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Wirtschaft: Neuer Anlauf im öffentlichen Dienst

Die Bundesländer und Verdi verhandeln in Potsdam über längere Arbeitszeiten und weniger Urlaubsgeld

Berlin – Die Chancen für einen Kompromiss im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes sind so gut wie seit Monaten nicht. Der stellvertretende Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Länder, Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer, betonte auf Anfrage den Einigungswillen der Arbeitgeber. Die TdL unter Führung des niedersächsischen Finanzministers Hartmut Möllring will am Donnerstag und Freitag in Potsdam mit Verdi und der dbb-Tarifunion des Beamtenbundes über eine Lösung für die rund 800 000 Beschäftigten der Bundesländer verhandeln; Berlin und Hessen, die beide der TdL nicht angehören, sind nicht betroffen.

Im Kern der Auseinandersetzung steht die Forderung der Arbeitgeber nach einer Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden sowie nach Kürzungen des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes. Dagegen streikt Verdi seit Februar. Anfangs betraf der Arbeitskampf auch die Kommunen, doch dort wurden bereits vor Wochen Kompromisse gefunden. Anders bei den Ländern. Am 11. März waren in Berlin die vorerst letzten Verhandlungen geplatzt, obwohl die Gewerkschaft nach Angaben von Verdi-Chef Frank Bsirske Kürzungen beim Gehalt akzeptieren wollte, die in der Summe und für alle 14 betroffenen Bundesländer Einsparungen von 100 Millionen Euro im Jahr gebracht hätten. Doch die Zugeständnisse bei der Arbeitszeit gingen Möllring und den CDU-regierten Ländern nicht weit genug. Verdi wollte einer Verlängerung der Arbeitszeit nur für die höheren Entgeltgruppen zustimmen. Damals kam es zum Eklat im Arbeitgeberlager. Möllrings Stellvertreter, der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner, warf Möllring vor, die „Kapitulation“ von Verdi zu fordern und nicht wirklich einen Kompromiss anzustreben. Stegner ist inzwischen turnusgemäß aus der TdL-Spitze ausgeschieden und von dem Brandenburger Speer ersetzt worden. Speer hat nun in den letzten Tagen zahlreiche Sondierungsgespräche geführt, unter anderem zweimal mit Bsirske. Der traf sich überdies am vergangenen Montag in Hannover mit Möllring. Gesprächsinhalte wurden nicht bekannt. Bekannt ist dagegen, dass vor allem Bayern und Thüringen auf einer deutlichen Verlängerung der Arbeitszeit beharren und besonders Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld das Messer tief ansetzen wollen.

„Die Zentrifugalkräfte in der TdL sind groß“, sagt ein Insider. Wenn es aber jetzt in Potsdam zu keiner Einigung komme, fliegt die Tarifgemeinschaft vermutlich auseinander. Verdi würde dann versuchen, mit einzelnen Ländern Tarifverträge zu schließen. Der Flächentarif für den öffentlichen Dienst wäre dann auch am Ende. Für die beim Bund und den Kommunen beschäftigten Arbeiter und Angestellte hatte Verdi mit den Arbeitgebern Anfang letzten Jahres eine umfangreiche Reform des öffentlichen Tarifrechts vereinbart, die an Stelle des Bundesangestelltentarifs (BAT) trat.

Damals hatten sich Bund und Kommunen eine Meistbegünstigungsklausel festschreiben lassen: Wenn Verdi mit den Bundesländern eine Einigung erzielt, dann gilt die auch für Bund und Kommunen. Sollte sich Verdi auf eine längere Arbeitszeit bei den Ländern einlassen, beträfe das auch die Kommune. Da die Gewerkschaft das ihren Beschäftigten kaum zumuten kann, ist diese Klausel die größte Hürde vor einer Einigung.

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