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Wirtschaft: Mobilität und Umweltpolitik: Interview: "Das Auto ist für uns kein rollendes Atomkraftwerk"

Albert Schmidt (50) ist verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Außerdem vertritt er den Eigentümer Bund im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG.

Albert Schmidt (50) ist verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Außerdem vertritt er den Eigentümer Bund im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG. Schmidt, gebürtiger Bayer, gehört seit 1994 dem Bundestag an. Vor seiner Politik-Karriere war er Volksschul-Lehrer.

Herr Schmidt, vor der letzten Bundestagswahl hat ihre Partei beschlossen, dass der Liter Benzin bald fünf Mark kosten soll. Wann wird es denn so weit sein?

Langzeitprognosen dieser Art sind weder seriös noch hilfreich. Die Verteuerung des Benzins durch die Öko-Steuer und die Entwicklung des Marktpreises hat jedoch einiges gebracht: Die Autofahrer wissen jetzt, dass Erdöl kostbar ist und in Zukunft teurer statt billiger werden wird. Die Folge ist ein Absinken des Spritabsatzes in Deutschland um zwölf Prozent innerhalb von zwei Jahren. Die Leute fahren zwei Prozent weniger Auto, dafür aber zwei Prozent mehr Eisenbahn - das ist ein Verdienst der Öko-Steuer.

Wir haben auch deutlich weniger Wirtschaftswachstum, seit es die Öko-Steuer gibt.

Daran ist nicht die Öko-Steuer schuld. Wachstumsprobleme gibt es auch in Ländern wie Japan, wo keine Öko-Steuer erhoben wird. Die Steuer hat übrigens für neue Arbeitsplätze gesorgt, und die deutsche Industrie ist in Zukunftsbranchen wie erneuerbaren Energien, Windkraft, Solar- und Klimatechnik heute führend.

Trotz der Verteuerung des Benzins spielen Spritspar-Autos auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) ab Donnerstag keine Rolle - im Mittelpunkt stehen immer noch PS-Protzer.

Das sehe ich nicht so. Die Industrie arbeitet intensiv an weiteren Verbrauchs-Senkungen und an alternativen Antrieben. Das ist auch ein Erfolg der Politik. Die Grünen sind beim Auto nicht nur zuständig fürs Bremsen, Verhindern und Verteuern. Wir haben inzwischen eine grüne Autopolitik, die auch Teil eines Gesamtkonzeptes für eine umweltfreundliche Mobilität ist. Es gibt ja Erfolg versprechende Projekte, etwa Brennstoffzellen-Autos von Daimler-Chrysler und BMW oder die bereits erhältlichen Drei-Liter-Autos von Volkswagen und Audi.

Bloß will die Sparautos niemand haben, weil sie zu teuer und zu winzig sind. Müssen Sie nicht mehr tun, um solche Autos flächendeckend einzuführen?

Es gibt einen Boom bei sparsamen Autos - die Zahl der neu zugelassenen Wagen, die weniger als fünf Liter verbrauchen, hat sich seit 1997 vervierfacht. Teuer sind sie allerdings tatsächlich. Deshalb sollte die Steuerbefreiung für Drei-Liter-Autos bis 2007 verlängert werden, damit diese sich nicht nur für Vielfahrer lohnen.

Die Grünen haben sich also gewandelt von der Öko- zur Autopartei, die allenfalls moderaten Spritverbrauch anmahnt?

Nein. Uns geht es um nachhaltige Mobilität und Bewegungsfreiheit, nicht um die Huldigung des Götzen Auto. Wir fordern neue Nutzungskonzepte wie etwa das Car-Sharing oder die Verknüpfung von Auto, Eisenbahn und Fahrrad. Das Auto ist aber für viele auf dem Land unverzichtbar, so stark kann man den öffentlichen Nahverkehr gar nicht ausbauen. Das Auto ist für uns jedenfalls kein rollendes Atomkraftwerk, das schnellstens still gelegt gehört. In Deutschland Politik gegen das Auto machen zu wollen ist ja auch eine Illusion. Es ist eine Maschine, von der wir ebenso höchste Energie-Effizienz verlangen wie von einer Gefriertruhe.

Am 1. Januar 2002 soll die Öko-Steuer erneut um sechs Pfennig steigen. Ökonomen sagen für die gleiche Zeit eine Konjunkturerholung voraus. Bremst die Koalition mit der Steuer den Aufschwung aus?

Die Öko-Steuer bremst das Wachstum nicht aus, im Gegenteil, sie sorgt für Investitionen in neue Heizanlagen oder Autos.

Die gegenwärtige Flaute begann aber mit einer Verteuerung der Energie Ende 2000.

Aber nur für den, der sein Verbrauchsverhalten nicht geändert hat. Außerdem gelten für die Wirtschaft bekanntermaßen großzügige Ausnahmeregeln - die Unternehmen profitieren unterm Strich von der Steuer, da sie die Lohnzusatzkosten senkt.

Dann könnte man also mit einer kräftigen Öko-Steuer-Erhöhung prima die Wirtschaft ankurbeln?

Wir müssen eine berechenbare Politik machen. Bis 2003 gibt es einen klaren Fahrplan für die Erhöhung der Öko-Steuer. Was danach kommt, hängt ab von der Finanzlage der Rentenkasse, der Entwicklung der Energiepreise, dem Wirtschaftswachstum und natürlich vom Wahlergebnis. Jetzt eine Debatte darüber zu führen ist unredlich. Der Grundsatz der Öko-Steuer - teurere Energie gegen billigere Arbeit - hat sich bewährt. Sie muss aber weiter entwickelt werden.

Also doch eine Verteuerung?

Nicht unbedingt. Man könnte einen Teil der Einnahmen auch dazu verwenden, den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen und Alternativen zum Auto zu bieten. Wir sollten also für Bahntickets im Fernverkehr künftig nur noch den halben Mehrwertsteuer-Satz verlangen. Das machte Fahrkarten um acht Prozent billiger.

Gerade energiehungrige Betriebe spüren dank großzügiger Ausnahmeregelungen die Öko-Steuer kaum. Wird das so bleiben?

Die Ausnahmen hat ja die SPD durchgesetzt. Statt der Steuer sollten wir in der Wirtschaft den Handel mit Verschmutzungsrechten einführen. Das böte jedem Unternehmen den Anreiz, so effizient und sparsam wie möglich zu wirtschaften und würde zugleich den Bürokratieaufwand reduzieren. Darüber werden wir ab 2003 reden.

Trotz Öko-Steuer wälzen sich noch immer Autoschlangen über die Straßen und verursachen Staus. Kosten pro Jahr: 24 Milliarden Mark. Davon könnte man eine Menge neuer Straßen bauen, sagt die Auto-Industrie.

Neue Straßen führen nur zu noch mehr Autos, das hat die Vergangenheit gezeigt. Vor allem Lastwagen verstopfen ja die Autobahnen, daher muss der Gütertransport auf Bahn und Schiff verlegt werden. Deshalb ist die die Lkw-Maut ein Anti-Stau-Programm.

Eine Pkw-Maut würde genauso wirken.

Davon halte ich nichts. Der Autofahrer bezahlt über die Benzin- und Kraftfahrzeug-Steuern heute schon genug für die die Nutzung der Straßen. Der Lkw-Fahrer tut das nicht, er belastet den Asphalt weitaus mehr.

Hilft ein Tempolimit gegen Staus?

Das haben wir heute schon auf vielen Strecken. Ein generelles Tempolimit scheitert bislang am Widerstand des Bundeskanzlers.

Als Mittel gegen den Stau propagieren Sie den Umstieg auf die Bahn. Ist sie denn eine echte Alternative bei Preis und Qualität?

Die Bahn ist heute schon viel besser als ihr Ruf. Der Grund ist die Sanierung des gesamten Systems: Investitionen in neue Züge, Gleise und Bahnhöfe. Dafür stehen 80 Milliarden Mark zur Verfügung. Auch der Güterzug wird allmählich konkurrenzfähig zum Lastwagen, wenngleich die Bahn noch Jahrzehnte hinterherhinkt. Trotzdem wird die Gütersparte der Bahn, die DB Cargo, nicht die gesamte Logistik im Nah- und Fernverkehr bewältigen können. Deshalb ist mehr Wettbewerb auf der Schiene nötig - die privaten Bahnen müssen vor allem den Nahbereich versorgen. Durch die Lkw-Maut wird zudem der Marktanteil der Schiene wachsen. Die Bahn hat eine Riesen-Zukunft.

Zuletzt sah es aber nicht danach aus - das neue Preissystem erntete viel Kritik, die private Konkurrenz wächst, und Sie wollen der Bahn auch noch das Schienennetz entreißen.

Alles soll dem Bahn-Kunden nutzen. Mehr Wettbewerb auf der Schiene fördert die Qualität und senkt die Preise. Das funktioniert aber nur, wenn die Verfügung über das Streckennetz unabhängig vom Bahn-Konzern ist. So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben - dem größten Anbieter gehört das Netz, er regelt den Zugang und diktiert die Trassenpreise. Das Schienennetz ist überdies ein Teil der vom Staat finanzierten Infrastruktur, nicht Teil eines Verkehrsbetriebs. Ginge die Bahn eines Tages mitsamt dem Netz an die Börse, drohen uns Verhältnisse wie in England: Die Schienen würden veralten, weil die Investitionen wegen Gewinnstrebens zurückgefahren würden.

Sie lehnen also den Vorschlag von Bahnchef Hartmut Mehdorn ab, der das Netz bei der Bahn belassen will. Wie könnte denn ein Kompromiss aussehen?

Das Netz müsste abgeschottet werden vom Rest des Unternehmens, um Quersubventionen zu vermeiden und mehr Transparenz herzustellen. Die Bahn verwaltet es, Eigentümer aber ist der Bund. Das jetzige Modell ist dagegen marktwirtschaftlicher Unfug und gehört abgeschafft.

Der Privatbahn-Betreiber Connex hat angeboten, die Interregio-Züge der Bahn zu übernehmen, verlangt dafür aber Subventionen. Ist das Ihre Vorstellung von Wettbewerb?

Es ist zumindest der Anfang vom Ende des Bahn-Monopols. Und eine Herausforderung an die Bahn: Entweder geht sie auf das Angebot ein, und die Interregios wären gerettet. Oder sie kontert das Connex-Angebot und versucht selbst, die Züge profitabel zu machen. In beiden Fällen bliebe der Interregio bestehen.

Haben denn die Bundesländer, die am Ende die Connex-Züge subventionieren müssten, überhaupt Geld dafür?

Ja, denn die Länder bekommen vom Bund heute 1,5 Milliarden Mark mehr für die Bestellung von Zügen als 1998 - da müsste Spielraum sein für den einen oder anderen Interregio-Zuschuss. Das müsste zuvor natürlich erst rechtlich ermöglicht werden. Ein kleiner Zuschuss wäre aber günstiger als die Bestellung eines ersatzweise fahrenden Nahverkehrs-Zuges.

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