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DDR: Mit dem Plan in die Pleite

Schlecht gedacht oder schlecht gemacht? Die DDR-Kommandowirtschaft war von Beginn an zum Scheitern verurteilt, sagen Historiker.

Berlin - Am Tag seines vermeintlich größten Triumphes blickte Erich Honecker zunächst recht irritiert durch seine Brillengläser. 35 eng beschriebene Schreibmaschinenseiten, zusammengeklebt auf einem riesigen Papierbogen, hielten ihm seine Werktätigen am 12. September 1988 im Staatsratsgebäude unter die Nase. Wie High-Tech sah das nicht aus, war es aber – es war der Inhalt des ersten Ein-Megabit-Chips der DDR. „Eure Leistungen sind ein überzeugender Beweis dafür, dass die Deutsche Demokratische Republik auch künftig ihre Position als entwickeltes Industrieland behauptet“, nuschelte Honecker anerkennend.

Daraus wurde nichts: Als der Staatschef den Chip in Händen hielt, fertigten Firmen im Westen längst viel modernere Vier-Megabit-Schaltkreise. Auf dem Weltmarkt ließ sich das DDR-Produkt nur zu einem Bruchteil der Herstellungskosten verkaufen – weshalb der Staat die Chipproduktion mit 14 Milliarden Mark subventionieren musste.

Die Geschichte vom Arbeiter- und Bauernstaat, der zum Silicon Valley werden wollte, steht exemplarisch für viele gescheiterte Träume der DDR. Als die Mauer fiel, war das Land nicht nur moralisch, sondern auch ökonomisch heruntergewirtschaftet: Den Menschen fehlte es an allem, vom Dosenöffner über die Orange bis zum Fertigmörtel. Die Betriebe waren veraltet und verpesteten die Umwelt. Die Produktivität lag bei nur einem Drittel des Westniveaus. Beklagenswert der Zustand der Infrastruktur: Ein Fünftel des Straßen- wie des Schienennetzes konnte nur im Schritttempo befahren werden. Und der Staat hielt sich bereits seit Beginn der achtziger Jahre nur mit Krediten aus dem Westen über Wasser.

Das Ende der DDR diskreditierte auch in wirtschaftlicher Hinsicht Sozialismus und Planwirtschaft – und die Idee von einem System, das vorgibt, ohne Krisen und soziale Not auszukommen. Denn die Kommandowirtschaft versagte nicht, weil sie schlecht umgesetzt worden wäre, wissen Wirtschaftshistoriker heute. „Die DDR musste ökonomisch scheitern, weil die Planwirtschaft grundsätzliche Mängel hat“, sagt André Steiner vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.

Was fehlte, waren Anreize. „Arbeit war garantiert, Firmen konnten nicht pleitegehen. Deshalb war es egal, wie teuer sie produzierten, letztlich wurden sie vom Staat alimentiert“, sagt Steiner. Es war nicht nötig, kostengünstig zu produzieren und Neues zu erfinden – eine wichtige Triebfeder für Strukturwandel fehlte.

Stattdessen versuchten Staat und Partei, die Wirtschaft durchzuplanen. 2500 Mitarbeiter der Staatlichen Plankommisson gaben den Kombinaten vor, was und wie viel sie herzustellen hatten – Buntmetalle, Schlachtvieh, Hafenkräne, Eier, Kartoffeln. Mit den Jahren funktionierte das immer schlechter. „Es ist unmöglich, eine gesamte Volkswirtschaft durchzuplanen, selbst mit der Rechentechnik von heute“, sagt Steiner. Das Problem: Die Planer wollten mit wenig Aufwand viel herstellen, die Betriebe wollten das Gegenteil davon. Zudem fehlte ein Preismechanismus, der anzeigt, welche Waren knapp sind und wo Investitionen lohnen. Deswegen tat sich die DDR mit Innovationen schwer – und kopierte West-Produkte kurzerhand.

Fatal waren dazu die Vorgaben Honeckers: „Die Leute brauchen billiges Brot, eine trockene Wohnung und Arbeit“, befand er. „Wenn diese drei Dinge stimmen, kann dem Sozialismus nichts passieren.“ Also war Brot billiger als Getreide und diente als Schweinefutter. Und Züchter konnten ein Kaninchen für 60 Mark verkaufen, das Tier geschlachtet und ausgenommen bei der Handelsorganisation HO aber für 15 Mark zurückkaufen.

Hätten Reformen die DDR-Wirtschaft gerettet? Nein, sagt Historiker Steiner – weil nur marktwirtschaftliche Veränderungen etwas gebracht hätten – mehr Eigenständigkeit für die Betriebe, Privateigentum, weniger Subventionen. „Das System hätte man nur reformieren können, indem man seine Grundlagen abgeschafft hätte – das war natürlich für die SED völlig ausgeschlossen.“ Am Ende hätte eine Art soziale Marktwirtschaft gestanden – doch die gab es im Westen bereits.

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