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Wirtschaft: Mit Kettensäge und Schlagbohrhammer

Die Verbraucher profitieren vom scharfen Preiskampf: Nie waren Gartenstuhl und Geranie so billig wie heute

Den Auftakt zur Jagdsaison machte Praktiker. „20 Prozent weniger“ bietet der Baumarkt seinen Kunden auf alle Produkte „außer Tierfutter“. Auch die Konkurrenz lässt sich nicht lumpen. In ganzseitigen Anzeigen und im Internet wirbt Hornbach mit einer „Dauertiefpreisgarantie“ („Hornbach immer günstiger als Praktiker“), Bauhaus hält immerhin mit einer „Tiefpreisgarantie“ dagegen. Der Preiskampf ist eröffnet.

Auf dem Heimwerkermarkt tobt der Wettbewerb so heftig wie noch nie. Der lange, harte Winter, der der Branche „katastrophale“ Umsatzeinbrüche abverlangte, hat den Druck noch einmal erhöht. ,„Die Umsätze stagnieren, wir haben viel zu viel Verkaufsfläche – das geht auf den Preis“, sagt John Herbert, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte (BHB). Wer davon profitiert, ist der Verbraucher. So billig wie jetzt waren Topfpflanzen, Akkubohrer und Flechtzäune noch nie (siehe unten).

56 Baumarktbetreiber gibt es in Deutschland, insgesamt haben sie rund 4200 Märkte. Das Netz ist so dicht wie in keinem anderen Land. Und obwohl der deutsche Markt längst als gesättigt gilt, eröffneten allein im vergangenen Jahr 64 neue Baumärkte, in diesem sollen weitere 40 hinzukommen. Immer mehr Konkurrenz kommt auch von Discountern wie Aldi und Lidl oder dem Kaffeeröster Tchibo, die sich mit Saisonartikeln wie Geranien oder Gartenscheren einen wachsenden Anteil am Gesamtumsatz von 17,7 Milliarden Euro sichern und den Preiskampf zusätzlich anheizen.

Dass den brutalen Wettbewerb auf Dauer nicht alle Unternehmen überleben werden, ist in der Branche ein offenes Geheimnis. Das Nachsehen haben vor allem kleinere Anbieter, die im Preiskampf der Großen nicht mithalten können. „Der Verdrängungswettbewerb geht jetzt erst richtig los“, sagt Joachim Bengelsdorf, Chefredakteur des Do-it-yourself-Fachblatts „diy“. Schon jetzt muss nach Angaben von BHB-Geschäftsführer Herbert für jeden Markt, der in Deutschland neu aufmacht, ein anderer geschlossen werden.

Nach Einschätzung der Unternehmensberatung Ernst & Young könnten 2015 in Deutschland nur noch drei große Baumarktketten übrig bleiben. Auch wenn die Zahlen in der Branche sehr skeptisch betrachtet werden, teilen alle die Einschätzung, dass der über Preis und Fläche ausgetragene Wettbewerb zwischen Obi, Praktiker, Hornbach und Co. in den nächsten Jahren noch härter wird.

In Ländern wie den USA oder Großbritannien hat der Verdrängungswettbewerb längst stattgefunden. In den USA existieren heute noch zwei große Baumarktbetreiber, in Großbritannien drei, darunter der Einzelhandelsgigant Kingfisher, zu dem auch die deutsche Baumarktkette Hornbach gehört.

In Deutschland gibt es zwar eine Vielzahl von Anbietern, aber die zehn größten vereinen nach Angaben von „diy“ fast 88 Prozent des Gesamtumsatzes und der Gesamtverkaufsfläche auf sich. Doch auch der Abstand zwischen den großen Unternehmen ist riesig. Marktführer Obi etwa ist doppelt so groß wie Bauhaus, und Praktiker hat (zusammen mit Extra und Top-Bau) mehr als die doppelte Größe von Marktkauf.

Statt immer mehr neue Märkte zu bauen, raten die Experten von Ernst & Young, sollten die Betreiber in Deutschland besser 30 Prozent der Fläche abbauen. Und statt nur auf Preis und Größe zu achten wieder mehr Wert auf guten Service legen. Schon jetzt beklagen Verbraucherschützer, dass der harte Preiskampf sehr oft zu Lasten der Beratung und der Produktqualität geht (siehe nebenstehendes Interview) .

Die ersten Märkte haben sich bereits umgestellt. So setzt Marktführer Obi statt auf Rabatte lieber auf „eine gewisse Preisverlässlichkeit“, wie Sprecherin Johanna Meessen sagt. Und versucht beispielsweise mit „Heimwerkerkursen für Frauen“, mehr Service jenseits von Akkuschrauber und Malpinsel anzubieten. Trotzdem wird die Fläche weiter ausgebaut. Allein in diesem Jahr sollen bundesweit zehn neue Märkte entstehen, 337 gibt es bereits. Konkurrent Praktiker hält das für das falsche Konzept. „Wir machen den Flächenwahnsinn nicht mit“, kündigt Praktiker-Chef Wolfgang Werner an. Wie Praktiker hat gerade auch die Hamburger Baumarkt-Kette Max Bahr angekündigt, auf Partnersuche zu gehen. „Wir wollen uns im Konsolidierungsprozess stärken“, sagt Werner Carl, der Sprecher der Geschäftsführung. Die Nummer neun im deutschen Markt, die bislang vor allem im Norden Filialen betreibt, will verstärkt im Südwesten und in Berlin wachsen. „Es gibt immer noch Nischen“, sagt Carl. Eine davon sieht das Unternehmen in den Innenstädten. Dort, wo die großen Märkte die kleinen Eisenwarenhändler einst vertrieben haben, haben Verbraucher heute Probleme, Glühbirnen oder Schrauben zu kaufen. Das könnte ein Markt sein. In einem Pilotprojekt in Berlin testet Max Bahr derzeit den Verkauf in Kleinfilialen mit nur 250 Quadratmetern Fläche. Die dritte ist erst vor einem Monat im Bezirk Neukölln eröffnet worden. „Wir müssen sehen, ob wir damit überlebensfähig sind“, sagt Carl.

Maren Peters

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