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Wirtschaft: Mit Frust im Kittel

Ärzte arbeiten viel – und wollen dafür mehr Geld

„Wir arbeiten gern, aber nicht umsonst“, sagte der Vorsitzende des Klinikärzte- Verbands, Frank Ulrich Montgomery, zum Abschluss der Protestwoche am Freitag. Leider stimmt Montgomerys Satz nicht ganz. Viele Ärzte arbeiten längst nicht mehr gern in ihren Krankenhäusern. Sie sind frustriert, ausgebrannt, desillusioniert – und das liegt nicht nur am Geld. Es liegt auch an überlangen Arbeitszeiten, überbordender Bürokratie und völlig unzeitgemäßen Hierarchien.

Doch bleiben wir beim Geld. Nach Auskunft des Gesundheitsökonomen Karl Lauterbach liegt das Gehalt eines deutschen Assistenzarztes bei rund 3000 Euro brutto im Monat. Zum Vergleich: Ein angehender Pharmalobbyist fängt bei einem Jahresgehalt von 80000 bis 150000 Euro an – und schiebt keine Wochendienste von bis zu 80 Stunden mit der Verantwortung für Menschenleben. Im EU-Ausland, etwa in Großbritannien oder skandinavischen Ländern, sei das Gehalt der jungen Klinikärzte um 1000 bis 2000 Euro höher, sagt Lauterbach. Allerdings seien Zuschläge darin bereits verrechnet. Die Behauptung der Funktionäre, dass man dort das Doppelte oder Dreifache verdienen könne, könne er nicht bestätigen.

Gleichwohl lockten Pharmabranche und Ausland schon bisher viele Medizinstudenten, die unter anderen Umständen wohl in deutschen Kliniken arbeiten würden. 5000 Stellen könnten derzeit nicht mehr besetzt werden, klagt Montgomery. Im Gegenzug arbeiteten 6000 Krankenhausmediziner im Ausland. Und nun sei für die Verbliebenen alles noch schlimmer geworden. Die Verlängerung der Arbeitszeit in den Uni-Kliniken und Gehaltseinbußen von 15 bis 20 Prozent hätten „das Fass zum Überlaufen gebracht“.

Tatsächlich haben einige Bundesländer nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen im Frühjahr den Ärzten an Uni-Kliniken nicht nur Urlaubsgeld gestrichen und Weihnachtsgeld gekürzt, sondern auch die Arbeitszeit erhöht. In Bayern und Hessen müssen Klinikärzte nun 42 Stunden pro Woche arbeiten, in Baden-Württemberg 41 Stunden. Auf dem Papier wohlgemerkt, denn tatsächlich arbeiten die meisten weit länger. Staat und Krankenkassen schuldeten den Klinikärzten mittlerweile eine Milliarde Euro für nicht vergütete Überstunden, sagt Montgomery.

Hinzu kommt die Arbeitsverdichtung. In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Patienten in den verbliebenen Kliniken um 20 Prozent gestiegen, ihre Verweildauer aber um fast ein Drittel gekürzt geworden, sagt der Ärztefunktionär. „Das ist auf unsere Knochen gegangen, wir haben dafür nicht mehr Geld bekommen.“ Die Gehälter seien „erbärmlich“.

Auf Chefärzte treffe das nicht zu, kontert Regierungsberater Lauterbach. Hier bestehe ein „Gehaltsgefälle“, das international seinesgleichen suche. So gingen viele Klinikchefs mit mehr als einer Million, manche mit drei bis fünf Millionen Euro Jahresgehalt nach Hause. Das bis zu 100-fache eines Assistenzarztes. Montgomery ärgert sich über diesen Hinweis. Es gebe „einige wenige“, die sehr viel verdienten, sagt er. Doch „dadurch, dass man denen etwas nimmt, löst man nicht das Problem aller anderen“. Außerdem hätten sich die Gehaltsunterschiede in den Kliniken schon stark verringert.

Tatsächlich gilt bei Vertragsverhandlungen von Chefärzten nach wie vor die so genannte 500/500-Regel. Für den Chef über 500 Betten gelten 500000 Euro Jahresgehalt als angemessen. Altverträge sind aber meist deutlich besser dotiert als neue. Und im Osten oder der westdeutschen Provinz mit weniger Privatpatienten sind die Chef-Gehälter weit niedriger.

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