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In Zügen gibt es für Radtouristen oft zu wenig Platz.

© Hannibal Hanschke/dpa

Mitnahme in Zügen: Die Deutsche Bahn verschläft den Fahrradtrend

Beim Thema Radtourismus kommt die Bahn nicht vom Fleck. In zu wenigen Zügen ermöglicht sie die Mitnahme von Fahrrädern - mit fragwürdigen Begründungen. Ein Gastbeitrag.

Die Ökobilanz der Deutschen Bahn (DB) ist gut, aber ihre Fahrgäste sind unzufrieden. Anstatt das Transportangebot kundenfreundlich auszuweiten, schränkt sie es ein: InterRegio abgeschafft, Nachtzüge eingestellt, Fahrradmitnahme nur in homöopathischen Dosen.

Dass der Radtourismus seit mehr als zwei Jahrzehnten boomt, lässt die DB kalt. Angesichts seiner jährlichen Zuwachsrate von 20 Prozent könnte sie neue Kunden gewinnen und alte an sich binden. Der Radtourismus generiert derzeit jedes Jahr einen Umsatz von 44 Milliarden Euro, der vor allem kleinen und mittleren Unternehmen sowie der lokalen Wirtschaft zugutekommt. Nach einer Schweizer Studie geben Radtouristen täglich mehr als dreimal so viel aus wie Autotouristen. Denn wer sich den ganzen Tag mit eigener Kraft fortbewegt, ist stolz und gönnt sich gerne gutes Essen und eine komfortable Übernachtung.

Viele wollen per Zug reisen, weil es ökologischer ist

Die Radurlauber ermöglichen auch eine Verlängerung der Tourismus-Saison. Die Badesaison dauert an der Ostsee nur wenige Monate, zu radeln ist auch im Frühjahr und Herbst ein Vergnügen. Und in Skandinavien, der Schweiz oder in Österreich werden die winterlichen Langlauf-Loipen im Sommer als Radwege genutzt, wodurch die touristische Infrastruktur fast das ganze Jahr nutzbar ist.

Aber wie werden die gewünschten Urlaubsziele erreicht? Viele wollen per Zug reisen, weil es ökologischer, bequemer und familienfreundlicher ist. Doch das Fahrrad kann nur in wenigen deutschen Fernzügen mitgenommen werden: Im InterCity (IC), im EuroCity (EC) und neuerdings auch im ICE 4.

Dabei hatte es einst verheißungsvoll begonnen: In den ICE-T-Zügen wurde ab 1999 die Fahrradmitnahme zwischen Stuttgart und Zürich für wenige Jahre getestet. Doch ohne – wie zugesagt – die Erfahrungen zu evaluieren, beendete die DB 2002 den Radtransport.

Das Europäische Parlament war derweil weitsichtiger und beschloss 2007, dass die Fahrradmitnahme „in allen Zügen – auch in Hochgeschwindigkeitszügen“ möglich sein soll. In den heute gültigen Fahrgastrechten finden wir den einschränkenden Zusatz: „wenn es den Betriebsablauf nicht stört und leicht zu handhaben ist“, für den sich die Bundesregierung auf Druck der DB starkgemacht hatte.

Österreich stattet auch Hochgeschwindigkeitszüge mit Radabteilen aus

2008 hatte der Bundesrat die Deutsche Bahn dazu aufgefordert, bei neuen Fernzügen die Fahrradmitnahme zu ermöglichen, sie beim ICE-T schnellstmöglich wieder einzurichten und sie in vorhandenen ICE-Zügen bei Redesign-Maßnahmen zu berücksichtigen. Aber der staatseigene Konzern reagierte nicht. Im Urlaubsland Österreich hingegen werden die neuen Hochgeschwindigkeitszüge „Railjet“ mit Fahrradabteilen ausgestattet und die im Betrieb befindlichen bis Juni 2017 nachgerüstet. Der damalige Bahnchef Rüdiger Grube kündigte in einem Gespräch an, im ICE von Berlin nach Interlaken ein Pilotprojekt zu starten – geschehen ist nichts.

Ganz besonders ärgerlich ist es, dass die Radmitnahme bei der „Modernisierung“ der ICE-3-Züge abermals nicht vorgesehen ist. DB-Vorstand Bertold Huber verteidigt das. Es „hätten die Wagen so aufwendig umgebaut werden müssen, dass möglicherweise eine neue Genehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt erforderlich gewesen wäre“. Dabei weiß er doch, dass es laut EBA-Vizepräsident Andreas Thomasch „beim Projekt Redesign der ICE-3-Züge einschließlich der Gestaltung der Fahrradabteile im Inneren der Züge für das EBA kein Problem gibt“. Dass es dafür keiner erneuten Genehmigung bedarf, hatte das EBA der DB per Bescheid schon 2016 mitgeteilt.

Die DB kann sich hinter niemandem verstecken, wenn sie den Fahrradtrend verschläft. Der nun im ICE 4 mögliche Fahrradtransport zeigt, dass der Betriebsablauf nicht gestört wird. Und zwar ebenso wenig wie beim IC oder EC, obwohl dort die Türen oft schmaler und die Treppenstufen höher sind. Zudem ist beim ICE Platz genug vorhanden, weil diese Züge lediglich zu 50 Prozent ausgelastet sind.

Roter Teppich für die schärfsten Konkurrenten

Die DB hat zu häufig Kundenwünsche ignoriert. Nur so ist zu erklären, dass seit der Bahnreform von 1994, trotz Investitionen von 100 Milliarden Euro die Fahrgastzahlen im Fernverkehr gesunken statt gestiegen sind. Mit ihren Fehlentscheidungen rollt die Bahn den roten Teppich für ihre schärfsten Konkurrenten aus. Im Flugzeug und im Fernbus ist die Fahrradmitnahme kein Problem. Allein von 2015 bis 2016 nahm sie beim Marktführer Flixbus um 25 Prozent zu.

Ich empfehle dem neuen Bahnchef daher, mit seinem Fahrrad einmal im DB-Zug von Berlin nach Freiburg zu fahren. Dann ist er bestimmt auch für eine fahrradfreundliche „Modernisierung“ der ICE-3-Züge.

Der Autor Michael Cramer ist seit 2004 Abgeordneter der Grünen im Europäischen Parlament.

Michael Cramer

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