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Wirtschaft: Messe Berlin: Prüfbericht der Gesellschaft ist schön gefärbt

Acht Wochen nach dem spektakulären Rücktritt von fünf Aufsichtsratsmitgliedern der landeseigenen Messegesellschaft Berlin belegen Protokolle, die dem Tagesspiegel vorliegen, die wahren Hintergründe des Rückzuges: Der Aufsichtsrat hat monatelang darum gekämpft, dem Wirtschaftsprüfer BDO den Auftrag zu entziehen. Vergeblich.

Acht Wochen nach dem spektakulären Rücktritt von fünf Aufsichtsratsmitgliedern der landeseigenen Messegesellschaft Berlin belegen Protokolle, die dem Tagesspiegel vorliegen, die wahren Hintergründe des Rückzuges: Der Aufsichtsrat hat monatelang darum gekämpft, dem Wirtschaftsprüfer BDO den Auftrag zu entziehen. Vergeblich. Die Wirtschaftsprüfer werden in Berlin auch dann noch von der Landesregierung gedeckt, wenn sie zur Verschleierung von finanziellen Risiken bei öffentlichen Unternehmen beitragen.

Der Senat von Berlin hat sich über Monate hinweg geweigert, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO Deutsche Warentreuhand AG den Auftrag zur Erstellung des Abschlussberichtes für das Geschäftsjahr 2000 bei der landeseigenen Messe Berlin GmbH zu entziehen, obwohl deren Aufsichtsrat dies nachdrücklich empfohlen hatte. Der Grund: Die Aufträge zur Abschlussprüfung von Unternehmen, die ganz oder teilweise im Besitz des Landes liegen, werden vom Senat für insgesamt acht Jahre vergeben. Weil diese Berliner Praxis der Korruption Vorschub leisten und zu unheilvollen Verstrickungen von Politik und Unternehmen führen kann, sind Ende März der Vorsitzende und vier weitere Mitglieder des Aufsichtsrates von ihren Ämtern bei der Messegesellschaft zurückgetreten, wie der Tagesspiegel jetzt aus diesem Kreis erfuhr.

Zum Hintergrund: Nach eingehender Prüfung des Jahresabschlusses 1999 war der Messe-Aufsichtsrat bereits im vergangenen Sommer zu dem vernichtenden Urteil gekommen, dass "der Bericht der BDO schönfärberisch und unkritisch ist". Mit keinem Wort seien die Prüfer, deren eigentlicher Auftrag es ist, auf wirtschaftliche Risiken der Messegesellschaft (Eigentümer: rund 99 Prozent Land Berlin) hinzuweisen, auf Missmanagement und finanzielle Probleme im Unternehmen eingegangen. "Überdies", hielt der Aufsichtsrat in dem dieser Zeitung vorliegenden Sitzungssprotokoll vom 5. Juli 2000 fest, "ist ein Interessenkonflikt zu konstatieren, da die BDO neben dem Prüfungsmandat (Erstellung des Abschlussberichts, d.R.) weitere Beratungs- und Gutachteraufträge... für die Messegesellschaft... durchgeführt hat". Im Klartext: BDO beriet die Geschäftsführung der Messe über Jahre hinweg und beurteilte danach die Arbeit der gleichen Manager für diesen Zeitraum.

Im Einzelnen monierte der Aufsichtsrat, dass die Prüfer von BDO in ihrem Bericht weder auf die langjährigen Verluste der Messe, noch die präkere Eigenkapitalsituation, noch die "mangelhafte Preispolitik" hingewiesen hatten. Nicht einmal "Unregelmäßigkeiten" und Betrugsversuche, die die Messe im Jahr 1999 rund eine halbe Million Mark gekostet haben, seien von BDO erwähnt worden. Hätten die Wirtschaftsprüfer von BDO, die seit 1995 die Bilanzen der Messe prüfen, eher auf die wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens hingewiesen, sagte ein Aufsichtsratsmitglied zu dieser Zeitung, hätten viel früher Maßnahmen zu Sanierung der Messe, die seit Jahren Verluste macht, eingeleitet werden können. Der Beschluss des Aufsichtsrates der Messe war deshalb auch eindeutig: "Für das Geschäftsjahr 2000 wird die Bestellung eines neuen Wirtschaftsprüfers empfohlen". Selbst Raimund Hosch, seit zwei Jahren Geschäftsführer der Messe, waren die Prüfberichte von BDO offensichtlich suspekt. Bereits zehn Tage nach der Aufsichtsratssitzung teilte Hosch Finanzsenator Peter Kurth (CDU) mit, dass ihm "zwei Angebote von anderen Prüfungsgesellschaften vorliegen", die zudem noch billiger als BDO seien.

Dennoch weigerte sich Senator Kurth, BDO den Auftrag zu entziehen. Nicht einmal die intensive zweimalige Intervention des Aufsichtsratsvorsitzenden Joachim Theye beim Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) war erfolgreich. Bereits Ende Juli ließ der Finanzsenator die Messegesellschaft wissen, dass er "nach Rücksprache mit dem Rechnungshof des Landes dem Wechsel der Prüfungsgesellschaft nicht zustimmt. Erst 2002 steht ein turnusmäßiger Wechsel bei dem Abschlussprüfer der Messe an", fügte er als Begründung bei.

Warum verlieren in Berlin Prüfer ihre Aufträge nicht, selbst wenn Aufsichtsräte triftige Gründe haben, an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln? "Auf Anweisung des Finanzsenats", sagte Michael Schelm, Abteilungsleiter im Berliner Rechnungshof, dem Tagesspiegel, "erhalten die Prüfer die Aufträge in Berlin grundsätzlich für acht Jahre." Obwohl solch lange Auftragszeiten gegen Paragraf 318 des Handelsgesetzes verstoßen (Bestellung der Prüfer nur für ein Jahr), sei der Acht-Jahres-Turnus sogar in den Veträgen mit den Prüfern festgehalten, sagte Schelm. "Nur in sehr schweren Fällen darf das Mandat entzogen werden". Einen solchen Fall hatte Finanzsenator Peter Kurth beim Prüfbericht von BDO, die unter seinem Schutz nun noch drei Jahre lang Tagessätze zwischen 800 und 1000 Mark bei der Messe in Rechnung stellen können, offensichtlich nicht erkannt. "Obwohl wir mehrmals nachgefragt haben", erinnert sich Rechnungshof-Mitarbeiter Schelm an den Fall, "teilte uns der Finanzsenator keine stichhaltigen Gründe mit, die zu einer vorzeitigen Auftragskündigung geführt hätten."

asi

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