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Wirtschaft: Neuer Markt: Die Deutsche Börse greift durch

Billig-Aktien und Pleite-Kandidaten droht der Rausschmiss am Neuen Markt. Die Deutsche Börse teilte am Freitag mit, dass von Oktober an Unternehmen wegen zu niedriger Börsenkurse, zu geringen Marktwertes oder Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen werden.

Billig-Aktien und Pleite-Kandidaten droht der Rausschmiss am Neuen Markt. Die Deutsche Börse teilte am Freitag mit, dass von Oktober an Unternehmen wegen zu niedriger Börsenkurse, zu geringen Marktwertes oder Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen werden. Die Börse wolle damit zeigen, "dass wir an den Neuen Markt glauben", sagte Vorstandsmitglied Volker Potthoff. Aktionärsschützer kritisierten die Maßnahme. Grafik: Billig-Aktien am Neuen Markt Die Deutsche Börse kündigte an, sie wolle künftig Firmen vom Neuen Markt ausschließen, deren Aktienkurs an 30 aufeinander folgenden Tagen unter einem Euro und deren Börsenwert unter 20 Millionen Euro lägen. Ab Oktober soll die Verschärfung des Regelwerks gelten. Sollten der Aktienkurs und der Firmenwert in den folgenden 90 Börsentagen nicht an mindestens 15 aufeinander folgenden Tagen über einen Euro beziehungsweise über 20 Millionen Euro liegen, wird die Firma einen Monat später vom Neuen Markt ausgeschlossen. Die Zulassung zum Börsenhandel verlieren die Unternehmen den Angaben zufolge aber nicht. Sie können also am Geregelten Markt oder im Freiverkehr weiter gehandelt werden, müssen dafür aber einen Antrag stellen.

Von einer Kompromisslösung und Marketingaktion, mit der das verloren gegangene Vertrauen in den Neuen Markt wiedergewonnen werden soll, sprach Petra Krüll von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Deutsche Börse bemühe sich, etwas für das Image ihres Kindes zu tun. Jetzt werde zwar am unteren Ende des Börsensegments aufgeräumt. Entscheidend seien aber verschärfte Bestimmungen vor allem im Vorfeld eines Börsenganges. Die Expertin verwies dabei auf die Informationspflichten für den Börsenzulassungsprospekt, aber auch für die spätere Quartalsberichterstattung. Zudem komme die Börse mit den neuen Bestimmungen auf absehbare Zeit zu spät, kritisiert die Aktionärsschützerin. Auf jeden Fall müssten die Aktionäre künftig ausreichend informiert werden, wenn ein Unternehmen die gelbe Karte erhalten habe. Durch die Frist von 90 Tagen hätten die Aktionäre dann die Möglichkeit zu prüfen, ob sie das Papier wirklich behalten wollten.

"Gläserne Taschen"

Das Vorstandsmitglied der Deutschen Börse, Volker Potthoff, betont, man habe einen Impuls zu einer Initialzündung geben wollen. Es liege aber auch an den Unternehmen selbst, ihre Investor Relations zu verbessern. "Wer das Geld von Investoren aufnimmt, muss gläserne Taschen zeigen", sagt Potthoff. Von den Investoren selbst sei mehr Risikobewusstsein gefordert.

Die Deutsche Börse folgt mit dem Rausschmiss der Penny-Stocks dem Vorbild der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq. Der zweitgrößte Wertpapiermarkt der Welt nach der New Yorker Börse, hat im ersten Halbjahr 2001 Aktien von insgesamt 244 Unternehmen gestrichen, weil sie nicht mehr die Zulassungsbestimmungen der Börse erfüllten. Die Börse notiert momentan 4378 Werte. Die an der Nasdaq notierten Unternehmen unterliegen den Aufsichtsbestimmungen der amerikanischen Wertpapierbehörde SEC, die deutlich schärfere, strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten als die deutsche Wertpapieraufsicht hat.

Während Fondsmanager am Freitag die neuen Regeln am Neuen Markt begrüßten, bezweifelten andere Marktakteure, ob solche "Delistings" dem Frankfurter Wachstumsegment zu neuem Schwung verhelfen. Einige Penny-Stocks-Firmen bemängelten, dass die Börse vor der Bekanntgabe ihrer neuen Regeln nicht mit ihnen gesprochen habe, obwohl sie dies angekündigte. Eine Sprecherin des Softwareanbieters Prout sagte, das Unternehmen wolle sich rechtlich beraten lassen. Bernhard Krauß, Sprecher beim Musiksoftwareanbieter eJay sagte, die neue Regelung sei zwar grundsätzlich zu begrüßen, fraglich sei aber ihre Umsetzung. "Es wurde gesagt, dass mit den Marktteilnehmern gesprochen wird. Mit uns hat niemand gesprochen", sagte Krauß. Krauß zufolge steht eJay zum Neuen Markt. "Unser Ziel ist, dort gelistet zu bleiben". "Ich halte die Regelung für zu hart", sagte Otto Dauer, Vorstandschef von Advanced Medien. "Wir müssen unsere rechtliche Situation prüfen". Dauer zufolge berücksichtigt die Börse keine Sonderfaktoren wie die Eigenkapitalausstattung im Vergleich zur Marktkapitalisierung oder die anhaltende Schwäche in der Medienbranche, von der Advanced betroffen sei. Wenn sich die Stimmung in der Branche bessere, werde sich auch der Kurs von Advanced ändern. Blue C-Sprecherin Eva Prinzhorn zeigte sich ebenfalls optimistisch, dass der Aktienkurs des E-Business-Dienstleisters wieder über einen Euro klettert, bis die neue Regelung in Kraft tritt. "Wir verstehen zwar die Maßnahmen, sind aber ein bisschen enttäuscht, dass niemand mit uns sprach oder Kontakt aufnahm", sagte sie. Auch Gerhard Inninger, Finanzchef bei NSE Software, kündigte juristische Schritte an: "Wir haben einen Vertrag mit privatrechtlichen Elementen mit der Börse und sehen so entscheidende Maßnahmen in rechtlicher Hinsicht problematisch." NSE wolle mit seinem Anwalt sprechen, ob die Maßnahmen rechtens seien.

mot

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