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Noch kostet das Telefongespräch aus dem Urlaub mit dem Handy mehr als in der Heimat. Das soll sich ändern.

© AFP

Neuer Gesetzesvorschlag aus Brüssel: "Roamingfreie Ferien"

Die EU-Kommission will den Telekommunikationsmarkt neu regeln – und die teuren Roaminggebühren abschaffen.

Wenn es schon mal gute Nachrichten gibt, will der Chef sie überbringen. Und es gehört zweifellos zu den populäreren Brüsseler Aktivitäten, die Preise für das Telefonieren speziell mit dem Handy nach und nach per Gesetz zu senken. Deshalb durfte die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes die nächste Etappe auf diesem Weg nicht schon am Dienstag verkünden, nachdem das Kommissarskollegium einen entsprechenden Gesetzesvorschlag beschlossen hatte. Kommissionspräsident José Manuel Barroso will dies lieber in seiner Rede zur „Lage der Union“ am Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg einbauen.

Für Geschäftsleute, Urlauber und andere Vielreisende ist das Roaming ein Quell ständigen Ärgers. Es gibt innerhalb der EU zwar kaum noch Zollstationen, wer aber über eine Grenze fährt oder fliegt, weiß, dass ein Handytelefonat kostspielig werden kann. Roamingkosten fallen an, wenn ein Nutzer in einem ausländischen Mobilfunknetz telefoniert oder Daten verschickt. Mit diesem „altmodischen System“, wie es Kommissarin Kroes nennt, soll nun Schluss sein. Stimmen das Europaparlament und die EU-Regierungen noch vor der Europawahl im Mai 2014 dem Gesetz zu, könnte es ihrem Sprecher zufolge „im Sommer 2014 roamingfreie Ferien geben“.

Ein europaweiter Markt

Dafür bekommen die Mobilfunkanbieter einen Anreiz. Wenn Sie bis 1. Juli 2014 europaweit gültige Telefontarife ohne weitere Kosten im europäischen Ausland anbieten, entgehen sie einem bereits beschlossenen EU-Gesetz. Das sieht von 2016 an einen verpflichtenden Wettbewerb beim Roaming vor: Wer dann ins Ausland fährt, wird eventuell billigere Angebote anderer Anbieter bekommen, mit denen er vorübergehende Nutzungsverträge abschließen kann. Der heimische Anbieter verliert für diese Zeit seinen Kunden. Nun also bietet die EU-Kommission einen Ausweg an, indem der Provider selbst einheitliche Europatarife anbietet. Unabhängig davon dürfen keine Zusatzgebühren für eingehende Anrufe mehr verlangt werden.

1,6 Milliarden Euro, so hat die EU-Kommission berechnet, werde das Ende des Roaming die Konzerne kosten. „Kluge Anbieter werden das über eine höhere Nutzung aber sicher in einen Gewinn verwandeln können“, glaubt Kroes’ Sprecher Ryan Heath. Die Konzerne selbst rechnen mit noch größeren Problemen, da sie ihre Kunden zu billigen rumänischen Anbietern wechseln sehen, mit denen man auch europaweit telefonieren kann. Übrigens dürfen auch Festnetzgespräche innerhalb der EU bei Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr teurer sein als Ferngespräche im eigenen Land.

Ein EU-Pass für Telekommunikationskonzerne

Mehr Wettbewerb zwischen den Anbietern und weniger Bürokratie soll nach den Vorstellungen der Kommission auch an anderer Stelle überdurchschnittlich hohe Verbindungspreise senken: Ein einminütiger Handyanruf ins Ausland ist etwa in Ungarn für 35 Cent zu haben, die gleiche Leistung kann in Großbritannien umgerechnet bis zu 1,19 Euro kosten. In Deutschland verlangt die Telekom dafür 48 Cent, O2 dagegen 75 Cent.

In Zukunft können die Unternehmen problemlos auch auf anderen Märkten aktiv werden, da die Lizenz im Heimatland für Geschäfte in der ganzen Gemeinschaft gelten soll. Kommissarin Kroes spricht von einem EU-Pass für Telekommunikationskonzerne, die dann nicht mehr in jedem der 28 Mitgliedstaaten aufwendig Betriebsgenehmigungen einholen müssen. Auch sollen die staatlichen Auktionstermine für Breitbandfrequenzen EU-weit koordiniert werden.

Wenn der „digitale Binnenmarkt“ erst einmal funktioniert, wird es nach Ansicht der EU-Kommission auch zu der gewünschten Marktbereinigung kommen. Größere Marktakteure, so lautet das Brüsseler Kalkül, können mehr Gewinn machen und diesen in den dringend benötigten Netzausbau stecken. Während nämlich etwa in den USA mit ihren rund 300 Millionen Einwohnern nur vier große Mobilfunkanbieter den Markt beherrschen, sind es für die 500 Millionen EU-Bürger etwa 100 Anbieter. Fusionen und eine generelle Konsolidierung seien zwar „kein Selbstzweck“, sagt Kroes – doch das angestrebte Ziel ist durchaus klar.

Netzneutralität light

Die unterschiedlichen Interessen hat die EU-Kommission auch beim politisch sensiblen Thema der Netzneutralität auszutarieren versucht. Während Netzaktivisten unter dem Begriff verstehen, dass allen Nutzern die größtmögliche Datenübertragungsgeschwindigkeit zur Verfügung stehen muss und die Telekommunikationsanbieter keine Inhalte im Netz blockieren dürfen, suchen die Provider den Profit. Sie wollen für einen schnelleren oder bevorzugten Netzzugang mehr Geld verlangen oder bestimmte Dienste wie die Videotelefonie Skype oder den Messenger WhatsApp sperren, weil sie selbst Ähnliches anbieten. Umgekehrt wäre es für Skype interessant, etwa von der Deutschen Telekom eine bevorzugte Übertragung der eigenen Videodaten zu bekommen.

Die EU-Kommissarin Kroes präsentiert mit ihrem Vorschlag nun ein ganz eigenes Verständnis von „Netzneutralität“. Der Brüsseler Gesetzesvorschlag sieht vor, dass jedem Nutzer die Internetgeschwindigkeit geboten wird, für die er auch bezahlt. Will heißen, dass 16 Megabit pro Sekunde, mit denen die Telekom wirbt, auch wirklich zur Verfügung stehen müssten und nicht gedrosselt werden dürften. Zur Geschwindigkeitsmessung stünde eine neue unabhängige Website bereit. Liegt der Wert unter dem zugesagten, hätte der Kunde ein Kündigungsrecht. Die EU-Kommission will die Firmen zudem darauf verpflichten, keine Webdienste mehr zu blockieren oder aktiv zu verlangsamen. 94 Prozent der Anbieter – so lautet die Statistik der Behörde – machen bisher keinerlei Angaben dazu, ob und - wenn ja - wie sie bestimmten Netzverkehr unterbinden.

Im Ergebnis könnten die Internetprovider ihren Kunden Pakete mit verschiedenen Internetgeschwindigkeiten anbieten. Die EU-Kommissarin Kroes kann daran nichts Schlimmes finden – Fluglinien böten schon seit Jahrzehnten Economy und Business Class an. Deutschlands Wirtschaftsminister Philipp Rösler dagegen plädiert wie viele Onlineaktivisten dafür, die Inhalte aller Kunden gleich schnell zu transportieren. In ein neues „Hochleistungsnetz würden Menschen mit niedrigen Einkommen gar nicht mehr kommen“, kritisiert die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert.

Neue Kundenverträge

Neben Angaben zur Höchstgeschwindigkeit zu Normal- und Stoßzeiten oder einer etwaigen Volumenbegrenzung sollen Verträge mit Telekommunikationsanbietern künftig eine ganze Reihe von Neuerungen enthalten. So darf kein Vertrag mehr länger als 24 Monate gelten, und es muss eine Ausstiegsmöglichkeit nach zwölf Monaten geben. Eine Kündigung muss dann mit einer Frist von einem Monat kostenlos möglich sein. Um einen Anbieterwechsel zu erleichtern, müssen E-Mails des bisherigen Kunden an dessen Adresse weitergeleitet werden.

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