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Wirtschaft: Mit Kind zur Karriere

Betriebskindergärten, flexible Arbeitszeiten und Ferienbetreuung: Wie Berliner Unternehmen das Familienleben ihrer Mitarbeiter erleichtern

Eigentlich fing meine Karriere so richtig an, nachdem ich mein erstes Kind bekommen habe“, sagt Kathleen Siegert. Die 40-Jährige arbeitet als Referentin für Konzernrechnungslegung bei der Eckert & Ziegler AG in Berlin-Buch. Das Unternehmen mit rund 600 Mitarbeitern produziert radioaktive Komponenten für medizinische und wissenschaftliche Zwecke. Als Kathleen Siegert vor sechs Jahren ihre Tochter Emilia bekam, war sie noch stellvertretende kaufmännische Leiterin der Holding.

Nach einem Jahr Elternzeit kehrte sie jedoch zurück und übernahm bald den Posten als Abteilungsleiterin. Und das, obwohl sie zunächst nur 30 Stunden in der Woche arbeitete. „Meinem Arbeitgeber kommt es darauf an, dass das Ergebnis stimmt und unsere Kunden zufrieden sind“, erzählt sie. Wenn das gesichert sei, sei es kein Problem, bei Bedarf etwas früher nach Hause zu gehen oder einige Tage frei zu bekommen, wenn ihr Kind krank ist. „In anderen Firmen ist das nicht selbstverständlich“, sagt Siegert – in früheren Jobs hatte sie die Schwierigkeiten von Kollegen mit Kind mitbekommen.

Trotz ihrer jetzigen Position hat sie inzwischen zweifache Mutter Siegert heute wieder eine 30-Stunden-Woche und kann einen Tag von zu Hause aus arbeiten – eine große Entlastung.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind offenbar immer noch eher die Ausnahme als die Regel. Das geht auch aus dem „Monitor Familienleben 2011“ hervor, den das Allensbach-Institut im Auftrag des Bundesfamilienministeriums kürzlich erstellt hat. Demnach glauben lediglich fünf Prozent der Bevölkerung, dass Unternehmen genug für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tun. Dagegen sind 76 Prozent der Eltern von kleinen Kindern der Meinung, Arbeitgeber würden zu wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse von Familien nehmen.

Nach Schätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) nennen bundesweit etwa 80 Prozent der Unternehmen „Familienfreundlichkeit“ als eine wichtige Säule ihrer Firmenpolitik. Dennoch setze nur ein Drittel der Firmen familienbewusste Maßnahmen wirklich ein. Das gelte auch für Berlin. „Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke“, sagt Dieter Pienkny vom DGB Berlin-Brandenburg. Seiner Einschätzung nach steckt die Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt noch in den Kinderschuhen. Gerade mittelständische Unternehmen würden vor familienbewussten Maßnahmen oft zurückscheuen.

Dabei seien diese keineswegs eine Frage des Geldes: „Es muss ja nicht gleich die Einrichtung eines Betriebskindergartens sein“, sagt er. „Schon flexible Arbeitszeitmodelle sind eine Entlastung für Eltern.“ Profitieren würden davon beide Seiten: Die Eltern, weil sie unter weniger Zeitdruck stünden und die Arbeitgeber, weil sie zufriedenere und damit effizientere Mitarbeiter bekämen. Letztlich seien die Kosten für flexible Arbeitszeitkonzepte, Home Offices oder die Vermittlung von Betreuungsangeboten deutlich geringer als diejenigen, die durch Neubesetzung, Fluktuation, Fehl- und Überbrückungszeiten verursacht würden.

Dass die Vereinbarkeit von Kind und Karriere ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte ist, hat auch die Commerzbank erkannt. In Berlin bietet sie ihren Mitarbeitern neben flexiblen Arbeitszeitmodellen Krippen- und Kindergartenplätze für den Nachwuchs sowie eine kostenlose Ferienbetreuung an. Der Familienservice des Unternehmens gibt etwa Tipps für Nachhilfe und zur Hausaufgabenbetreuung. Gerade Männer sollen dabei ermutigt werden, ihre Vaterschaft aktiv zu leben. „Einige von ihnen arbeiten nur an drei Tagen in der Woche, andere reduzieren um wenige Stunden“, sagt Sprecherin Melanie Loriz. Für ihre familienbewusste Personalpolitik wurde die Commerzbank bereits mehrmals mit dem Zertifikat „Familie und Beruf“ der Hertie-Stiftung ausgezeichnet.

Auch Andreas Haßler ist sehr zufrieden mit der Familienpolitik seines Arbeitgebers, dem Unfallkrankenhaus Berlin (ukb) in Marzahn. Der 31-jährige Assistenzarzt wurde letztes Jahr Vater. Zwei Monate nahm er sich Elternzeit. „Das war kein Problem, mein Antrag wurde nach einer Woche genehmigt“, erzählt er. Was sich dagegen als großes Problem erwies, war die Suche nach einem Betreuungsplatz für seinen Sohn. „Ich hätte vorher nicht gedacht, dass das so schwierig werden würde“, sagt er.

Glücklicherweise eröffnete das Krankenhaus letzten Juni zusammen mit dem Unternehmen Dussmann einen Kindergarten auf dem Gelände der Klinik – und Andreas Haßler konnte einen der begehrten 80 Plätze für seinen Sohn ergattern. Das Besondere dabei sind die sehr langen Öffnungszeiten: Der Kindergarten hat täglich von sechs bis 21 Uhr geöffnet, am Wochenende nach Bedarf. Den Mitarbeitern, von denen viele im Schichtdienst arbeiten, kommt das sehr entgegen.

Als weitere Maßnahme hat das ukb 2010 als erstes deutsches Krankenhaus eine monatliche Kindergeldzulage in Höhe von 88,88 Euro eingeführt. Dafür wurde es vom Marburger Bund als „familienfreundliches Krankenhaus“ ausgezeichnet. Für Andreas Haßler und seine Frau war der Betriebskindergarten letztlich der ausschlaggebende Grund, ein zweites Kind zu bekommen. „Ohne diese Betreuung hätten wir uns sicher nicht so schnell dafür entschieden“, sagt der Assistenzarzt.

Sina Krambeck

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