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Wirtschaft: Monsanto-Konzernchef Robert Shapiro ist mit seiner Vision einer besseren Welt gescheitert

Robert B. Shapiro, Vorstandsvorsitzender von Monsanto, hatte vor vier Jahren eine Vision.

Robert B. Shapiro, Vorstandsvorsitzender von Monsanto, hatte vor vier Jahren eine Vision. Er sah seine Firma als Biotechnikfabrik am Wendepunkt, die genmanipulierte Lebensmittel und Medikamente in rauen Mengen produzieren würde. Zur Produktpalette würden Feldfrüchte zählen, die den Cholesterinspiegel zu senken vermögen, und die Charakteristika des Saatguts würden überhaupt ganz den wissenschaftlichen Erkenntnissen und menschlichen Bedürfnissen genetisch angepasst werden. Shapiro beschrieb sein Projekt als umweltverträgliche Landwirtschaft und als holistische Lösung. Zudem würde dieses Projekt ganz im Trend des Zeitalters der Technik liegen und davon würden schließlich auch die Aktionäre profitieren.

Einige Milliarden Dollar weiter ist eben dieses Konzept eines ganzheitlichen Konzerns zum Problem von Monsanto geworden. Die Kontroverse um den Agro-Biotechnikbereich des Programms hat die Gemüter soweit erhitzt, dass der Konzern einem Vertrag zustimmen musste, der die Agrotechnik nicht nur in die zweite Reihe verbannt, sondern Monsanto die Unabhängigkeit kostet. Die Fusion von Monsanto mit Pharmacia & Upjohn wird zwar als Zusammenschluss unter Ebenbürtigen gesehen, aber der Pharmabereich wird dadurch klar die Oberhand gewinnen. Die Führung der neuen Firma übernimmt dann Fred Hassan, Chef von Pharmacia, während Shapiro auf das Abstellgleis geschoben wird.

Der Agrarbereich, für den sich Shapiro eingesetzt hat, wird als getrennter Sektor geführt werden, wobei allerdings 19,9 Prozent des Umsatzes verkauft werden sollen. Bisherige Projekte will man zwar weiter laufen lassen, aber das bisherige Vorrecht gehört nun der Vergangenheit an. Im Rückblick sagen Kollegen von Shapiro, er sei von seiner Vision einer biologischen Revolution besessen gewesen.

Shapiro hat das Projekt gemeinsam mit Umweltschützern auf den Weg bringen wollen. Er sah viele Vorteile, die seine Produkte der Umwelt bringen könnten: Sie sind resistenter und benötigen weniger Pestizide, und sie ermöglichen größere Erträge auf weniger Bewirtschaftungsfläche. Dennoch sind es die Umweltschützer, die aus Sorge um nichtkalkulierbare ökologische Folgen in den USA eine energische Antibewegung für genmanipulierte Lebensmittel heraufbeschworen haben. Und genau das ist der Punkt. Bei allem zukunftsorientierten Denken über pflanzliche Genmanipulation hat Shapiro diesen wesentlichen Aspekt in seinen Kalkulationen vernachlässigt: Die Agrobiotechnik würde Monsantos Schicksal in die Hände der Konsumenten legen, von denen man aber noch nicht wusste, wie sie reagieren würden.

Anfangs hatte Monsanto viel Erfolg mit Biotechnik und wurde von den amerikanischen Landwirten hoch gelobt, die mit den neuen Pflanzen billiger und einfacher produzieren konnten. Auch die Öffentlichkeit akzeptierte Biotechnologie, allerdings nur unter medizinischen Gesichtspunkten. Im Lebensmittelbereich war der Nutzen wenig offensichtlich. Die Unbedenklichkeit von genmanipulierten Lebensmitteln sei bislang nicht erwiesen, argumentieren die Gegner.

Alles war einfacher für Shapiro, als Gentechnik noch weniger kontrovers diskutiert wurde. Noch vor 18 Monaten machte American Home Products - eine Firma, die gemessen an Einkünften und Verkehrswert doppelt so groß ist wie Monsanto - Shapiro ein Fusionsangebot. Er wäre stellvertretender Vorstandsvorsitzender geworden und Monsanto hätte seinen Börsenwert auf 35,1 Milliarden Dollar gesteigert. Das Bündnis ist aus persönlichen Gründen nicht zustande gekommen. Jedenfalls hat man mit Pharmacia schlechter abgeschnitten.

Die Vision vom Biotechnik-Imperium

Shapiro ist einer der wenigen Firmenchefs, der in kürzester Zeit einen Konzern komplett umgekrempelt hat. Er führte Monsanto weg von der "Alten Schule" hin zum New Age. "Ohne radikale Veränderungen", sagte Shapiro im Harvard Business Review, "wird die bevorstehende Verdopplung der Weltbevölkerung eine unvorstellbare Massenwanderung und Umweltzerstörung auslösen." Er fügte hinzu, dass die Welt nach tragbaren Systemen verlange. Shapiros Heilmittel: nährstoffreiche und ergiebige Designersaaten. "Wenn Monsanto diese anbieten kann, werden nicht nur unsere Anteilseigner davon profitieren", so Shapiro. Fast ein ganzes Jahrhundert hat Monsanto auf Chemikalien für die Landwirtschaft gesetzt. Dieser Bereich wurde durch einen stärkeren pharmazeutischen Sektor, aber besonders durch einen wachsenden Saatzuchtbereich ersetzt. Shapiro arbeitete darauf hin, ein Biotechnik-Imperium aufzubauen. Er zahlte hohe Prämien, um Saatzuchtunternehmen aufzukaufen. Vor zwei Jahren zahlte Monsanto eine Milliarde Dollar an einen Familienzuchtbetrieb in Iowa, dessen jährliche Einnahmen bei 50 Millionen Dollar lagen. Das erste genmanipulierte Saatgut, das Monsanto der Welt bescherte, hatte allerdings wenig mit gesünderen Lebensmitteln oder billigeren Medikamenten zu tun, geschweige denn mit Shapiros Vision. Stattdessen entwickelte man in den Laboren genmanipuliertes Sojabohnen-Saatgut, das 1996 auf den Markt kam, um den Verkauf von Monsantos Star-Herbizid Roundup weiter anzukurbeln. Dieser wirksame Unkrautvernichter beseitigt fast alles Grüne. Das neue Saatgut war allerdings Roundup-resistent, was die Arbeit der Landwirte um einiges vereinfachte. Sie standen Schlange für Monsantos Saatgut.

Im Nachhinein musste aber auch Shapiro feststellen, dass es keine gute Idee war, zuerst an Sojabohnen zu basteln. Ein Großteil der Produktion an amerikanischen Sojabohnen wird nach Großbritannien exportiert. Dort sind die Kunden seit der Lebensmittelkatastrophe um BSE sehr vorsichtig gegenüber allen unnatürlichen Esswaren geworden. Wäre Monsanto mit vitaminangereicherten Produkten in den Markt eingestiegen, "hätten die Konsumenten vielleicht eher die Vorteile genmanipulierter Nahrungsmittel gesehen, so wie es bei Medikamenten der Fall gewesen ist", sagt Shapiro heute im Rückblick.

Auf dem falschen Dampfer

Nach drei fetten Jahren der guten Geschäfte mit genverändertem Saatgut fängt der Agrarbereich des Konzerns an zu stagnieren, ist sogar mitunter rückläufig. Die Landwirte teilen entweder die Bedenken der Umweltschützer, oder sie fürchten, dass sie ihre Ernte nicht verkaufen können, da sich die Lebensmittelhersteller nicht einer Diskussion um genmanipulierte Nahrungsmittel stellen wollen.

Shapiros Traum geht jedoch weit über Sojabohnen hinaus. Momentan laufen unter anderem Projekte, in denen farbige Baumwolle oder mit Vitaminen angereicherte Senfsaaten für die Länder der Dritten Welt entwickelt werden, ganz zu schweigen von Soja mit Fleischgeschmack. Das ist alles sehr imposant, aber wird es sich auch verkaufen lassen? "Man baut sich kein Geschäft um seine Forschung, sondern um seine Kunden auf", sagt Charles Arntzen, Präsident des Boyce Thompson Instituts für Pflanzenforschung. "Shapiro ist brillant, aber er ist auf dem falschen Dampfer." Und was sagt Shapiro, wenn seine Vision, die sowohl der Menschheit als auch seinen Aktionären zu Gute kommen sollte, verteufelt wird? Er ist überzeugt, dass die Gegner einem Irrtum unterliegen und Agrobiotechnik eines Tages anerkannt wird.

Scott Kilman, Thomas M. Burton

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