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Die Wirtschaft brummt, aber das verbessert das Ansehen von Managern bisher nicht wirklich.

© Oliver Berg/dpa

Unternehmen in Deutschland: Mieser Ruf der Wirtschaft - trotz guter Zahlen

Ökonomisch ist die Lage so gut wie lange nicht, trotzdem wird mit etlichen Gesetzesvorhaben ins Wirtschaftsleben eingegriffen. Das liegt nicht nur daran, dass Wahlkampf ist. Ein Kommentar

Es sind gute Zeiten hierzulande. Wirtschaftlich gesehen. Was schlecht läuft, ist die Politik. Weltweit. Der Zeitgeist trägt schwarz. Nun werden Schuldige gesucht. Die Mitglieder der politischen Spitzenklasse finden diese nicht etwa in der Kultur, nicht in der Wissenschaft. Die Sünder sitzen nach allgemeinem Dafürhalten in der Wirtschaft. Kein Zufall. Es ist ein alter Reflex in unruhigen Zeiten. Irgendwo ist Geld? Da setzt Politik auf Neid, Misstrauen und Missgunst.

Das Statistische Bundesamt vermeldet immer neue Rekorde: Mitte vergangener Woche war es der größte Haushaltsüberschuss seit dem Jahr der Deutschen Einheit, also seit dem Bestehen der gesamtdeutschen Statistik. Am Freitag hieß es von derselben Stelle, dass die Bauindustrie 2016 so viele Milliarden Euro umgesetzt habe wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Zwei Meldungen von vielen aus den vergangenen zwei Jahren. Hört man allein die Zahlen, könnte man denken, den Deutschen gehe es so gut wie nie, und dass sie Gründe hätten, ihrer Wirtschaft zu (ver)trauen. Doch das ist nicht der Fall. Vielmehr häufen sich die Gesetzesinitiativen zur Kontrolle der Wirtschaft. Hier tüftelt eine Parlamentariergruppe an einem Gesetz, das die Höhe der Vergütung für Spitzenmanager begrenzen soll. Dort prüft eine andere, wie man ein Register erstellen könne, mit dem man den wahren Eigentümer eines Unternehmens identifizieren kann, und nicht nur eine Briefkastenfirma. Letztgenannter Plan scheint eher legitim, ist aber ungleich schwerer zu realisieren.

Wenn es um "Gerechtigkeit" geht, sollen Gesetze her

Teile der Regierung arbeiten außerdem an einem Gesetz, mit der man Unternehmen, bei denen man Mitarbeiter der Korruption überführt hat, von öffentlichen Aufträgen ausschließen kann. Auch das klingt zunächst recht und billig, ist aber ebenfalls kaum umsetzbar. Man stelle sich vor: Weltkonzerne wie Siemens oder Airbus, die Zehntausende gutbezahlte Industriearbeitsplätze bieten, sollen nicht mehr für den Staat tätig werden dürfen, sobald ein paar Mitarbeiter kriminell geworden sind? Das wäre weder gerecht, noch sinnvoll, noch praktikabel.

Unabhängig von der Umsetzbarkeit und Sinnhaftigkeit dieser Pläne: Woher kommt dieser verstärkte Drang aus der Politik, gerade jetzt Beschlüsse einzuleiten, um Unternehmen und Unternehmer stärker zu regulieren, sie zu kontrollieren? Aus dem Bundestagswahlkampf. Natürlich. Aber da ist noch viel mehr. SPD-Kandidat Martin Schulz setzt den Ton, er hat „Gerechtigkeit“ zu seinem Thema gemacht und sich so von dem noch amtierenden Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel möglichst weit abgegrenzt. Die Umfragewerte legen nahe, dass das funktioniert. Gabriel musste qua Amt als Bundeswirtschaftsminister stets für „die Wirtschaft“ kämpfen, konnte sich nicht in dem nötigen Maß im Kampf mit (Diesel-)Betrügern und Steuerhinterziehern (bei Banken) profilieren. Gabriel hat zwar mitunter populäre bis populistische Wirtschaftspolitik betrieben. Man denke an den Streit mit der Rüstungsindustrie, oder seinen Einsatz für den gesetzlichen Mindestlohn, der sich übrigens nicht als Konjunkturkiller entpuppt hat. Aber der Niedersachse hatte immer zu viel von der Aura des „Genossen der Bosse“ Gerhard Schröder. Es ist der Fluch der „Agenda 2010“.

Die einen, die "hart arbeiten", und was machen die anderen?

Schulz dagegen kann die Seele der SPD reinigen. Und das geht eben nicht auf die harte Tour, wie Kandidat Peer Steinbrück bewiesen hat. Der war sich treu geblieben – und gescheitert, weil er zu viele unbequeme Wahrheiten ausgesprochen hat. Es waren ja Krisenzeiten. Schulz aber tritt mit Vollbeschäftigung an und kann den viel einfacheren Schritt gehen – zurück in altes Lagerdenken: Wir, das sind sie hart arbeitenden Leute, die abhängig Beschäftigten, die Beamten. Arbeitslose gibt es kaum. Und wer ist dann das „ihr“? Das überlässt er vorerst und weitgehend der Phantasie seiner Zuhörer. Ihr? Die Arbeitgeber, die Manager, die Reichen? Haben diese Typen nicht bewiesen, dass sie betrügen – uns Autokäufer, uns Bankkunden, uns Konsumenten? Dazu passt auch, dass der seltsame US-Präsident den Unternehmen Geschenke machen will. Schulz der Anti-Trump. Das klingt gut.

Die Debatten aber, die man in wirtschaftlich guten Zeiten führen müsste, weil jetzt Geld da ist, werden so vertagt. Wie sichern wir die Rente? Wie bekämpfen wir den Hunger? Wie fördert man die klügsten Köpfe und mutigsten Unternehmer, damit sie Ideen finden für die Zeit nach dem Dieselmotor? Und wie gibt man auch den dümmsten Köpfen eine Perspektive, neuen Lebenssinn? Es ist ein Ritual: Erst wenn die Konjunktur lahmt, es nichts zu verteilen gibt, wird Politik wieder mehr für „die Wirtschaft“ tun wollen. Dann wird sie Kontrolle abgeben, Unternehmern wieder mehr (zu)trauen, sie machen lassen. Spannend wäre zu sehen, ob ein Kandidat oder eine Kandidatin noch den Mut aufbringt, nicht Gruppen gegeneinander auszuspielen, sondern zu erklären, dass alle „die Wirtschaft“ sind: Unternehmer, Angestellte, Beamte und Arbeitslose. Gemeinsam machen, das wäre ein Programm.

Von Kevin P. Hoffmann

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