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Wirtschaft: „Nach vorne ist die Devise“

René Obermann wollte schon immer einen großen Konzern leiten. 20 Jahre Erfahrung in der Branche bringt er mit

Berlin - René Obermann weiß, was man von ihm erwartet, und er weiß auch, was er sagen muss. In seiner kurzen Antrittsansprache vergisst er weder, die fast 250 000 Menschen zu loben, die er nun führen soll. „Ich habe eine große Wertschätzung für die Menschen, die hier arbeiten“, sagt der neue Chef der Deutschen Telekom. Noch vergisst Obermann den Anteilseignern – und zwar den großen wie den kleinen Aktionären – zu versprechen, für eine nachhaltig gute Rendite zu arbeiten. Er weiß selbst: „Das ist ein Spagat.“ Er aber nehme die Aufgabe mit „Respekt und Zuversicht an“. Dann schüttelt er minutenlang die Hand von Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel und lächelt sein jungenhaftes Lächeln reihum in alle Kameras.

Für viele Mitarbeiter mag das Lob erst einmal eine Beruhigung sein. Die drastischen Personalabbaupläne von Kai-Uwe Ricke waren immerhin ein Grund, warum Obermanns Vorgänger seinen Job als Vorstandschef der Deutschen Telekom verloren hat. Doch wer René Obermann kennt, weiß, dass seine Wertschätzung schnell verliert, wer seinen Ansprüchen nicht genügt und wer sein Tempo nicht mithalten kann. Obermann ist ein Perfektionist. Immer wieder bringt er seine Mitarbeiter ins Schwitzen, weil er alle Zahlen, jedes Detail ganz genau wissen will. Niemals geht er schlecht vorbereitet zu einem öffentlichen Auftritt. Wenn ein Produkt nicht funktioniert, ruft er gern persönlich bei den Technikern an. Wenn es funktioniert, ist er zugleich der beste Verkäufer von Handys und Taschencomputern. Seine Begeisterung für die Technik ist ansteckend.

Und Obermann ist schnell: Privat liebt der verheiratete Vater zweier Töchter schnelle Autos und Motorräder, im Job kann kaum einer mit dem Langstreckenläufer mithalten. Mit nur 43 Jahren hat er es jetzt zum Vorstandschef des größten Telekommunikationsunternehmens Europas gebracht. Keiner zweifelt daran, dass er den Markt hervorragend kennt. Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel lobt Obermann als führungsstarke Unternehmerpersönlichkeit – mit einer mehr als 20-jährigen Erfahrung in der Branche.

Obermann ist ein Macher. Er zögert nicht lang. Wenn er von etwas überzeugt ist, wird es umgesetzt. So hat er es immer gehalten, etwa als er nach der Ausbildung zum Industriekaufmann das Volkswirtschaftsstudium kurzerhand schon vor dem Vordiplom abbrach, um Geld zu machen. 1986 gründete er die Firma ABC Telekom und verkaufte Anrufbeantworter und Autotelefone. Das tat er so erfolgreich, dass er das Unternehmen 1991 an den Hongkonger Konzern Hutchison verkaufen konnte. Spätestens da konnte er sich einen Porsche leisten.

Als Chef der späteren Hutchison Mobilfunk lernt er im damaligen Verband der Anbieter von Mobilfunkdiensten auch den Chef von Talkline kennen, Kai-Uwe Ricke. Seither sind die beiden Freunde. Und als Ricke 1998 zur Mobilfunktochter der Telekom geht, nimmt er Obermann als Vertriebsleiter mit. Jede Karrierestufe, die Ricke nimmt, bedeutet von da an auch einen Aufstieg von Obermann. Er wird Deutschlandchef der Mobilfunkfirma, später Chef von T-Mobile International und zieht auch in den Konzernvorstand der Telekom ein. Während der zwei Jahre ältere Ricke als Teamspieler gilt, eher auf Konsens und Ausgleich bedacht, schickt er immer, wenn es Unangenehmes im Konzern durchzusetzen gibt, Obermann vor. „Rickes Bulldozer“ wird er auch genannt.

Obermann setzte in der Mobilfunksparte bereits sein Sparprogramm „Save for growth“ um, als noch gar nicht absehbar war, dass die neuen Billiganbieter auf dem Markt so viel Erfolg haben würden. Er hat die Marktführerschaft von T-Mobile in Deutschland verteidigt. Auch international steht die Sparte glänzend da. Obermann hatte auch kein Problem damit, dass ein Teil seines Erfolges im Mobilfunk zu Lasten der Konzernschwester T-Com im Festnetz ging. Mit T-Com- Chef Walter Raizner lieferte er sich einen internen Wettkampf und gewann. Raizner musste schon vor Obermanns Aufstieg zum Konzernchef einen Teil seiner Macht abgeben.

Auf Obermann kommen jetzt ganz neue Herausforderungen zu. Bisher agierte er auf einem Wachstumsmarkt, in dem es fast immer nur bergauf ging. Nun muss er lernen, sich in einem regulierten Umfeld zu bewegen – und auch mit rund 50 000 Beamten im Konzern klarzukommen. „Wettbewerb ist draußen, nicht im eigenen Haus“, hat er den Mitarbeitern in Bonn am Montagnachmittag zugerufen. „Also Leute, nach vorne ist die Devise.“ Wegbegleiter von früher trauen ihm zu, dass ihm der notwendige Spagat gelingt. Denn neben Schnelligkeit zeigt er im Job Beharrlichkeit und Pragmatismus. Und er kann Menschen motivieren. Andererseits hat er wenig Geduld mit denen, die nicht mitziehen können oder wollen. An Ehrgeiz hat es ihm selbst nie gefehlt: Schon 1990, als Obermann noch Anrufbeantworter und Autotelefone verkaufte, hat er einem Mitarbeiter verraten: „Mein Ziel ist es, in diesem Markt in einem großen Konzern einmal eine große Rolle einzunehmen.“ Zielstrebig, fleißig und präzise wie er arbeitet, hat er dieses Ziel nun erreicht. Das Einzige, was Obermann nicht kann, ist lockerlassen und sich entspannen, sagt einer, der früher mit ihm arbeitete.

Jetzt muss Obermann beweisen, ob ein Unternehmertyp wie er, einer, der nicht von einer Elitehochschule kommt, sondern als Student selbst ein Unternehmen gründete, tatsächlich der Richtige ist, den ehemaligen Staatskonzern Deutsche Telekom auf die Erfolgsspur zu bringen.

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