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Wirtschaft: Neue Energie für Japan

Die Katastrophe wirkt sich auf die Wirtschaft der Stadt kaum aus, aber die Hilfsbereitschaft ist groß

Bei Wolf-Dietrich Braun in der Länderberatung der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) klingelt das Telefon derzeit sehr oft. Die Anrufer sind hiesige Unternehmen, „die sich Sorgen machen, ob die japanische Wirtschaft nach den Katastrophen noch verlässlich ist“, sagt Braun. Der Außenwirtschaftsexperte ist für Handelsbeziehungen nach Japan zuständig und hatte dort vor einigen Jahren während seines Rechtsreferendariats auch gelebt. Im aktuellen IHK-Mitgliederheft, das vor der Krise in Japan gedruckt worden war, lobte Braun die „exzellenten Perspektiven“ für deutsche Firmen und die wirtschaftliche Stabilität in dem asiatischen Land. Nun hat sich die Lage dramatisch geändert, aber langfristig gesehen bleibt Braun bei seiner Einschätzung.

Das menschliche Leid nach Erdbeben, Tsunami und Reaktorkatastrophe mache Berliner Unternehmer sehr betroffen, sagt Braun. Viele Firmen sorgten sich um Mitarbeiter in japanischen Filialen oder Tochter- und Partnerunternehmen. Dennoch wird weiterhin auch wirtschaftlich gedacht, denn die japanische Industrie ist ein wichtiger Zulieferer für Elektronik, Medizintechnik und Kfz-Teile. So fragten Berliner Hersteller von medizintechnischen Geräten bereits bei der IHK an, ob Spezialbauteile aus Japan radioaktiv belastet sein könnten. Braun hat dafür Verständnis, schließlich gebe es bei Technologien im Gesundheitsbereich „null Toleranz“.

Nur von den 75 japanischen Unternehmen in Berlin hat bisher keines den Kontakt zur IHK gesucht, die Kammer könnte wohl auch nicht allzu viel für sie tun. Natürlich ist die Sorge um Mitarbeiter und Angehörige in der Heimat das beherrschende Thema für Beschäftigte der japanischen Firmen. Der Autozulieferer Takata Petri und andere Betriebe wollen sich dazu momentan nicht weiter äußern. Dafür fehle in der angespannten Situation einfach die Zeit, hieß es.

Ein Symbol Japans in Berlin ist das Sony-Center am Potsdamer Platz, auch wenn es 2010 an einen südkoreanischen Pensionsfonds verkauft wurde. Dort residiert die Deutschlandzentrale des Elektronikkonzerns. Wie die Mitarbeiter dort auf die Katastrophen in Japan reagieren, wollte auch Sony-Sprecherin Silke Bernhardt nicht genauer erläutern. Für Hilfsmaßnahmen hat der Konzern aber bereits 2,5 Millionen Euro gespendet. Unternehmerisch gesehen sei „das Kerngeschäft nicht betroffen“, heißt es. Beschädigt seien zwei Fabriken, die auf Speichertechniken spezialisiert sind. Ob es zu Lieferengpässen kommen wird, „können wir nicht abschätzen“.

Im Kfz-Handel gibt es keine spürbaren Folgen, zumal japanische Automarken ihre Modelle für Europa größtenteils in EU-Staaten bauen. Mit elf Standorten in Berlin und dem Umland ist die „Motor Company“ einer der größten deutschen Toyota- und Honda-Händler. „Wir haben in der letzten Woche gut verkauft und am Sonnabend sogar ein neues Modell vorgestellt“, sagt Geschäftsführer Detlef Slupinski. Die Motor Company mit 430 Mitarbeitern hat keine japanischen Wurzeln, sondern ist ein 35 Jahre alter Familienbetrieb. Dennoch sei die Anteilnahme der Kunden an den Schrecken in Japan spürbar, sagt Slupinski: „Die Leute sprechen uns darauf an.“ Das Autohaus unterstützt eine bundesweite Spendenaktion von Toyota und Deutschem Roten Kreuz.

Die nahe dem Potsdamer Platz ansässige Softwarefirma ikv++ Technologies AG hat seit 2007 eine japanische Vertriebstochter. Das Büro liege südlich von Tokio in Nagoya, sagt Prokurist Olaf Irmscher. Mit einem Mitarbeiter in Tokio sei vereinbart, dass er die Stadt jederzeit verlassen dürfe. „Aber die Japaner sind pflichtbewusst“, sagt Irmscher.

Um sich unternehmerisch in Japan zu engagieren, „muss man die Kultur verstanden und einen Partner vor Ort haben“, sagt IHK-Experte Braun. Eine der Hürden sei die Sprache, denn Geschäftsverhandlungen auf Englisch seien die Ausnahme. Eine Erholung der japanischen Wirtschaft hänge vom Wiederaufbau der Infrastruktur ab. Sollten Zulieferteile für längere Zeit nicht hergestellt werden können, bestehe die Gefahr, dass Abnehmer in Deutschland dauerhaft „umsteigen auf Zubauteile aus anderen Ländern“. Andererseits habe der Wiederaufbau nach dem Erdbeben in Kobe 1995 sogar zu einem höheren Wirtschaftswachstum geführt. Darin lägen auch „große Geschäftschancen“ für Berliner Unternehmen. So sieht es auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der mit einer „gewaltigen Nachfrage nach nach Gütern und Dienstleistern“ rechnet.

Gerb Schwingungstechnik etwa liefert Technik für erdbebensichere Fabriken und Gebäude und hat eine japanische Tochter. Die Firma lehnt Auskünfte derzeit jedoch ab. Siemens bot Japan nach dem Beben den Bau von Gaskraftwerken mit Turbinen aus dem Werk in Moabit an, um die Energieprobleme zu lindern. Laut Sprecher Alfons Benzinger soll die Bauzeit nur ein Jahr statt der üblichen zwei Jahre betragen. „Wir würden die Produktion umschichten“, sagt Benzinger, andere Kunden müssten gegebenenfalls länger auf ein Gaskraftwerk warten.

Unterdessen machen sich viele Kunden im Lebensmittelhandel Sorgen darüber, ob sie Sushi oder andere asiatische Spezialitäten nach der Ausbreitung von Radioaktivität um die Atommeiler in Fukushima noch genießen können. Dies sei weiterhin unbedenklich, betont Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Zum einen kämen viele Lebensmittel, die als japanisch gelten, aus anderen Ländern. Vor allem aber werde im Lebensmittelhandel „genauestens geprüft, auch weit unterhalb der staatlichen Grenzwerte“.

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