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Wirtschaft: Neue Studie: Oft hilft nur noch der Abriss

Bei zwölf Prozent der deutschen Eigenheime lohnt sich eine Sanierung nicht, neu zu bauen wäre billiger

Müssen in den nächsten Jahren in Berlin 39 000 Ein- und Zweifamilienhäuser sowie 13 500 Mehrfamilienhäuser abgerissen werden, weil sie nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügen und auch nicht mit vertretbarem Aufwand saniert werden können? Dies legt eine neue Studie nahe, die mehrere in der Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“ zusammengeschlossene Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft vorgelegt haben. „Wo energetische und altersgerechte Anpassungen des Altbestandes nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich sind, sprechen wir uns für Abriss und Neubau aus“, sagt Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes.

Ermittelt hat die genannte Zahl die in Kiel ansässige Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen. Das seit 1946 existierende Forschungsinstitut wertete mehrere Zehntausend Gebäudedaten aus ganz Deutschland aus. Dabei kam es zu zwei zentralen Ergebnissen: Zum einen ist der energetische Gebäudezustand im Durchschnitt besser als, im allgemeinen dargestellt. Lediglich vier Prozent der vor 1978 errichteten Wohnhäuser seien überhaupt nicht saniert, sagt Studienverfasser Dietmar Walberg. Im Durchschnitt hat nach den Zahlen der Arbeitsgemeinschaft ein Ein- oder Zweifamilienhaus einen Energieverbrauchskennwert von 172 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, ein kleineres Mehrfamilienhaus (maximal zwölf Wohnungen) einen Kennwert von 145 Kilowattstunden. Im Spektrum des Energieausweises, den jeder Mieter oder Käufer auf Verlangen einsehen kann, bewegen sich diese Werte im Mittelfeld. Ein energetisch vorbildliches Passivhaus dagegen benötigt weniger als 15 Kilowattstunden Energie pro Quadratmeter und Jahr für Heizung, Lüftung und Warmwasserbereitung.

Zweite Erkenntnis der Fachleute: Für ungefähr zwölf Prozent der Ein- und Zweifamilienhäuser sowie der kleineren Mehrfamilienhäuser rechnet sich eine Sanierung nicht. Die Kosten wären so hoch, dass sich für denselben Betrag das Haus abreißen und neu bauen ließe – und zwar so, dass es nicht nur den Anforderungen der Energieeinsparverordnung (Enev) genügt, sondern auch barrierearm ist.

Ein wichtiger Grund hierfür liegt laut Studienautor Walberg darin, dass Bestandsgebäude oft nicht nur energetisch veraltet sind, sondern auch einen unpassenden Grundriss und eine schlechte Schalldämmung haben sowie kaum barrierearm umzubauen sind. Würde man sie lediglich energetisch verbessern, trüge dies nach Ansicht Walbergs dazu bei, „die bestehenden und künftig noch verstärkt auftretenden Nutzungsschwächen der Altbauten zu konservieren“.

Den Daten der Arbeitsgemeinschaft zufolge muss der Eigentümer eines Einfamilienhauses zwischen 850 und 1300 Euro pro Quadratmeter investieren, um sein Heim auf den energetischen Stand der Enev zu bringen und gleichzeitig Barrieren zu reduzieren. Bei kleineren Mehrfamilienhäusern beträgt die Kostenspanne zwischen 1150 und 1650 Euro pro Quadratmeter. Kommt es darüber hinaus zu Grundrissanpassungen größeren Umfangs, ist bei Mehrfamilienhäusern sogar mit Kosten zwischen 1550 und 2200 Euro pro Quadratmeter zu rechnen – mehr, als ein Abriss des Gebäudes mit anschließendem Neubau kosten würde.

Unumstritten sind diese Zahlen allerdings nicht. Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) kommt in einer Studie zu einer völlig entgegensetzten Einschätzung: Die energetische Sanierung von Wohnhäusern sei nicht nur machbar, sondern in den meisten Fällen nicht einmal mit einer zusätzlichen finanziellen Belastung verbunden. Steigere ein Eigentümer die Energieeffizienz seines Wohnhauses auf den Standard eines Effizienzhauses 70 (dieses verbraucht nur 70 Prozent so viel Energie, wie laut Enev zulässig wäre), so koste ihn dies Mehraufwendungen von 158 Euro pro Quadratmeter. Um diese wieder hereinzubekommen, müsse er die Miete um 0,82 Euro pro Quadratmeter erhöhen. Gleichzeitig reduzierten sich die Energiekosten für den Mieter aber um 0,92 Euro – unter dem Strich sinke die Gesamtmiete also leicht.

Doch auch diese Rechnung wird angezweifelt. Die Ergebnisse der Dena-Studie seien „in Teilen schlichtweg falsch“, so Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der die Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften vertritt. Hauptkritikpunkt: Die Studie berücksichtige nur die Mehrkosten für die energetische Verbesserung, nicht die Instandsetzungskosten – mit dem Argument, diese müssten sowieso aufgebracht werden. Das widerspreche aber einer korrekten Wirtschaftlichkeitsberechnung.

Tatsächlich zeigt ein Blick in die Dena-Daten, dass die Gesamtkosten im Einzelfall hoch sein können. Zum Beispiel bei einem Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungen in der Schönerlinder Straße in Berlin-Pankow, das von der Dena den ersten Preis im Wettbewerb „Deutschlands schönste Effizienzhäuser“ erhielt: Für die umfassende Sanierung gab der Eigentümer des 1888 errichteten Gebäudes 1465 Euro pro Quadratmeter aus.

Die Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“ hat allerdings eher die Nachkriegsbauten aus den fünfziger und sechziger Jahren ins Visier genommen. Tatsächlich denken derzeit auch in Berlin viele Investoren in attraktiven innerstädtischen Lagen über den Abriss von Mehrfamilienhäusern aus dieser Zeit nach. Etwas allerdings sollte man dabei nicht übersehen: Günstige Mietwohnungen werden auf diese Weise nicht entstehen – errichtet werden sollen in aller Regel Eigentumswohnungen im gehobenen Segment.

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