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Der neue DIW-Chef: Marcel Fratzscher.

© Olaf Storbeck

Neuer DIW-Chef Fratzscher: Kompetent und medientauglich

Das Berliner DIW bekommt einen neuen Chef: Die Findungskommission plädierte "einmütig" für Marcel Fratzscher. Er decke die "aktuellen Themen" gut ab, hieß es. Als Favorit galt aber eigentlich jemand anderes.

Berlin - Der neue Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt von der Europäischen Zentralbank (EZB). Die sogenannte Findungskommission des Instituts plädierte am Dienstag „einmütig“ für Marcel Fratzscher. Nun ist es Aufgabe des Kuratoriums, auf seiner nächsten Sitzung im August den neuen Chef des größten deutschen Wirtschaftsinstituts zu bestellen.

Am Montag und Dienstag hatten sich vier Kandidaten der Findungskommission präsentiert. Ansgar Belke, unter anderem Forschungsleiter für „Internationale Makroökonomik“ am DIW, zog seine Kandidatur zurück. Für Fratzscher hat dann womöglich den Ausschlag gegeben, dass er „die aktuellen Themen sehr gut abdeckt“, wie es in Ökonomenkreisen heißt. Gemeint ist die Finanz- und Währungskrise in Europa.

Tatsächlich verfügt Fratzscher da über reichlich Expertise. Er arbeitet seit 2001 für die EZB, seit 2008 als Leiter der 24-köpfigen Abteilung „Internationale wirtschaftspolitische Analysen“. In dieser Funktion befasste er sich unter anderem mit globalen Wirtschafts- und Finanzfragen und der Finanzarchitektur. Auf seiner eigenen Internetseite heißt es, er konzentriere sich bei seiner Forschung „auf angewandte Fragen der Makroökonomie, monetäre Ökonomie und Finanzwissenschaft“. Der Vorsitzende des DIW-Kuratoriums, Bert Rürup, erwartet sich von Fratzscher „neue Impulse für einen Ausbau der makroökonomischen Kompetenz des Instituts wie für die theoriegeleitete und empirisch fundierte Politikberatung“.

Tatsächlich hat das DIW in den vergangenen Jahren an Einfluss verloren, was auch damit zusammenhängt, dass es nicht mehr am Gemeinschaftsgutachten zur wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt ist. Schließlich war das Institut ins Gerede gekommen, nachdem der Berliner Landesrechnungshof einen fahrlässige Umgang mit öffentlichen Mittel kritisiert hatte. Das Institut mit etwa 180 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von rund 20 Millionen Euro wird vom Land Berlin und vom Bund finanziert. Im Zuge der Finanzaffäre war der langjährige DIW-Präsident Klaus Zimmermann Anfang 2011 zurückgetreten. Seitdem leitet der DIW-Wissenschaftler Gert Wagner das Institut.

Als Favorit auf den Chefposten galt in Fachkreisen eigentlich Daniel Gros, der Direktor des Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel. Gros hat beim IWF gearbeitet, die EU-Kommission beraten, ebenso das Europäische Parlament, Regierungen und Notenbanken. Seine Expertise in Währungsfragen ist bei politischen Institutionen ebenso gefragt wie bei den Medien. Zum Beispiel plädierte Gros kürzlich für einen Bankenrettungsfonds für die Euro-Zone.

Kaum Chancen waren dagegen Dalia Marin und Marcel Thum eingeräumt worden. Marin hat einen Lehrstuhl am Seminar für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Uni München. Sie gilt aber eher als mikroökonmisch ausgerichtet und deshalb weniger geeignet für den Job am DIW. Thum ist Geschäftsführer der Niederlassung des Ifo-Instituts in Dresden. Ein renommierter Finanzwissenschaftler (TU Dresden), der sich darüber hinaus als Mitglied der Demografiekommission des Freistaats Sachsen einen Namen gemacht hat. Der demografische Wandel ist zweifellos ein wichtiges Thema. Doch Thum ist zu wenig in der Weltwirtschaft zu Hause.

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