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Kostüm oder Anzug? Frauen, die Karriere machen wollen, müssen ihren eigenen Weg finden. Männliche Vorbilder zu kopieren, funktioniert nicht.

© picture alliance / ZB

Mentoring für Managerinnen: Mann hilft Frau

Dass Topmanager und Vorstände Frauen auf ihrem Weg an die Firmenspitze beraten, ist neu. Mentoren-Paare von der Deutschen Bank und von L'Oréal gewähren Einblicke in das Coaching.

Das Jobangebot, Finanzchefin der privaten Vermögensverwaltung bei der Deutschen Bank zu werden, klang verlockend. Doch Betsy Konvalinka, die bis dahin in Europa das gesamte Abwicklungs- und Transaktionsmanagement sowie weltweit die Abwicklung des Geschäfts mit Derivaten, Rohstoffen und Krediten mit mehreren Tausend Mitarbeitern leitete, plagten Selbstzweifel.

Erst zwei intensive Gespräche mit ihrem Mentor Stefan Krause, Finanzvorstand der Deutschen Bank, bestärkten die Managerin, sich auf fachlich unbekanntes Terrain und weiter ins Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit zu begeben. Vorstand Krause ist sich sicher: „Fast jeder Mann hätte instinktiv zugegriffen.“

Der Unterschied zwischen typisch männlichem und weiblichem Verhalten spielt eine größere Rolle für die Karriere als angenommen. Wissenschaftliche Studien zeigen dreierlei: Erstens: Frauen gehen weniger Risiken ein als Männer: sich zum Beispiel aus ihrem Aufgabenbereich herauszuwagen, den sie perfekt beherrschen, fällt ihnen schwerer. Zweitens: Karrieren folgen dem Ähnlichkeitsprinzip. Entscheider fördern am liebsten denjenigen, der ihr Klon sein könnte. Und drittens: Frauen vermarkten sich selbst im Vergleich zu Männern weniger offensiv. Darum sind nur wenige Frauen ins Spitzenmanagement von Männern dominierter Unternehmen vorgedrungen.

Mehr qualifizierten Frauen den Weg zu ebnen, war das Ziel von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, als er das Atlas-Programm der Bank initiierte: Die zehn wichtigsten Manager des größten deutschen Geldhauses, darunter Finanzvorstand Stefan Krause, sollten sich ab 2010 als Mentoren für vielversprechende Kolleginnen betätigen. 29 Atlas-Teilnehmerinnen, die es bis unmittelbar unterhalb des erweiterten Vorstandes geschafft haben, gibt es bislang. Ackermann, der mehr für sein wirtschaftliches Kalkül als für sein Engagement in Gleichberechtigungsfragen bekannt ist, begründete seine Initiative mit einer weiteren wissenschaftlichen Erkenntnis: Gemischte Teams arbeiten erfolgreicher.

Zwar gibt es Mentoren zur schnelleren Einarbeitung für neue Kollegen und auch zur Förderung von Führungsnachwuchs seit längerem. Neuerdings häufen sich aber Programme wie bei der Deutschen Bank, in denen sich Spitzenmanager als Sparringspartner von weiblichen Führungskräften engagieren. So hat auch der Deutschland-Geschäftsführer Jérôme Bruhat von L'Oréal gerade seine erste offizielle Mentee Friederike Heine, Marketingleiterin der Luxusmarke Lancôme, kennen gelernt. Zusammen mit der 31-Jährigen werden noch sechs weitere Abteilungsleiterinnen von Direktionsmitgliedern wie Bruhat betreut.

Noch vor fünf Jahren völlig undenkbar, nehmen heute sogar junge Mütter daran teil, wie beim Versicherungskonzern Ergo. Seit vergangenem Sommer unterstützen 20 Vorstände jeweils ein Jahr lang ebenso viele Managerinnen zwischen 27 und 45 Jahren, die aus insgesamt 600 Kandidatinnen in einem aufwendigen Bewerbungsverfahren ausgewählt wurden.

Um weibliche Führungskräfte voranzubringen, gilt es, sie erst einmal näher kennen zu lernen. Dafür ist das Mentoring eine gute Gelegenheit. Denn diese Art der Karriereförderung setzt außerhalb des üblichen Vorgesetzten-Mitarbeiter-Verhältnisses an. Meist stammen der Spitzenmanager und seine Mentee noch nicht einmal aus dem gleichen Geschäftsbereich. Die Paare treffen sich regelmäßig. Stimmt die Chemie, entsteht ein intensives Vertrauensverhältnis. Die Mentee erfährt, wie sie auf ihr Gegenüber persönlich und als Führungskraft wirkt. Natürlich erhofft sich jede ein Rezept für ihren weiteren Aufstieg. Doch die schlichte Kopie des männlichen Vorbildes funktioniert nicht. Jede muss ihren eigenen Weg finden.

Bei Betsy Konvalinkas Gesprächen mit Mentor Krause ging es um Fähigkeiten, Bedürfnisse und passende Perspektiven für eine gestandene Managerin. Der in Kolumbien geborene Diplom-Kaufmann, der vor seinem Antritt bei der Deutschen Bank länger für BMW gearbeitet hat, sagt: „Es ist meine Aufgabe als Mentor, Fähigkeiten, die meine Mentee an sich selbst nicht wahrnimmt, bewusst zu machen und mit ihr gemeinsam berufliche Ziele herauszuarbeiten.“ So zeigte sich im Laufe der Gespräche, dass die Amerikanerin gerne einen Geschäftsbereich der Bank leiten würde. „Während ich anfangs auf die einzelnen Komponenten meines Erfahrungsschatzes wie Technologie-, Risikomanagement- und Beratungs-Expertise schaute, betrachtete mein Mentor das Gesamtbild meiner Fähigkeiten und beruflichen Erfahrungen und schilderte mir aus seiner Sicht, was mir noch fehlt, um mich für einen General-Manager-Posten zu qualifizieren“, sagt die studierte Mathematikerin, die seit fünf Jahren bei der Deutschen Bank arbeitet. „Es war sehr hilfreich, einen Außenstehenden zu haben, der mir diese neue Perspektive eröffnet hat.“

Krause erkannte, dass die vorherige Position seiner routinierten Kollegin keine weiteren Entwicklungschancen mehr bot. Sein Rat lautete daher, ein neues Thema anzugehen und sich in den Finanzbereich einzuarbeiten. „Ich war sicher, dass das klappt. Denn etwa 80 Prozent von dem, worauf es als General Manager ankommt, konnte sie bereits, die 20 Prozent fehlendes Fachwissen würde Konvalinka sich aneignen.“ Die gebürtige New Yorkerin, die erwartungsgemäß eine steile Lernkurve hinlegte, sagt: „Mein Mentor hat mir dazu enorm den Rücken gestärkt.“ Krause erklärt: „Es hat mich beeindruckt, wie sie in ihrem neuen Bereich in der Runde aus Regionalgeschäftsleitern, die große Budgets verwalten, auftritt und ihn umstrukturiert. Aber aus unseren Gesprächen wusste ich, dass diese Fähigkeit in ihr schlummert.“ Sicher keine leichte Übung, schließlich gehört auch das Sorgenkind Sal. Oppenheim in Konvalinkas Beritt.

Neben der wertvollen Perspektive des Mentors und der Stärkung des Selbstbewusstseins geht es beim Mentoring von Frauen aber auch darum, sie besser zu verdrahten. Dafür kann sich Friederike Heine keinen besseren als Bruhat, Deutschland-Chef von L'Oréal, wünschen: „Mein Mentor hat große berufliche Erfahrung und ein internationales Netzwerk in allen Bereichen des Konzerns. Er wird mir viele Türen öffnen.“

Als Heine ihren neuen Mentor dann im Januar auf dem schwarzen Ledersofa in seinem Büro entspannt über seinen Werdegang plaudernd erlebte, bekamen ihre Begegnungen plötzlich eine andere Qualität: kein Jour fixe, keine Agenda – stattdessen könnte ein Spaziergang am Rhein oder ein Gedankenaustausch beim Mittagessen folgen. Bruhat erhofft sich durch das Mentoring neue Aufschlüsse: „Als Chef will ich wissen, an welcher Schraube wir drehen müssen, um den Aufstieg von Frauen zu beschleunigen.“

Finanzvorstand Krause von der Deutschen Bank sagt: „Natürlich haben wir Sorge, dass Spitzenkräfte wie Betsy Konvalinka abgeworben werden könnten – auch wenn es beweist, dass wir die richtigen Personen weiterentwickelt haben.“

Obwohl etwa die Hälfte der insgesamt 29 Atlas-Teilnehmerinnen schon befördert wurden, hat es noch keine in den erweiterten Vorstand des Geldinstituts geschafft. Aber Betsy Konvalinka gibt sich sportlich: „Ein Mentor maximiert die Chancen.“ HB

Claudia Obmann

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