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Natur gegen Chemie: Statt einer Tablette Calcium kann man auch einen halben Liter Milch trinken, in 100 Gramm Broccoli steckt so viel Vitamin C wie in einer Tablette, und Nüsse enthalten viel Magnesium. Bananen liefern Vitamin B12.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nahrungsergänzungsmittel: Broccoli statt Pille

Vitamine und Mineralien kann man in jedem Supermarkt kaufen. Nötig sind sie nicht – im Gegenteil.

Wenn zu Silvester die Sektkorken knallen, wollen viele auch ihr Leben mit einem Paukenschlag ändern. Weit oben in der Gunst der Deutschen steht der Vorsatz, sich gesünder zu ernähren. Das wollen 44 Prozent der Befragten, ergab eine Forsa-Umfrage aus dem vergangenen Jahr. Direkt dahinter rangiert der Wunsch abzunehmen. Dabei ist die Versuchung groß, mit minimalem Aufwand das maximale Ergebnis herauszuschlagen. Statt die Ernährungsgewohnheiten umzustellen, werden weiter Pommes Frites gegessen, die fehlenden Vitamine schiebt man in Tablettenform nach. Auch abnehmen ist leichter, wenn das Hungergefühl gedrosselt wird. Schlankheitspillen gibt es in Hülle und Fülle, auch im Internet. Das Problem: Was bequem wirkt, kann der Gesundheit schaden.

DAS ANGEBOT

Viele Supermärkte haben inzwischen ein komplettes Regal mit Vitamin- und anderen Tabletten. Denn das Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln boomt. Vor allem weil die Herstellungskosten gering und die Gewinnmargen enorm sind. Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure, schätzt den Reingewinn der Produkte auf bis zu 70 Prozent des Verkaufspreises. Zwar müssen Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin C oder Mineralstoffe beim Bundesamt für Verbraucherschutz angezeigt werden. Anders als Arzneimittel werden sie aber nicht einzeln zugelassen, und es wird auch nicht geprüft, ob sie überhaupt wirken. Auch für die Sicherheit ist allein der Hersteller zuständig. Was unbedingt auf die Verpackung gehört: eine Auflistung der Inhaltsstoffe, die Angabe der empfohlenen Tagesmenge in Prozent und die Warnung, dass diese Menge nicht überschritten werden darf sowie der Hinweis, dass die Mittel keine ausgewogene Ernährung ersetzen. Ohne diese Angaben dürfen die Produkte nicht verkauft werden.

VITAMIN C

Der Hals kratzt, die Erkältung ist im Anmarsch: In dieser Lage hat vermutlich jeder schon zu Vitamin-C-Tabletten gegriffen. Dass dieses Vitamin die Abwehrkräfte stärkt, ist bekannt. Dass es bei extremer Überdosierung gefährlich werden kann, aber nicht. Dann nämlich kann es die Bildung von Nierensteinen begünstigen.

Normalerweise sind Vitamin-C-Präparate jedoch unbedenklich. Was der Körper nicht braucht, wird über den Urin ausgeschieden. Und das geschieht in den meisten Fällen. Die vom Bundesamt für Verbraucherschutz in Auftrag gegebene Nationale Verzehrstudie II untersuchte die Nährstoffversorgung von etwa 20 000 Bundesbürgern. Das Ergebnis: Die Vitamin-C-Versorgung lag im Schnitt weit über 100 Prozent.

MAGNESIUM

Magnesium ist mit Abstand das beliebteste Nahrungsergänzungsmittel der Deutschen. Da bei einem Mangel Muskelkrämpfe auftreten können, schlucken vor allem Leistungssportler die Kapseln oder trinken die aufgelösten Brausetabletten. Allerdings ist unklar, ob künstliches Magnesium vom Körper genauso gut aufgenommen wird wie der natürliche Stoff. Bei einer Kapsel mit der empfohlenen Tagesdosis von 360 Milligramm sind es etwa nur 18 Prozent. Zu viel Magnesium kann außerdem die Aufnahme von anderen wichtigen Mineralien wie Zink oder Eisen hemmen. Sportler sollten deshalb lieber Schwarzbrot und Trockenfrüchte essen. Grundsätzlich gilt: Wer sich ausgewogen ernährt, nimmt alle benötigten Nährstoffe auf und vermeidet gleichzeitig eine Überdosierung.

BETACAROTIN

Schönheit verkauft sich gut. Der Naturfarbstoff Betacarotin, eine Vorstufe von Vitamin A, verhindert die vorzeitige Überalterung von Zellen. Lange hielt sich der Mythos, dass Betacarotin außerdem die Bräunung der Haut unterstützt und als eine Art natürlicher Lichtschutzfaktor gegen Sonnenbrand schützt. Vor einigen Jahren wurde der Markt daher mit ACE-Vitaminsäften mit Betacarotin-Zusatz und Präparaten aus dem Internet überschwemmt. Bis zwei große Studien aus den USA herausfanden, dass der Stoff das Krebsrisiko bei Rauchern stark erhöht. Auch Herzinfarkte kamen bei der Testgruppe deutlich häufiger vor. Wer ohne Risiko braun werden will, sollte sein Geld lieber in einen Flug gen Süden und gute Sonnenmilch investieren.

SINNVOLLE PRÄPARATE

Vor allem Frauen sind oft unterversorgt mit Folsäure, einem Wirkstoff aus der Gruppe der B-Vitamine. Nur wenige Nahrungsmittel – etwa Kalbsleber – enthalten es in größeren Mengen. In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Folsäure an, eine Unterversorgung kann schwere Fehlbildungen des Säuglings zur Folge haben. Hier ist eine Einnahme von Zusatzpräparaten in ärztlicher Absprache oft nötig. Auch bei Eisenmangel kann es sinnvoll sein, mit Nahrungsergänzungsmitteln gegenzusteuern. Abgesehen von solchen Ausnahmen gibt es aber keinen Grund, sie einzunehmen. Häufig sind sie wirkungslos, schlimmstenfalls gefährlich. „Nahrungsergänzungsmittel können beim Hersteller bleiben“, sagt Lebensmittelkontrolleur Martin Müller. „Das ist der einzige, bei dem sie wirklich wirken.“

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