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Wirtschaft: Neue Jobs für Berlin: Bunte Erfahrung statt grauer Arbeitsamts-Flure

Im Personalgeschäft ist Jürgen Warner ein alter Hase. Zuletzt war er als Leiter für Personalentwicklung bei einem großen Elektro-Konzern in Berlin beschäftigt.

Im Personalgeschäft ist Jürgen Warner ein alter Hase. Zuletzt war er als Leiter für Personalentwicklung bei einem großen Elektro-Konzern in Berlin beschäftigt. Auf dem Arbeitsmarkt allerdings zählt er mit seinen 57 Jahren bereits zum alten Eisen. Personalleiterin Dagmar Moch, 49 Jahre alt und seit über einem Jahr ohne Festanstellung, teilt Warners Schicksal: Trotz jahrzehntelanger Berufserfahrung gilt sie beim Arbeitsamt als schwer vermittelbar. "Hier liegt Know-how brach, von dem die Wirtschaft profitieren könnte", sagt Gerhard Neuke vom Bildungswerk der Wirtschaft in Berlin und Brandenburg (bbw). Genau an diesem Punkt setzt das Projekt "Externe Personaldienstleistung" an, das Neuke betreut: Einerseits ist Berlins Unternehmenslandschaft von kleinen und mittelständischen Betrieben geprägt, die aus Kosten- und Kapazitätsgründen keine systematische Personalarbeit betreiben können. Andererseits setzen Großkonzerne zunehmend auf schlanke Strukturen und reduzieren auch in der Personalabteilung den Mitarbeiterbestand.

Das bbw-Projekt bringt nun zusammen, was zusammen gehört: "Wir bieten dem Mittelstand das Know-How der freigewordenen Fachkräfte an", erklärt Neuke. Kleinere Unternehmen könnten so die Beratung rund ums Personalwesen je nach Bedarf von außen einkaufen. Vor allem aber eröffnet das Projekt den arbeitssuchenden Personal-Profis eine neue berufliche Perspektive. Und die insgesamt 250 Jahre Berufserfahrung, welche die bislang elf Projektteilnehmer zu bieten haben, sind gefragt: Besonders die jungen Start-ups besinnen sich derzeit auf die traditionellen Werte der Old Economy und wollen von den "Alten" lernen.

Zu den ersten Unternehmen, das die Dienste der bbw-Gruppe in Anspruch genommen hat, gehört die Internetfirma Dooyoo, die eine virtuelle Verbraucherplattform betreibt. "Die Strukturen des rasant gewachsenen Unternehmens sind den Mitarbeiterbedürfnissen nicht mehr gerecht geworden", schildert Jürgen Warner das Problem. Neukes Beraterteam erarbeitete ein Konzept für strategische Personalentwicklung. Eine der wichtigsten Punkte darin war ein Workshop, in dem die Dooyoo-Führungskräfte in Sachen Personalmanagement trainiert wurden - von der Mitabeiterorganisation bis hin zur Leistungsentlohnung und Fortbildung. "Unsere Arbeit ist eingeschlagen wie eine Bombe", freut sich Warner. Auch Dooyoo-Chef Felix Frohn-Bernau ist zufrieden: "Durch den Austausch mit erfahrenen Personalleuten haben wir gelernt, dass man sich in einem so sensiblen Bereich wie Human Ressources nicht auf guten Willen und Learning by Doing verlassen kann."

Warners Kollegin Dagmar Moch hat die 50 Technologie- und Gründerzentren in Berlin als lukrativen Markt für Personaldienstleistungen entdeckt. "Hier sitzen Dutzende von kleinen Firmen unter einem Dach", sagt sie. Und über die Betreibergesellschaften der einzelnen Zentren seien alle Betriebe zu erreichen. Deshalb hat Dagmar Moch zusammen mit anderen Projektteilnehmern im Gründerzentrum Wildau für Ende April einen Informationstag unter dem Motto "Wir sind für Sie da - externe Personalleiter vor Ort" geplant. Zu der Veranstaltung sind über 100 Firmen eingeladen. Auf dem Programm stehen Themen, die besonders für den Mittelstand von Bedeutug sind - beispielsweise Teilzeitarbeit oder geringfügige Beschäftigung. "Wir wollen Kleinunternehmern deutlich machen, dass professionelle Personalarbeit Wettbewerbsvorteile bringt", sagt Moch über das Ziel der Veranstaltung.

Die Überzeugungsarbeit zahlt sich aus: Seit Projektstart im vergangenen September haben die Teilnehmer fast 40 Aufträge an Land gezogen: Die Druckvogt GmbH wurde bei der Suche und Einstellung einer Lohnbuchhalterin beraten, für den Kunststoffhersteller Novapack eine Strategie zur Senkung des Krankenstandes entwickelt. Zu den großen Fischen gehört das Projekt bei dem Schienenfahrzeugbauer Adtranz. Projektteilnehmer Hermann Wagner, ehemals in der Führungsetage des amerikanischen Konzerns Digital Equipment beschäftigt, arbeitet hier an einer Vereinheitlichung der Personalentwicklung.

Neben der praktischen Tätigkeit wird die Projektgruppe auf Seminaren des bbw in Sachen EDV, Internet und Arbeitsrecht auf den neuesten Stand gebracht. "Durch die berufliche Tätigkeit und die Weiterbildungsmaßnahmen machen wir die Leute fit für den Arbeitsmarkt", beschreibt Neuke das Konzept. Denn das Ziel ist, alle Teilnehmer baldmöglichst wieder in Lohn und Brot zu bringen. Sei es durch die Firmenkontakte, die während der Projektdauer entstehen, oder durch parallel laufende Bewerbungen. "Bei Vorstellungsgesprächen können die Teilnehmer dann von ihrem beruflichen Engagement erzählen, anstatt von den grauen Fluren im Arbeitsamt", sagt Neuke.

Die Projekt-Gruppe selbst überlegt derzeit eine dritten Möglichkeit. Nach den bisherigen Erfolgen, die das Team erreicht hat, arbeiten die Personal-Experten gerade an einem Business-Plan in eigener Sache: Sie wollen sich selbstständig machen und ein Personaldienstleistungs-Unternehmen gründen. Anfang April ist das zweite Projekt mit 16 Teilnehmern angelaufen, und Gerhard Neuke sucht noch Verstärkung für sein neues Team.

Dagmar Rosenfeld

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