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Mehrere männliche und ein weibliches Vorstandsmitglied stehen auf einer Hauptversammlung zusammen auf dem Podium.

© picture alliance / dpa/Oliver Berg

Mehr Vorständinnen in großen Unternehmen: Frauen an der Spitze bleiben oft allein unter Männern

Die Frauenquote für Vorstände in börsennotierten Unternehmen wirkt, zeigt das Managerinnen-Barometer des DIW. Doch die meisten Firmen tun kaum mehr, als sie müssen.

Immer mehr Frauen sind sowohl in Vorständen als auch Aufsichtsräten Teil der Führungsebene in deutschen Unternehmen. Das geht aus dem neuen Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. „Unter dem Strich sind Frauen aber weiter klar unterrepräsentiert“, resümiert Virginia Sondergeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW.

Aus dem Managerinnen-Barometer geht hervor, dass der Anteil von Frauen in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen der deutschen Privatwirtschaft (Top-200) im vierten Quartal 2023 18 Prozent betragen hat. Das sind etwa zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. 110 der Top-200-Unternehmen hatten demnach mindestens eine Frau im Vorstand.

In den 40 größten börsennotierten Unternehmen (DAX-40) betrug der Anteil der Vorständinnen sogar 23 Prozent, 38 der 40 Unternehmen hatten mindestens eine Frau im Vorstand. Banken und Versicherungen haben sich auf knapp 17 beziehungsweise gut 18 Prozent verbessert.

Die meisten belassen es bei nur einer Frau im Vorstand

Ein Selbstläufer ist die Gleichstellung der Geschlechter in den Managementetagen allerdings noch lange nicht. „Mit Blick auf die Vorstandsebene zeigt sich aber auch: Viele Unternehmen tun offenbar nicht viel mehr, als sie müssen“, sagt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin. Zwar hätten in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmen erstmals eine Frau in ihren Vorstand berufen – meistens würden sie es dabei dann aber offenbar dabei belassen.

Die Gefahr dabei ist, dass sich schleichend die Zielgröße von einer Frau im Vorstand als neue soziale Norm etabliert.

Anja Kirsch, Professorin für Gender, Governance und internationales Management an der Freien Universität Berlin

In fast 85 Prozent der Top-200-Unternehmen gibt es demnach nur eine Frau im Vorstand. „Die Gefahr dabei ist, dass sich schleichend die Zielgröße von einer Frau im Vorstand als neue soziale Norm etabliert“, warnt Anja Kirsch, Professorin für Gender, Governance und internationales Management an der Freien Universität Berlin. „Das wäre zwar schon ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Zielgröße von null Frauen im Vorstand, die sich viele Unternehmen noch vor nicht allzu langer Zeit gesetzt haben. Die Mindestbeteiligung wörtlich zu nehmen und Frauen tatsächlich nur im Mindestmaß an Vorstandsposten zu beteiligen, kann aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein.“

Zudem gab es Ende des vergangenen Jahres in der Top-200-Gruppe nur noch neun Frauen als Vorstandsvorsitzende. Das ist der zweite Rückgang in Folge, wie das DIW Berlin mitteilt. Bei den Top-100-Unternehmen gab es demnach nur noch vier Frauen, in den DAX-40-Unternehmen nur noch eine (2022 zwei Frauen), und zwar Belén Garijo, CEO von Merck.

Mittlerweile liegt Deutschland sogar über dem EU-Durchschnitt

Lange lag Deutschland beim Anteil von Frauen in Führungspositionen hinter dem EU-Durchschnitt. Seit 2020 verzeichnet das DIW Berlin einen signifikanten Anstieg des Frauenanteils in Vorständen. „Mit Blick auf die gesetzlichen Regulierungen ab 2022 haben Unternehmen Frauen antizipierend in die Vorstände berufen“, sagt Wrohlich. In dem Jahr wurde eine Mindestbeteiligung von einer Frau für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen, sowie für Unternehmen mit Beteiligung des Bundes eingeführt. Mittlerweile liegt Deutschland sogar über dem EU-Durchschnitt, teilt das DIW Berlin mit.

In Aufsichtsräten der untersuchten Unternehmen liegt der Frauenanteil durchgehend höher als in den Vorständen, wie aus dem Managerinnen-Barometer hervorgeht, übersteigt aber nicht die 40-Prozent-Marke. Sowohl in den 200 als auch in den 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands sind die Aufsichtsräte durchschnittlich bereits seit mehreren Jahren zu knapp einem Drittel mit Frauen besetzt. Die Geschlechterquote für Aufsichtsräte gilt bereits seit 2016.

Eine zweite Studie des DIW Berlin zeigt auf, dass der Gender Pay Gap innerhalb eines Betriebs sinkt, je mehr Frauen auf der ersten und zweiten Führungsebene eines Betriebs sind. Besonders groß sei der Effekt auf der zweiten Führungsebene. Mit Managerinnen auf dieser Ebene falle der Gender Pay Gap, der in Deutschland zuletzt 18 Prozent betragen hat, um mehrere Prozentpunkte kleiner aus. Auf der oberen Führungsebene brauche es jedoch mindestens ein Drittel Frauen, bis sich vergleichbare Effekte erkennen lassen.

Aufsichtsräte haben Schlüsselrolle für Gleichstellung

„Wenn man bedenkt, dass nach wie vor fast drei Viertel aller Beschäftigten in Deutschland in Betrieben ohne Frauen auf der obersten Führungsebene arbeiten, lässt sich erahnen, wie viel Potenzial für einen deutlich geringeren Gender Pay Gap hier noch brachliegt“, so Sondergeld.

Den Aufsichtsräten kämen nach Ansicht der Autorinnen des Managerinnen-Barometers eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung einer paritätischeren Spitze zu. „Er kann vom Vorstand verlangen, durch Personalentwicklungsmaßnahmen sicherzustellen, dass es auf dem unternehmensinternen Arbeitsmarkt mittelfristig genügend potenzielle Vorständinnen gibt“, teilt das DIW Berlin.

„Letztlich kommt es aber darauf an“, so Wrohlich, „dass alle an einem Strang ziehen: Von Investor:innen bis zur breiteren Öffentlichkeit sollte sich niemand mit einem Mindestmaß an Geschlechtervielfalt zufriedengeben, sondern eine tatsächlich gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen einfordern.“ 

Seit 2006 erhebt das DIW Berlin Daten zu den Frauenanteilen in Vorständen und Aufsichtsräten der größten Unternehmen in Deutschland. Die Forschungsgruppe werte mehr als 500 Unternehmen aus. Darunter sind die 200 umsatzstärksten Unternehmen, 160 in den DAX-Indizes notierte Unternehmen, 100 Banken, 60 Versicherungen und fast 70 Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist. Damit ist das Barometer des DIW Berlin die größte Auswertung zur Repräsentation von Frauen in Führungspositionen.

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