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Wirtschaft: Nach dem Wegfall des Rabattgesetzes: Preisnachlässe von 70 Prozent sind in Schweden völlig normal

Ein schwedisches Portemonnaie muss ziemlich dick sein. Denn es sollte Platz haben für mindestens 20 verschiedene Rabattkarten.

Ein schwedisches Portemonnaie muss ziemlich dick sein. Denn es sollte Platz haben für mindestens 20 verschiedene Rabattkarten. Das sagt Per Frankelius, Besitzer eines Textilgeschäftes und Vertreter der ältesten Kaufleutevereinigung in Schweden, und zieht zum Beweis ein paar pinke Plastikkarten aus seinem Portemonnaie. Die deutschen Einzelhändler, die nach der Abschaffung des Rabattgesetzes das große Feilschen befürchten, schütteln mehr oder weniger entsetzt die Köpfe. Die Industrie- und Handelskammer zu Berlin lud in dieser Woche Per Frankelius und Ake Andersson, den City-Manager von Kristianstad, ein, damit sie den hiesigen Einzelhändlern erklären, wie das so ist in Schweden mit Rabatten und liberalisierten Ladenöffnungszeiten. Die beiden kommen aus Kristianstad im Süden Schwedens, "einer besonderen Stadt", die mit 75 000 Einwohnern ungefähr so groß ist wie Potsdam. Anders als im übrigen Schweden, wo sich die großen Shopping-Center durchgesetzt haben, gebe es immer noch sehr viele Einzelhändler in Kristianstadt, sagt Ake Andersson.

Per Frankelius hat schon gehört, dass hier zu Lande das Rabattgesetz abgeschafft werden soll. Und will die deutschen Kaufleute beruhigen: "In den 70er Jahren war es in Schweden auch so wie jetzt bei euch in Deutschland." Der Kaufmann mit 20-jähriger Erfahrung meint damit den Ausverkauf, der in Deutschland lediglich zweimal im Jahr, als Sommer- und Winterschlussverkauf, stattfindet. In Schweden gebe es den Ausverkauf immer und überall, schon seit den Achtzigern, 70 Prozent Rabattgewährung sei "völlig normal". Mit den Rabattkarten hätten Pizzerien und Friseurgeschäfte angefangen, dann auch H & M.

Die anwesenden Kaufleute aus Berlin und Umgebung können sich das nicht so richtig vorstellen. "Und das Rabattgesetz, wann wurde es abgeschafft?", fragt einer. "Das Rabattgesetz gab es in Schweden nie", antwortet Frankelius, "es galten immer die Gesetze des Marktes." Und diese sind hart: Frankelius wollte sich nicht mit seinem Geschäft einer Rabattkarten-Kette anschließen, die Konkurrenz habe ihn gezwungen. Alle Einzelhändler in Kristianstad locken ihre Kunden inzwischen mit der so genannten City-Rabattkarte.

Ein Nullsummenspiel

"Aber die Rabatte werden doch auch in Schweden in die Preiskalkulation einbezogen?", fragt ein Berliner vorsichtig. Frankelius bleibt cool: "Klar, deswegen ist das alles ein Nullsummenspiel." Die schwedischen Kunden wüssten nicht, was die Ware tatsächlich kostet. "Die Kunden sind auch müde von dieser Rabattinflation, etwas Neues muss her", erklärt der Schwede. Zum Beispiel können den Konsumenten Vorteile außerhalb des Handels gewährt werden - Kinokarten, Zeitungsabos, Reiseangebote. "Daher würde ich auch euch raten, mit den Rabattkarten erst gar nicht anzufangen", sagt Frankelius, und Andersson nickt, "sondern gleich mit Dienstleistungen die Kunden an sich binden." Würde Deutschland dem schwedischen Beispiel folgen, dann erzielten nur die ersten großen Handelsketten mit Rabatten Gewinn.

Mit den Ladenschlusszeiten mussten sich die Einzelhändel auch in Schweden den großen Handelsketten anpassen, die täglich von 10 Uhr bis 20 Uhr geöffnet haben. "Kristianstad auf eine besondere Weise", erzählt Ake Andersson. Dort haben sich die Einzelhändel mit der Stadtverwaltung zusammengeschlossen, um im Kampf gegen den Großhandel auf der Grünen Wiese zu überleben. "Damit Kristianstad auch abends lebendig bleibt, investieren die Kaufleute in ihre Stadt." Ein Zuhörer aus Berlin-Brandenburg schüttelt den Kopf: "Darauf können wir in Potsdam lange warten."

Alia Begesheva

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