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Mehrwertsteuer: Amtliche Statistik zeigt keine Teuerungswelle

Der große Preisschub ist bisher ausgeblieben. Die Mehrwertsteuererhöhung hat sich noch nicht maßgeblich niedergeschlagen. Die Steuer dürfte erst ab Februar richtig ihre Wirkung entfalten.

Frankfurt/Main - Der Herrenhaarschnitt ist nicht teurer geworden, Toilettenpapier auch nicht und ein Farbfernseher kostet deutlich weniger als vor einigen Monaten. "Die Preise steigen bislang nicht stärker als sonst", sagt Timm Behrmann vom Statistischen Bundesamt. Es gebe zwar bei einigen Produkten Ausreißer nach oben, aber die am 1. Januar in Kraft getretene Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent hat laut amtlicher Statistik keine Teuerungswelle ausgelöst. Seit Sommer 2006 beobachten die Statistiker in Wiesbaden, wie sich die Preise von 44 häufig gekauften Produkten und Dienstleistungen ändern. Ihre Bilanz lautet: Vorzieheffekte sind nicht zu sehen. Überzogene Preisaufschläge wie bei der Euro-Bargeldeinführung 2002 ("Teuro-Debatte") habe es bislang nicht gegeben. Die Preisanpassungen stehen nach Experteneinschätzung aber noch bevor.

"Bei einer Gewinnmarge von zwei bis drei Prozent müssen die Einzelhändler die Preise erhöhen", sagt Volkswirt Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank. Die Preisrunde verschiebe sich vom klassischen Ausverkaufsmonat Januar lediglich um einen Monat. So hat der schwedische Möbelriese Ikea angekündigt, seine Preise erst im Februar anzupassen. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) erwartet für den Einzelhandel im Februar höhere Preise. Ein Drittel der Steueranhebung werde am Ende an die Kunden weitergegeben.

Preisaktionen zu Beginn des Jahres

Zum Jahresbeginn haben viele Geschäfte Kunden mit Rabatten angelockt. Der Discounter Penny verspricht Käufern bis zum 6. Januar einen Drei-Prozent-Rabatt auf den gesamten Einkauf - obwohl für Lebensmittel unverändert der ermäßigte Satz von sieben Prozent gilt. Der Wirtschaftsinformationsdienst Preiszeiger hat in den ersten Tagen des Jahres die Preise bei den Discountern Aldi, Lidl und Co. geprüft. "Zwischen dem alten und dem neuen Jahr hat sich praktisch nichts geändert", sagt Preiszeiger-Geschäftsführer Andreas Breitbart. Preiserhöhungen und -senkungen zwischen 31. Dezember und 2. Januar hätten sich die Waage gehalten. Dagegen werden dem Statistischen Bundesamt die Daten für den Jahreswechsel erst im Februar vorliegen.

"Drogerien, die in den letzten Monaten als schwarze Schafe dargestellt wurden, haben ebenfalls nicht außergewöhnlich draufgeschlagen", sagt Statistiker Behrmann. Die Preise für Duschgel, Toilettenpapier und Geschirrspülmittel blieben 2006 stabil. Nur Zahnpasta wurde deutlich teurer - dies habe aber mit den gestiegenen Kosten für Rohstoffe und Energie und nichts mit der höheren Mehrwertsteuer zu tun. Fernseher und Computer verbilligten sich wegen des technischen Fortschritts binnen Jahresfrist deutlich (minus 15 Prozent).

Gastronomie langte schon Mitte 2006 zu

"Der Einzelhandel ist sehr sensibel und versucht, einer erneuten Konsum-Enthaltung wie 2002 gegenzusteuern", meint Behrmann. Zu tief sitze der Schock der Teuro-Debatte. Allein Drogerien und Hotels gönnten sich laut Statistik Mitte 2006 kräftige Aufschläge - auch wegen der Fußball-WM. Die Gastronomie, die bei der Euro-Einführung mit ungewöhnlichen Preissteigerungen aufgefallen war, habe sich diesmal zurückgehalten. Ein Glas Bier war zum Jahresende 2006 nur 1,5 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, ein Fleischgericht 1,6 Prozent. Das ist weniger als die Inflationsrate von 1,7 Prozent.

Verbraucherschützer warnen, dass viele Händler die Steuererhöhung schon vor Wochen auf die alten Preise draufgeschlagen hätten. Diese These belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zwar nicht - aber die Verbraucherschützer haben verdeckte Preisaufschläge beobachtet. "Es gibt einige Tricks", sagt der stellvertretende Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes, Patrick von Braunmühl. So hätten manche Hersteller die Packungen beim gleichen Preis verkleinert, wie eine Untersuchung bei Babywindeln, Taschentüchern und Chips belegt habe. In einigen Fällen sei die Rezeptur und Qualität der Produkte verändert worden. "Jetzt lockt der Handel mit Rabatten, um das Erinnerungsvermögen des Verbrauchers an die alten Preise zu vernebeln." (Von Marion Trimborn, dpa)

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