zum Hauptinhalt
328146_0_896aa401.jpg

© Kai-Uwe Heinrich

Nach drei Monaten: Utz Claassen schmeißt bei Solar Millennium hin

Der Kraftwerkhersteller Solar Millennium verliert seinen Vorstandschef. Dabei hatte der frühere EnBW-Chef Claassen seine neue Stelle erst vor einigen Wochen angetreten. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht – die Anleger reagierten mit Verkäufen.

Berlin - Es hätte ein schöner, erfolgreicher Tag werden können. Hochrangige Scheichs traten als Gastgeber auf, mehrere Topbankiers der Emirate hielten Vorträge, und die deutsche Delegation erkundete die Region per Hubschrauber. Utz Claassen hatte sich einiges davon versprochen, seinen langjährigen Freund, Altkanzler Gerhard Schröder, nach Abu Dhabi zu begleiten – doch dann sagte er kurzfristig ab: Er hatte seinen Rücktritt zu planen.

Am späten Montagabend teilte der Entwickler und Hersteller Solar Millennium dann mit, dass der gerade erst vor zweieinhalb Monaten angetretene Vorstandsvorsitzende dieses Amt niederlegt. „Er beruft sich auf ein ihm eingeräumtes Recht, innerhalb einer definierten Überlegungsfrist sein Amt niederzulegen. Weitere Gründe hat er dem Unternehmen nicht mitgeteilt“, erklärte Solar Millennium. Claassen will dem vorerst nichts hinzufügen. In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel gebrauchte er exakt dieselbe Formulierung. Weitere Erklärungen wolle er nicht abgeben, sagte der 46-Jährige.

Die Folgen für das Erlanger Unternehmen sind unabsehbar. Der Aktienkurs sackte am Dienstag zeitweise um mehr als ein Drittel ab und schloss schließlich mit einem Minus von knapp 20 Prozent bei 23,28 Euro. Zu Jahresbeginn war er fast doppelt so hoch gewesen. Ein Grund für die Kursverluste waren angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Bilanzierung – von der „Wirtschaftswoche“ behauptet, von Solar Millennium stets zurückgewiesen. Ob Claassens Rücktritt mit neuen Erkenntnissen dazu zusammenhängt, ist offen. Wenn es so wäre, dürfte er es wohl aus rechtlichen Gründen nicht sagen.

Auch Claassens Anwalt Klaus Menge hält sich bedeckt. Atmosphärische Störungen zwischen Claassen und dem Aufsichtsrat gebe es jedenfalls nicht. Claassen erhebe nach dem Rücktritt keine weitergehenden finanziellen Ansprüche. Aufsichtsratschef Helmut Pflaumer begrüßte, dass Claassen dem Unternehmen verbunden bleiben wolle.

Von einem Nachfolger war noch nicht die Rede: „Der Aufsichtsrat wird die Geschäftsverteilung im Vorstand zeitnah neu ordnen“, sagte Pflaumer lediglich. Das Gremium besteht jetzt nur noch aus zwei Mitgliedern: Claassens Vorgänger Christian Beltle und Finanzvorstand Thomas Mayer.

Eigentlich hatte Claassen in knapp einem Monat, am 12. April, seine Wachstumsstrategie für das Unternehmen erläutern wollen. Solar Millennium baut solarthermische Kraftwerke, die das Sonnenlicht mit Hilfe riesiger Spiegel nutzen, um Dampfturbinen anzutreiben. Das erste kommerzielle Kraftwerk dieser Art hat das Pionierunternehmen in Spanien ans Netz gebracht. Weitere Anlagen in Spanien, Ägypten und den USA sind geplant. Im laufenden Geschäftsjahr soll der Umsatz um drei Viertel auf 350 Millionen Euro zulegen, der Gewinn aber wegen hoher Anlaufkosten gering ausfallen.

Das Unternehmen gehört dem Desertec-Konsortium an, das 400 Milliarden Euro investieren will, um solche Kraftwerke in Nordafrika zu bauen und so die Stromversorgung in Europa zu ergänzen. Claassen, früher Chef des Energieversorgers EnBW, hatte sogar in Aussicht gestellt, dass die solarthermische Stromerzeugung einmal an die Stelle der Atomkraft treten könne. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false