zum Hauptinhalt
Mürrische Miene, freundliche Worte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sparte bei der Pressekonferenz mit Ministerpräsident Wen Jiabao nicht mit Lob für die gemeinsamen Beziehungen.

© dapd

Deutsch-chinesische Konsultationen: Milliarden aus der Mitte

Chinas Staatschef Wen Jiabao verteilt in Berlin lukrative Aufträge – obwohl es in wichtigen Fragen Streit gibt. Beide Seiten tauschten bei den Regierungskonsultationen nicht nur Nettigkeiten aus.

Berlin - Die Erfolgsmeldungen nach dem Besuch von Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao sind zahlreich: Daimler, Siemens, Volkswagen, BASF und Airbus vermeldeten wertvolle Aufträge und Partnerschaften, nach dem Auftakt der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am Dienstag in Berlin. Geschäfte im Wert von insgesamt 10,6 Milliarden Euro vereinbarten die beiden Länder. Wen will den Handel von derzeit 130 Milliarden Euro binnen fünf Jahren verdoppeln. Doch es gibt auch Skepsis gegenüber der Volksrepublik – in vielen Feldern der Wirtschaftspolitik misstrauen beide Länder einander noch.

Der Flugzeugbauer Airbus erhielt eine Bestellung über 88 Flugzeuge vom Typ A 320. Volkswagen vereinbarte den Bau zweier neuer Fabriken mit chinesischen Partnern, die jeweils eine Kapazität von 300 000 Fahrzeugen haben. Damit kommt Europas größter Autobauer bald auf elf Werke in dem Land. Auch Daimler plant, seine Fertigung vor Ort auszubauen und ein Forschungszentrum einzurichten. Siemens schloss eine Partnerschaft, die den Ausbau umweltfreundlicher Infrastruktur zum Ziel hat. BASF steckt mehr als 800 Millionen Euro in den Aufbau einer Großanlage in Chongqing.

Auch die Regierungen planen eine engere Zusammenarbeit. Im Bereich Elektromobilität wollen sie gemeinsam forschen, kleine und mittlere Unternehmen sollen besser kooperieren, und bei industriellen Normen soll es eine bessere Abstimmung geben. Der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Peter Löscher, unterstrich das Interesse an einer großen Nähe. „China und Deutschland sind starke Partner“, erklärte der Siemens-Chef. Man kooperiere in der Welt „auf Augenhöhe“.

Schon heute ist die Verflechtung eng. Aus keinem Land beziehen deutsche Firmen so viele Waren wie aus China. Insgesamt ist die Volksrepublik der drittwichtigste Handelspartner. Für Audi ist sie 2011 erstmals der weltgrößte Markt. 4500 deutsche Unternehmen sind in China aktiv. Das Land entwickelt sich immer mehr zum Hersteller auch hochwertiger Produkte. Den Titel des Exportweltmeisters hatte die Bundesrepublik schon vor zwei Jahren an China verloren, zurückbekommen wird sie ihn nicht mehr.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sparte nicht mit Lob für das Verhältnis. Der Handel sei einer der wichtigsten Pfeiler der „breiten Brücke“ zwischen beiden Ländern. Das Volumen habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten verzwanzigfacht. Merkel erwartet einen weiteren Ausbau der Geschäfte. „Was gut ist, kann noch besser werden.“ Sie warb für chinesische Investitionen. „Sie sind uns willkommen“, bekannte Merkel.

Beide Seiten tauschten nicht nur Nettigkeiten aus. Pekings Regierungschef wünschte sich mehr Technologietransfer von deutschen Firmen. Dazu „zwingen wir jedoch niemanden“, erklärte er fast schnippisch. Deutschland solle sich für die Lockerung europäischer Exporteinschränkungen gegen China einsetzen und Handelshemmnisse abbauen. „China ist bereit, mehr deutsche Spitzenprodukte zu importieren, umgekehrt wünscht es sich eine zügige Anerkennung als volle Marktwirtschaft durch Deutschland.“

Merkel und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wiederum setzten sich dafür ein, dass China seinerseits Handelsschranken abbaut und die öffentliche Auftragsvergabe für ausländische Firmen öffnet. Beim Schutz des geistigen Eigentums, Subventionen und in der Rohstoff-Versorgung könne man noch besser zusammenarbeiten, befand die Regierungschefin. „Wir brauchen nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch Rechtsstaatlichkeit“, fügte Rösler hinzu.

In wichtigen Fragen liegen beide Länder über Kreuz. So sind deutsche Firmen gezwungen, Gemeinschaftsunternehmen mit lokalen Partnern zu gründen, wenn sie in China investieren wollen – dabei gehe oft wertvolles Wissen verloren, klagen Manager. Eng damit verbunden ist Spionage, sogar Hacker-Attacken auf deutsche Behördennetze schreiben Geheimdienste den Chinesen zu. Auch bei der Sicherung von Rohstoffen ist Peking nicht zimperlich. Den Export beschränkt es – das führte dazu, dass etwa Seltene Erden, die für High-Tech-Geräte unverzichtbar sind und fast nur in China gefördert werden, schwer verfügbar sind. Seit Jahren hält Peking überdies den Wechselkurs seiner Währung Yuan künstlich niedrig, um den Verkauf seiner Produkte anzukurbeln. Ebenso subventioniert es Firmen, die wichtige Produkte herstellen – obwohl das gegen Handelsregeln verstößt.

Fachleute fürchten aber dadurch keine Gefahr für den deutschen Wohlstand. „In einigen Segmenten können die Chinesen mit uns noch nicht Schritt halten, es sieht nicht danach aus, dass sich das in nächster Zeit ändern wird“, sagte Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, dem Tagesspiegel. Echte Innovationen im Dienstleistungsbereich etwa gebe es nicht, „die produzieren wie eine Armee“. Ohnehin habe auch China seine Probleme – es mangele an qualifizierten Menschen, Energie, funktionierenden Institutionen. „Wir werden nicht überrollt“, ist sich der Ökonom sicher.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false