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Wirtschaft: Milliarden für die Reichen

Die Eigenheimzulage ist teuer und ungerecht. Sie fließt auch wohlhabenden Familien zu, wenn sie die Tricks des Steuerrechts kennen

Berlin. Wie sehr Subventionen einem Land schaden können, lässt sich heute am besten in den neuen Bundesländern besichtigen – anhand der zahllosen, leer stehenden Investitionsruinen. Nach der Wende unterstützte der Staat den Wiederaufbau mit günstigen Abschreibungen für Bauherren. Das Ergebnis: Heute stehen viele Flächen leer, sowohl bei Gewerbeimmobilien als auch bei Wohnungen. Obendrein baute die Bauindustrie im Vertrauen auf großzügige Zuwendungen enorme Überkapazitäten auf. Aber nun geht es bergab, weil die Förderung ausgelaufen und die Wirtschaftskrise das Land erfasst hat. Pleiten, Entlassungen und sinkende Baupreise prägen das Bild der Branche.

Da wundert es nicht, dass die darbende Bauindustrie ihre verbliebenen Besitzstände mit aller Macht zu verteidigen sucht. Sozialer Wohnungsbau, günstige Abschreibungsmöglichkeiten und allen voran die Eigenheimzulage: Mit der Zulage unterstützt der Staat den Erwerb oder den Bau von Wohnungen und Häusern mit hohen Steuervergünstigungen. So erhält eine Familie mit zwei Kindern beim Kauf eines Altbaus über einen Zeitraum von acht Jahren rund 22 500 Euro, beim Neubau fast 33 000 Euro. Zehn Milliarden Euro kostet die Eigenheimzulage Bund und Länder pro Jahr.

Die Subventionen für das Wohnungswesen sollen „benachteiligte Haushalte" mit Wohnraum versorgen und die „Bildung von Wohneigentum (...) zur Altersvorsorge“ fördern, heißt es im aktuellen Subventionsbericht der Bundesregierung. Dass die Eigenheimzulage aber nur „benachteiligte Haushalte“ erhalten, bezweifeln Experten. Ein Gutachten der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat ergeben, dass 30 Prozent der Geförderten mehr als 3300 Euro pro Monat verdienen – netto. „Verteilungspolitisch ist die Eigenheimzulage nicht überzeugend“, sagt Gisela Färber, Autorin der Studie und Professorin in Speyer.

Zudem erhalten nicht nur Familien mit Kindern und geringem Einkommen die Förderung, sondern alle Bürger, die unterhalb der Einkommensgrenzen bleiben (224 970 Euro bei einer Familie mit zwei Kindern). Dabei gilt der Durchschnittsverdienst der vergangenen zwei Jahre als Maßstab. Verluste aus anderen Vermögensanlagen lassen sich anrechnen. Dubiose Vermittler versprechen, mit Tricks das Gehalt der Besserverdiener unter die Einkommensgrenze drücken zu können. Die Wissenschaftler nenen das „Mitnahmeeffekte“ – die Eigenheimzulage wird auch von denjenigen genutzt, die es eigentlich nicht nötig haben.

Das führt zu immer neuen Schäden – auch ökologischen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftforschung (DIW) kritisiert, dass die Eigenheimzulage die Zersiedelung fördert. „Anstatt in der Stadt zu bleiben, ziehen viele private Hausbauer ins Umland der Städte“, sagt Bernd Bartholmai, Bauexperte beim DIW. Das belastet die Umwelt, weil die Ex-Städter zu Pendlern werden. Die Stadtflucht fördere zudem die sozialen Ungleichgewichte in den Städten, weil wohlhabende Familien wegziehen und nur sozial Schwache zurückbleiben.

Diesem Phänomen will die Regierung mit einer anderen Subvention zu Leibe rücken – dem Sozialen Wohnungsbau. Mit einem Volumen von 4,6 Milliarden Euro im Jahr 2002 ist sie die zweitgröße Subvention im Bauwesen. Mit ihr fördert der Staat den Bau von Wohnungen, die ein bestimmtes Mietniveau nicht übersteigen dürfen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) bemängelt, dass die Mietpreise durch den Sozialen Wohnungsbau sinken. In der Folge geht langfristig das Angebot an privat gebauten Wohnungen zurück. Diese Angebotslücke müsse der Staat wieder mit neuen Sozialbauwohnungen schließen – ein Teufelskreis. Mit der Zeit komme es im Sozialbau zudem zu Fehlbelegungen. Mieter, die zunächst wegen ihres geringen Einkommens zu den Berechtigten gehörten, verdienen irgendwann mehr. Viele Gemeinden erheben deshalb mit hohem bürokratischen Aufwand eine Fehlbelegungsabgabe. „Das zeigt, wie eine Staatsintervention eine andere zur Folge hat“, schreibt das IfW in einem Gutachten. Maurice Shahd

Subventionsland Deutschland – in dieser Serie berichtet der Tagesspiegel über die milliardenschweren finanziellen Wohltaten des Staates für Bürger und Wirtschaft. Morgen: Warum Fischer mit billigen Darlehen ihre Schiffe modernisieren dürfen.

Maurice Shahd

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