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Der Neue beim BDI: Ulrich Grillo.

© dapd

Neuer BDI-Chef: Ulrich Grillo: "Ich bin energieintensiv"

Ulrich Grillo ist an diesem Montag zum BDI-Präsidenten gewählt worden. Er rühmt sich seines guten politischen Netzwerks – er wird es brauchen. Ein Porträt.

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich Konzernmanager und Familienunternehmer an der Spitze des Bundesverbands der Deutschen Industrie abwechseln. Der scheidende Präsident Hans-Peter Keitel kam von Hochtief, dem größten deutschen Baukonzern, der allerdings inzwischen von Spanien aus gelenkt wird. Nachfolger Ulrich Grillo, der am heutigen Montag gewählt wird und das Amt zum Jahreswechsel übernimmt, kommt von der Grillo-Werke AG und verkörpert den Typus des alteingesessenen Unternehmers. Die Grillos sind ein Begriff im Ruhrgebiet, so wie die Thyssens, Krupps, Haniels. Darauf ist der neue Präsident stolz. „Wir Grillos haben immer etwas für die Gesellschaft getan.“

Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Ein Grillo samt Siegelring und Grillo-Emblem im Knopfloch ist er zwar, aber der 53-Jährige stammt aus der dynastischen Linie der Habenichtse. Nicht einmal zwei Prozent des Unternehmens gehörten seinem Familienzweig ursprünglich. Dass er an die Spitze des Zinkmetall- und Schwefelchemiekonzerns in Duisburg rückte, hat er höchstens am Rande seinem Namen zu verdanken. Das Geld und die Macht hat immer noch der Familienzweig seiner Kusine Gabriela Grillo. Die 60-jährige ehemalige Dressurreiterin – ihre größten Erfolge erzielte sie auf einem Pferd namens „Ultimo“ – ist direkte Nachfahrin von Gründer Wilhelm Grillo, sie leitet den Aufsichtsrat. Bei ihr musste Ulrich Grillo nachfragen, ob er das mit dem BDI machen darf. Dabei gehören ihm heute rund zehn Prozent – dafür hat er sich hoch verschuldet.

Im Zinkwalzwerk in Datteln bei Dortmund ist er Chef ohne Einschränkungen. In einem schmalen Glencheck-Zweireiher mit lila Nadelstreifen schreitet er bei einem Rundgang mit Journalisten durch die Hallen, erklärt jede Maschine und schüttelt Arbeitern links und rechts die Hände. Das Werk gehört zur Rheinzink AG, die für rund die Hälfte des Jahresumsatzes von 600 Millionen Euro steht, den die Grillo-Werke AG erzielt. Er kennt den Standort gut, hat ihn selbst eine Weile geleitet. Bis heute lässt er sich täglich vom Pförtner eine Mail schicken, wie viele Lastwagen für den nächsten Tag erwartet werden. „Ich weiß so besser, was hier läuft, als mancher, der hier arbeitet“, sagt Grillo und zeigt auf sein Blackberry. „Egal, wo ich aufwache, das Ding habe ich immer dabei.“

Er geht: Hans-Peter Keitel kam vom Baukonzern Hochtief.
Er geht: Hans-Peter Keitel kam vom Baukonzern Hochtief.

© picture alliance / dpa

Er ist viel unterwegs, der Werkstoff Zinkblech ist eine Marktnische, in der es Rheinzink zum globalen Marktführer gebracht hat. Aus dem eigentlich austauschbaren Produkt Regenrinne ist in Deutschland mit Rheinzink sogar ein Markenartikel geworden. Manche Marketingidee floppte allerdings auch. Das Empfangsgebäude in Datteln zeugt davon. Die spitz zulaufenden Fenster und Giebel sollen Kristallstrukturen nachahmen, innen befindet sich kaum eine gerade Wand. Der Entwurf für das Fertighaus stammt vom Architekten Daniel Libeskind, als Libeskind-Villa sollte es weltweit vermarktet werden. Stilprägend sind die Zinkblechverkleidungen, insgesamt drei Tonnen schwer, so kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit. Aber die Bauweise war doppelt so teuer wie geplant, und es fanden sich keine Abnehmer. Und so kam das ansonsten unscheinbare Werk zu einem Empfangsgebäude, das es in Architekturzeitschriften schaffte, und Ulrich Grillo zur Bekanntschaft mit dem Mann, der in New York die neuen Wolkenkratzer am Ground Zero baut.

Das Prunkstück des Werks befindet sich in einer Halle, die mit Zinkblechplatten verkleidet ist, obwohl es hier eigentlich keine schmückende Fassade braucht. Eine Plakette weist das Gebäude feierlich als Herbert-Grillo-Halle aus. Mehr als einen Kilometer lang ist das Band, auf dem Zinkblech vorbewittert wird: Witterungseinflüsse werden durch chemische Behandlung gleichsam vorweggenommen. Die Bleche verlieren den Glanz, kommen mit matter Oberfläche aus der Produktionsstraße, so mögen es Architekten.

Und vielleicht ist es das Prinzip der Vorbewitterung, dem sich auch der designierte BDI-Präsident ausgesetzt hat. Ulrich Grillo kam nicht aus dem Nichts. Er war seit 2006 Präsident der Wirtschaftsvereinigung Metalle, die Mitglied beim BDI ist, und seit 2011 ist er BDI-Vizepräsident. Er hat in dieser Funktion Bundeskanzlerin Angela Merkel nach China begleitet und ihren Vorgänger Gerhard Schröder nach Indien. Vor allem aber hat er die „Allianz zur Rohstoffsicherung“ erfunden, die von zwölf deutschen Industriekonzernen getragen wird und sich an Rohstoffprojekten beteiligen soll. „Wir arbeiten gemeinsam an dem Aufbau eines schlagkräftigen Unternehmens, das die Rohstoffsicherheit Deutschlands nachhaltig verbessern soll“, ließ sich Grillo vor zehn Monaten zitieren. Ob und wie gut diese Allianz funktionieren wird, ist bis heute völlig offen. Sicher ist aber, dass sie eine Art Gesellenstück des parteilosen Ulrich Grillo im politischen Berlin ist. Seitdem hat er, so sagt er, „ein gutes Netzwerk in alle Parteien“ außer den Linken und den Piraten. Und sicher ist auch, dass er auf dem Weg in das Präsidentenamt zielstrebig vorging. „Ich habe immer mal gedacht: Könnte ich das auch?“ Sein Stil hat sich in dieser Zeit geändert. Die unscheinbare randlose Brille wurde abgelöst von dem dunkel gerandeten, markanten Hauptstadtpolitikermodell. Und er sei geschliffener im Umgang geworden, wirke nicht so brüsk wie früher, sagt einer, der ihn schon länger beobachtet.

Vor dem Eintritt bei Grillo vor gut einem Jahrzehnt, lag eine geradlinige Karriere: Abitur, Bundeswehr, Banklehre, Betriebswirtschaftsstudium, Unternehmensberater. Dann ging er zu Rheinmetall, wo er es bis zum Vize-Vorstandschef der Wehrtechniksparte brachte. Mit Anfang 40, als er in den Vorstand der Grillo-Werke AG wechselte, war er ein Topmanager, der auch ohne den Namen Grillo Karriere hätte machen können. Drei Jahre brauchte er bei Grillo, um den Chefposten zu übernehmen, beim BDI steigt er nun binnen zwei Jahren vom Vize zum Präsidenten auf.

Was er im Amt vorhat, lässt er bisher offen. Scharfe Töne sind von ihm kaum zu erwarten. „Nur Meckern ist schlecht. Das ist nicht die Art der Grillos.“ Vermutlich wird die Energiewende sein zentrales Thema. „Ich bin energieintensiv“, sagt er mit Blick auf seine Branche und verspricht doch, auch bei diesem kontroversen Thema für Ausgleich zu sorgen. „Ich habe zumindest das Ziel, eine einheitliche Positionierung hinzubekommen.“ Ebenso wenig setzt er beim Euro auf Krawall. „Grundsätzlich hat der BDI die richtige Haltung vertreten. Wir können uns nicht leisten, dass der Euro auseinanderkracht.“

Doch ob sich der BDI vornehme Zurückhaltung leisten kann, muss sich zeigen. Die Konkurrenz der Wirtschaftsverbände wächst. Beim Euro hat der Verband Die Familienunternehmer einen sehr kritischen Ton angeschlagen, der vielen Unternehmern aus der Seele spricht. Und im März startet mit Eric Schweitzer ein ausgesprochen ehrgeiziger neuer Präsident beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Der Chef von Alba aus Berlin ist mit 47 Jahren jünger als Grillo und im politischen Berlin ebenfalls bestens vernetzt. Und obwohl der DIHK mittelständischer geprägt ist als der BDI, kommt Schweitzers Unternehmen auf fünfmal mehr Umsatz als das von Grillo.

Beim BDI hofft man darauf, dass der Neue sich mehr als sein Vorgänger für die Themen und Termine des Verbands einspannen lässt, doch das ist nicht sicher. „Ich muss nicht von einem Empfang zum anderen rennen“, sagt er. Der Druck ist gewaltig, dazu kommt sein Job im Unternehmen. Weder für seine Töchter – 14 und 18 – noch für Hobbys wird da viel Zeit bleiben. Sein Golf-Handicap beträgt 19,4, er hat es schon länger schleifen lassen. Daran wird er wohl frühestens nach zwei Amtszeiten ab 2017 wieder arbeiten können.

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