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Wirtschaft: Muss man Werbung verstehen?

Die Deutschen können englische Slogans häufig nicht übersetzen, behauptet eine Studie. Die Firmen stört das wenig

Mit „Be inspired“ wirbt Siemens seit einiger Zeit für seine Handys. Doch können viele Deutsche mit dem englischen Werbespruch nichts anfangen, wie eine repräsentative Umfrage einer Agentur ergab. Ein Teil der Befragten übersetzte den Slogan mit „Ich bin angeregt“. Andere verstanden gar „Bienen-Inspektion“ darunter. Nur 15 Prozent der 1104 Befragten verstanden die tatsächliche Botschaft, sagt Bernd Samland, der Eigentümer der Agentur, die selbst höchst undeutsch Endmark International Namefinding AG heißt. Seit Jahren werben deutsche Unternehmen mit englischen Sprüchen. Sie wollen damit jugendlich und weltläufig wirken und ihrem Image einen High-Tech- Klang verleihen. Doch meist geht die Werbebotschaft in der Übersetzung verloren.

Das sei auch bei dem Werbespruch „Stimulate your senses“ des fränkischen Unterhaltungselektronikherstellers Loewe der Fall, sagt die Studie. Mancher Befragte dachte, es gehe um Sensen. Kopfzerbrechen bereitet manchem auch der Slogan „Open your mind“ aus der Smart-Werbung. „Heißt es nicht soviel wie ’Denk daran’?“, fragte Dirk Göhmann, ein Banker aus Frankfurt, der in seinem Job Englisch spricht und regelmäßig nach New York fliegt. Die Berliner Publizistik-Studentin Constance Haase fragt sich, ob der Slogan nicht „Öffne Deine Meinung“ bedeute. Smart lässt sich von diesen Sprachunsicherheiten nicht beirren. Eigene Untersuchungen zeigten, dass die Verbraucher den Slogan verstünden und sich damit identifizierten, sagt Oliver Hoffmann, der Marketing- und Kommunikationschef von Smart.

Englisch hat in zahlreiche Sprachen Einzug gehalten. Während einige Länder wie Frankreich jedoch erbitterten Widerstand leisten, ist Deutschland offener. Ein Grund dafür dürfte die amerikanische Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg sein. US-Soldaten und ihr Slang galten als cool. Heutzutage gehört „Cashflow“ zum gängigen Wirtschaftsjargon. Und die Deutschen verwenden englische Wörter gern für Ausdrücke, die es eigentlich seit langem auch auf Deutsch gibt. Immer häufiger hört man „outdoor jackets“, „tough“ und „easy“.

In der Werbung sei Englisch aus verschiedenen Gründen attraktiv, sagt Vincent Reardon, ein unabhängiger Fernsehproduzent, der seit 13 Jahren in Deutschland lebt und früher die Werbeabteilung bei Opel geleitet hat. „Die deutsche Sprache ist längst nicht so flexibel“, sagt er. „Im Englischen kann man Verben als Substantive und Substantive als Verben verwenden.“ Sowohl bei Managern als auch bei Teenagern gelte Englisch als cool, erklärt Reardon: „Das liegt bei den Jugendlichen an Musik und Internet sowie bei den Managern an den Konzepten, die es zuerst nur auf Englisch gibt.“ Dagegen finden nur in Ausnahmefällen deutsche Wörter Eingang in die US-Werbung. Vor Jahren hat VW eine Werbekampagne um das Wort „Fahrvergnügen“ inszeniert.

Das extremste Beispiel für englisch-sprachige Werbung in Deutschland ist der aktuelle TV-Spot für „American-style“ Tiefkühl-Pizza der Firma Wagner. Darin isst eine typisch amerikanische Familie am Küchentisch zu Abend. Im Hintergrund stehen Schränke und ein riesiger Kühlschrank. Als das Essen auf den Tisch kommt, rufen Vater und Kinder „We loooooove pizza!“. Die Mutter erzählt ihnen, dass ihre amerikanische Pizza eigentlich aus „Doitchland“ komme, wobei sie das Wort mit einem übertriebenen amerikanischen Akzent ausspricht. „We loooooove Doitchland!“, schreit darauf die Familie. Damit die Deutschen das Englische verstehen, wurde der Dialog so einfach gehalten. Seit September wird der Spot ausgestrahlt – und das Unternehmen erntete dafür schon manch kritischen Kommentar in E-Mails oder im Internet.

Samlands Studie hat in der deutschen Medien- und Werbebranche für Aufruhr gesorgt. Doch Siemens gibt sich gelassen. Eigene Untersuchungen zeigten, dass der Prozentsatz der Leute, die den Slogan „Be inspired“ verstünden, „erheblich höher“ als 15 Prozent liege, sagt Jens-Thomas Pietralla, Vize für Strategie und Marketing bei Siemens Mobile. Ein anderer Siemens-Sprecher, Florian Kreutz, behauptet, dass ein Werbeslogan nicht verstanden werden müsse, um erfolgreich zu sein. Ein Slogan „ist etwas sehr Subjektives, etwas sehr Emotionales“, sagte er. „Ist es wirklich notwendig, dass man den Slogan wortwörtlich versteht?“

Texte übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Manager), Karen Wientgen (Englische Werbung), Christian Frobenius (EU), Matthias Petermann (Schröder) und Svenja Weidenfeld (Tony Blair).

G. Thomas Sims

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