der nach einer kreativen Eingebung sucht. Doch statt zu lernen, wie man Kleider entwirft oder Stoffe anheftet, sitzt er in einem Marketingkurs und macht sich über Marken und Demografie schlau. „Es ist wichtig, ein guter Designer zu sein, aber man muss auch ein guter Marketingmanager sein“, sagt Isoppi. „Tom Ford oder John Galliano sind fast bessere Marketingexperten als Designer.“

Im harten Wettbewerb der Luxusgüterbranche, in der Computer und Technik eine große Rolle spielen, müssen Schneider mehr sein als Künstler. Heutzutage arbeiten die meisten Designer in internationalen Konzernen statt in kleinen Ateliers oder Familienfirmen, die einst die Branche dominiert haben. Andere finden einen Job in Handelsunternehmen, für die es wichtiger ist, dass sich die Kleider gut verkaufen, als dass ein neuer Trend kreiert wird. Die meisten Modeschulen-Absolventen müssen am Computer genauso geschickt sein wie mit Nadel und Faden. Und von fast allen wird Wirtschafts-Know-how und nicht nur Kreativität erwartet.

„Modedesign-Studenten müssen die speziellen, für ihren Job notwendigen Fertigkeiten erlernen, sie müssen aber gleichzeitig ein allgemeines Verständnis für die Branche haben“, sagt Antonella Padova, Personalchefin des exquisiten italienischen Leder-Verarbeiters Tod´s. „In der Vergangenheit war die Branche weniger international, weniger komplex und wurde auch nicht so professionell gemanagt. Das hat sich verändert. Heute müssen die Modedesigner mehr wissen.“

Von Microsoft lernen

Modeschulen passen sich an die neuen Anforderungen des Marktes an. Das New Yorker „Fashion Institute of Technology“ hat seinen Lehrplan überarbeitet und bietet für Studenten der unteren Semester ab dem kommenden Jahr mindestens zehn Wirtschafts-, Technik- und Produktionskurse an. Die Modeschule „Polimoda“ in Florenz, an der Alberto Isoppi studiert, hat drei Master-Programme mit wirtschaftlichem Schwerpunkt wie Merchandising und Management eingeführt. Und an der „Deutschen Meisterschule für Mode“ in München unterrichtet ein früherer Microsoft-Manager Marketing.

Das „Fashion Institute of Technology“ hat kürzlich eine Umfrage unter ehemaligen Studenten und Modeunternehmen gemacht, um mehr über die veränderten Anforderungen der Branche zu erfahren. „Das überwältigende Ergebnis war, dass von unseren Absolventen mehr Verständnis für die Wirtschaft gewünscht wird“, sagt Francesca Sterlacci, Dekanin des Bereichs Modedesign.

Während die Modeschulen mehr Wirtschaft unterrichten, lehren einige Business- Schools verstärkt Mode. Der Luxusgüterkonzern LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton finanziert einen Lehrstuhl für Luxusgüter an der französischen Business-School Essec und bietet Managern Fortbildungen an der „London Business School“ an. Unterdessen halten Modehäuser immer mehr Ausschau nach Nachwuchs, der gleichermaßen Stil wie Geschäftsverstand mitbringt. So hat der schottische Edel-Strickwarenhersteller Pringle einen fast unbekannten britischen Designer für seinen Relaunch angeheuert. Der Grund war die Doppelqualifikation des Briten: Er hat beim italienischen Modehaus Romeo Gigli Erfahrungen in der Modewelt gesammelt und beim US-Textilhersteller J.Crew Wirtschafts-Know-how gelernt.

Die veränderten Lehrpläne der Modeschulen haben nicht zuletzt mit neuen Techniken zu tun. Ein großer Teil der Kleidung wird in Fernost oder Mittelamerika produziert. Die Modedesigner müssen in der Lage sein, über den Computer ihre Vorstellungen zu kommunizieren und technische Entwürfe zu machen, die weltweit von Fabrikarbeitern verstanden werden. Das Fashion Institute of Technology vermittelt diese Fähigkeiten in einem neuen Kurs für Studienanfänger mit dem Titel „Product Data Management“. Die meisten Modeschulen bieten mittlerweile auch Computerseminare an, in denen Studenten lernen, wie man am PC Präsentationen erstellt, Werbung macht, Kleider entwirft und Fotos bearbeitet. „In der Industrie wird dieses Programm sehr viel verwendet“, sagt die 22-jährige Studentin Chin-Feng Yeh, während sie in einem Computerkurs des Fashion Institute of Technology sitzt. „Wenn man weiß, wie man eine Präsentation macht, sind die Jobchancen besser.“

Trotzdem sagen viele Studenten zu Wirtschaftsseminaren: „nein, danke“ – und ziehen es vor, ihren künstlerischen Impulsen zu folgen. Die Modeschule Polimoda fand für ein Seminar über Online-Marketing und -Verkauf keinen einzigen Interessenten. Allerdings glaubt auch nicht jedes Modehaus, dass die formale Vermittlung von Wirtschaftswissen notwendig ist. „Ein guter Designer ist automatisch auch kommerziell erfolgreich“, sagt Concetta Lanciaux, die den LVMH-Chef Bernard Arnault berät.

Cecilie Rohwedder

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