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Einflüsterer. Co-Vorstand Jürgen Fitschen (l.) im Gespräch mit seinem Kollegen Anshu Jain, der immer noch kaum deutsch spricht.

© dapd

Neuausrichtung: Deutsche Bank sucht die Mitte

Das neue Führungsduo der Deutschen Bank wagt den Kulturwandel: Es kassiert Ackermanns Renditeziel und verspricht mehr Kundennähe.

Frankfurt am Main - Es dauert 40 Minuten, bis die beiden Banker auf das Thema zu sprechen kommen, das für sie angeblich die allergrößte Bedeutung hat: dem Kulturwandel in der Deutschen Bank. Schließlich will das Geldhaus da Vorreiter in der Branche sein. Aber zuerst einmal erläutern Jürgen Fitschen und Anshu Jain am Dienstag ihre „Strategie 2015+“, das für unvermeidbar gehaltene Spar- und Wachstumsprogramm. Mit Spannung war der Auftritt des seit gut 100 Tagen amtierenden Vorstandsduos der größten deutschen Bank erwartet worden.

In den kommenden drei Jahren will die Bank die Kosten jährlich um 4,5 Milliarden Euro drücken, mindestens 1500 Stellen fallen weg, nicht benötigte Finanzanlagen im Volumen von 135 Milliarden Euro werden abgestoßen. Die 150 Top-Banker erhalten ihren Bonus nicht nach drei, sondern erst nach fünf Jahren. Und das von Vorgänger Josef Ackermann schon 2011 aufgegebene Nachsteuer-Renditeziel von 25 Prozent kappen Jain und Fitschen um mehr als die Hälfte auf zwölf Prozent.

Die Bank solle wieder in der „Mitte der Gesellschaft“ ihren Platz finden, sagt Fitschen im traditionsreichen Hermann-Josef-Abs-Saal im Frankfurter Bankenviertel. Gleich den gesamten siebenköpfigen Vorstand haben er und Jain mitgebracht. Mehr Transparenz und Offenheit soll das vermitteln. „Die Bank braucht keine Revolution“, sagt der indischstämmige Brite Anshu Jain auf Englisch. Im linken Ohr klemmt der Knopf für die Übersetzung, seine Deutschkenntnisse scheinen noch immer begrenzt zu sein. Es sei aber auch mehr als eine Reparatur vorzunehmen, fügt er hinzu. Und kommt nach vielen Zahlen auf den Kulturwandel zu sprechen. „Nirgendwo anders ist er mehr erforderlich als im Investmentbanking.“

Mit ihren neuen Vorgaben für Bonus- Zahlungen sieht sich die Bank nicht nur in der Finanzbranche, sondern in der ganzen Industrie in der Führungsrolle. Boni für die wichtigsten Manager zahlt die Bank künftig erst nach fünf Jahren und nicht nach drei, Abschlagszahlen dazwischen soll es nicht mehr geben. Wer zwischendrin ausscheidet, droht seinen Bonus zu verlieren. Die Bank wird ein „unabhängiges“ Gremium einberufen – besetzt mit internationalen Führungskräften, mit Wissenschaftlern und Vergütungsexperten –, das die Gehaltssysteme der Bank überprüfen soll. Eine Obergrenze für Management-Gehälter wird es bei der Bank aber auch in Zukunft nicht geben. Bei Verstößen gegen Verhaltensvorschriften wollen Jain und Fitschen keine Gnade mehr walten lassen. „Einzelne Personen können in unserer Industrie großen Schaden anrichten. Wir werden das nicht zulassen“, gibt sich Jain entschlossen.

Genauso entschieden sind die beiden Co-Chefs, von denen Jain klar ersichtlich die dominierende Figur ist, wenn es darum geht, die Bank schlagkräftiger zu machen. „Wir wollen auch in den nächsten Jahren zu den Gewinnern gehören“, sagt Jain. Kritik an ihrem Vorgänger verkneifen sie sich, der Name Josef Ackermann fällt nicht ein einziges Mal bei ihrem knapp zweistündigen Auftritt. Kosten werden in allen Bereichen gedrückt, Doppelarbeiten abgebaut, Prozesse vor allem auch in der IT vereinfacht. Mehr als 40 Immobilien werden abgestoßen, und allein binnen gut eines Jahres 80 Milliarden Euro an Finanzanlagen und Vermögenswerten, die für das Bankgeschäft als nicht mehr notwendig erachtet werden. Die eigens dafür gegründete Einheit habe mit einer „Bad Bank“ aber nichts zu tun. Es handele sich um werthaltige Anlagen.

Wie Ackermann betrachten auch Fitschen und Jain den Heimatmarkt Deutschland als wichtige Basis, um weltweit, vor allem in den USA, in Asien und in wichtigen Schwellenländern erfolgreich zu sein. Die Bank will die Realwirtschaft stützen und das Kreditvolumen bis 2015 um mindestens zehn Milliarden Euro aufstocken. Auch am Prinzip der Universalbank wollen die Chefs nicht rütteln. Jain zufolge darf das Investmentbanking aber nicht mehr so dominant sein. „80 bis 90 Prozent Gewinnanteil des Investmentbankings sind ungesund. Wir brauchen eine bessere Balance.“ Ein konkretes Ziel nennt Jain nicht, aber ein Verhältnis von eins zu eins wäre ihm nicht unrecht, lässt er durchblicken. Konkret wird er mit Blick auf den angestrebten Gewinn im klassischen Bankgeschäft: Er soll von zwei Milliarden im vergangenen Jahr auf drei Milliarden Euro im Jahr 2015 steigen.

Auch mit der klassischen Bank-Sparte will das Geldhaus seine Position unter den fünf führenden Banken der Welt festigen. Die Aktionäre der Deutschen Bank müssen sich dabei möglicherweise bescheiden. Denn die Gewinne wollen Jain und Fitschen zu einem beträchtlichen Teil zur Stärkung des Eigenkapitals nutzen, eine Kapitalerhöhung jedenfalls haben sie nicht im Auge.

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