zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Montanmitbestimmung geht zu weit

BERLIN (alf).Das Bundesverfassungsgericht hat den Ausstieg von Konzernen aus der Montanmitbestimmung erleichtert.

BERLIN (alf).Das Bundesverfassungsgericht hat den Ausstieg von Konzernen aus der Montanmitbestimmung erleichtert.Dem Gericht zufolge verstößt die Beschäftigtenzahl von 2000 als Anwendungskriterium für die Montanmitbestimmung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes.Dagegen sei das Kriterium einer Montan-Wertschöpfung von 20 Prozent mit dem Grundgesetz vereinbar; eine Konzernobergesellschaft, die mehr als 20 Prozent des Umsatzes im Bergbau- oder Stahlbereich erzielt, muß also die Montanmitbestimmung anwenden und fällt nicht unter das Mitbestimmungsgesetz von 1976.Mit seinem Urteil bestätigte das Gericht damit die unterschiedlichen Wertschöpfungsquoten von 50 Prozent für die Aufnahme und 20 Prozent für die Entlassung von Konzernobergesellschaften aus der Montanmitbestimmung.

Der Düsseldorfer Mannesmann-Konzern, der Anlaß zu dem Rechtsstreit gegeben hatte, begrüßte das Urteil und interpretierte es so, daß jetzt die allgemeine Mitbestimmung angewendet werden könne.Indes muß auf der Grundlage des Karlsruher Richterspruchs nun das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden, wie künftig der Aufsichtsrat der Mannesmann AG zu besetzen ist.

Das Verfassungsgericht gab alles in allem eine wohlwollende Einschätzung der Montanmitbestimmung ab.Zwar sei es bei diesem Mitbestimmungsmodell möglich, daß aufgrund des paritätisch besetzten Aufsichtsrats und des dadurch "erhöhten Kompromißzwangs" dazu kommen kann, "daß Entscheidungen verzögert werden oder in Einzelfällen ganz unterbleiben".Dem stehe aber die "breitere Konsensbasis und die damit regelmäßig verbundene größere Tragfähigkeit der Entscheidung gegenüber", teilte das Verfassungsgericht mit.Der Gesetzgeber habe mit seiner Novelle aus den 80er Jahren versucht, "die Montanmitbestimmung angesichts veränderter Verhältnisse zu sichern".Dies sei legitim, da der Gesetzgeber die Montanmitbestimmung "als Teil der auf partnerschaftliches Zusammenwirken angelegten Sozial- und Wirtschaftsordnung" verstehe, und weil ferner davon auszugehen ist, daß die erweiterte Mitbestimmung "zur Bewältigung derjenigen Anpassungsprobleme beitragen werde, die sich gerade in diesem Industriezweig stellen und noch nicht vollständig gelöst sind".Zur Wertschöpfungsquote von 20 Prozent teilt das Gericht mit, diese "erscheint zwar sehr niedrig".Da der Gesetzgeber die Montanmitbestimmung so hoch schätze, sei sie indes "noch vertretbar".Auch die Frist von sechs Jahren, in der die Quote unterschritten sein muß, bevor eine Konzernobergesellschaft aus der Montanmitbestimmung ausscheiden darf, "hält sich im Rahmen des verfassungsrechtlich Vertretbaren".Dabei gehe es darum, "kurzfristige Schwankungen oder absichtsvoll herbeigeführte (...) Veränderungen zu verhindern".

Das vom Gericht abgelehnte Kriterium der Beschäftigtenzahl ist "ungeeignet, einen ausreichenden Montan-Bezug zu gewährleisten".Das zeigten gerade die vom Mannesmann-Vorstand vorgelegten Zahlen.Bei einer Inlandsbelegschaft von 80 000 Arbeitnehmern im Jahr 1997 ergäben 2000 in montan-mitbestimmten Unternehmen Beschäftigte einen Anteil von 2,5 Prozent an der gesamten Belegschaft.Ein "derart niedriger Anteil" reiche indes nicht aus, "Konzerne als so montan-mitgeprägt auszuweisen, daß die unterschiedliche Behandlung im Vergleich mit Unternehmen ohne Montan-Anteil gerechtfertigt wäre".

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßte in einer Stellungnahme das Urteil.Die Entscheidung sei von "grundsätzlicher Bedeutung, weil der häufig mystifizierten Montanmitbestimmung grundgesetzliche Schranken gesetzt werden".Allerdings seien die konkreten Auswirkungen des Urteils "begrenzt", da zu Zeit "höchstens noch zwei Konzernobergesellschaften davon betroffen sind"; neben Mannesmann ist dies die Klöckner Werke AG.Diese befänden sich jedoch bereits in der Auslauffrist der Montanmitbestimmung "oder unterliegen schon jetzt dem 76er Mitbestimmungsgesetz", schreibt die BDA.Der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte sowie IG Metall-Chef Klaus Zwickel forderten eine weitere gesetzliche Sicherung der Montanmitbestimmung, unter die derzeit 220 000 Arbeitnehmer fielen.Das Arbeitsministerium erklärte, die Bundesregierung werden nach Prüfung des Urteils und vor dem Hintergrund der Koalitionsvereinbarung, die eine Stärkung der Mitbestimmung vorsieht, über eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Montanmitbestimmung entscheiden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false