zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Neue US-Regierung: Schwieriger Start für Bushs künftige Minister

Dank der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) kann Europa eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums jenseits des Atlantiks besser verkraften als früher. Davon ist Jean-Claude Trichet, der Gouverneur der Banque de France, überzeugt.

Dank der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) kann Europa eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums jenseits des Atlantiks besser verkraften als früher. Davon ist Jean-Claude Trichet, der Gouverneur der Banque de France, überzeugt. "Früher hieß es, wenn die USA einen Schnupfen haben, bekommt Europa eine Lungenentzündung. Diese Zeiten sind vorbei", sagte Trichet im Gespräch mit dem Handelsblatt. "Mit 300 Millionen Verbrauchern hat der europäische Binnenmarkt selbst die kritische Masse erreicht. Europa kann heute mehr denn je zuvor auf der Grundlage seiner eigenen Ressourcen wachsen." Den Euroskeptikern in Deutschland und Frankreich, die auf den stetigen Wertverfall des Euro gegenüber dem Dollar seit seiner Einführung verweisen, gibt Trichet zu bedenken: "Wäre der Euro am 1. Januar 1999 nicht eingeführt worden, hätten auch die nationalen Währungen wohl die gleiche - anomale und ungerechtfertigte - Entwicklung genommen. Ich bin sicher, dass Mark und Franc in etwa die gleichen Kursschwankungen durchgemacht hätten wie der Euro."

Trichet zufolge kehren sich aber die transatlantischen Nettokapitalströme gerade um, die Mitursache der Euroschwäche sind. "Nach einem Nettokapitalabfluss bei Direktinvestitionen aus der Eurozone in 1999 registrieren wir für 2000 einen Nettozufluss in die Eurozone. Es ist also falsch, von einer Kapitalflucht aus Europa zu reden. Die USA und andere Länder mit einem Defizit von rund vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) müssen doch wohl Vermögensaktiva verkaufen, um dieses Defizit zu finanzieren." Mit seiner Sorge über die immer größeren Zahlungsbilanzdefizite der Industrieländer im Allgemeinen und der USA im Besonderen hält der Gouverneur der Banque de France nicht hinter dem Berg. Ein nicht unerheblicher Teil der Weltersparnis werde zur Deckung der Defizite der großen Industrieländer benötigt. "Kann man behaupten, dass die Weltwirtschaft richtig funktioniert, wenn das kumulierte Zahlungsbilanzdefizit der OECD-Länder von 1999 bis 2001 rund 900 Milliarden Euro erreicht? Wer finanziert dieses Defizit der Industrieländer? Die aufstrebenden Volkswirtschaften, die Transformationsländer und die Entwicklungsländer. Kann das auf Dauer gut gehen?"

Für die Wirtschaft der Europäischen Union zeigt sich Trichet gemäßigt optimistisch. "Natürlich muss man sehr vorsichtig bleiben. Aber die internationalen Experten stimmen darin überein, dass Europa es auf ein stetiges Wirtschaftswachstum von etwa drei Prozent bringen könnte. Es ist unsere Pflicht in der EZB, für Preisstabilität zu sorgen, die wiederum ein anhaltendes Wachstum und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen sichert." Dies bedeute, dass die jährliche Inflationsrate zwei Prozent nicht übersteigen dürfe.

Ob die Zinsen in der Eurozone nach der Analyse des Rats der Notenbankpräsidenten unter Wim Duisenberg erneut angehoben werden, ließ er offen. Wie vor drei Jahren auf dem EU-Gipfel in Brüssel beschlossen, dürfte Jean-Claude Trichet der Nachfolger von Wim Duisenberg werden, des derzeitigen Präsidenten der EZB. Er sagt dazu nur: "Wir haben einen ausgezeichneten Präsidenten, der das volle, einmütige Vertrauen des Rats besitzt." Er stellt sich entschieden hinter die Geld- und Kommunikationspolitik im Frankfurter Eurotower. Er meint, die EZB habe als erste ein Transparenz-Konzept eingeführt: "Wir haben gleich am 1.1.1999 beschlossen, monatlich Real-Time-Diagnosen des Eurosystems vorzulegen. Damals veröffentlichte die US-Notenbank Fed ihre Analysen erst sechs Wochen nach ihren Sitzungen." Trichet wendet sich energisch gegen die Kritik, die der EZB eine unzureichende Kapitalmarktanalyse vorwirft. "Die unter der Leitung von Ottmar Issing arbeitenden EZB-Ökonomen haben hervorragende Arbeit geleistet, insbesondere dank der Analysen und Informationen der nationalen Notenbanken. Die Eurozone wird gesteuert aufgrund der Erfahrungen und Traditionen der Deutschen Bundesbank, der Banque de France und der anderen nationalen Zentralbanken, welche die geldpolitischen Konvergenzkriterien erfüllt haben. Damit ist klar, dass die Fundamente unserer Arbeit sehr solide sind." Für Trichet ist das immer stärkere Vertrauen in die nationalen Notenbanken und die EZB eine in ihrer Bedeutung kaum zu unterschätzende Errungenschaft. Die Vorstellung, dass etwa die Banque de France oder andere Euro-Zentralbanken nicht unabhängig seien, "stimmt nicht mit dem institutionellen Rahmen des Maastrichter Vertrages überein. Folglich hat eine öffentliche Diskussion, die diese Unabhängigkeit in Frage stellt, keinen Sinn."

Was die Bankenaufsicht betrifft, so unterstreicht Trichet die Notwendigkeit einer reibungslosen Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden, die weiterhin auf nationaler Ebene angesiedelt sind. Das Eurosystem unterstützt eine enge Verbindung zwischen Aufsichtsbehörden und Zentralbanken. Mit dem Thema Bankaufsicht hat Trichet nicht immer die besten Erfahrungen gemacht. Wie gegen seinen Amtsvorgänger läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen seiner Beteiligung an der Prüfung der Jahresabschlüsse der Großbank Crédit Lyonnais vor deren Reprivatisierung. Auch gegen zwei Ex-Finanzminister wird ermittelt. Zu diesen Vorgängen, die vor seiner Berufung in die französische Notenbank liegen, schweigt Trichet.

abo, egl

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false