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Wirtschaft: Neuer Markt: Jetzt gibt es Sonderangebote

Ist der Neue Markt tot? Das deutsche Wachstumssegment ist auf steiler Talfahrt.

Ist der Neue Markt tot? Das deutsche Wachstumssegment ist auf steiler Talfahrt. Der marktbreite Nemax All Share Index fiel sogar unter die 3000-Punkte-Marke. Von seinem Hoch im März ist er damit um rund zwei Drittel abgesackt - wie der Bluechip-Index Nemax 50, der die 50 größten Werte repräsentiert und im März deutlich über 9000 Punkte geklettert war. Ein erklecklicher Teil der aktuell 330 Aktien am Neuen Markt liegt nur noch bei einem Zehntel des früheren Höchstkurses. Anlegergelder in vielfacher Milliardenhöhe wurden binnen kürzester Zeit vernichtet. Von Flächenbrand, Kapitulation, Panik ist die Rede. Fondsmanager scheuen sich nicht mehr, das Wort "Crash" in den Mund zu nehmen, nachdem man monatelang nur von einer "notwendigen Korrektur" gesprochen hatte.

"Es ist absolut ein Crash, ein richtiger Sell- out", sagt Michael Fraikin, Fondsmanager des Invesco Neue Märkte, der im letzten Monat fast ein Drittel seines Wertes eingebüßt hat. Der Neue-Markt-Fonds der großen bankenunabhängigen Fondsgesellschaft ist gleichwohl "schon länger nicht mehr auf der Verkäuferseite". Im Gegenteil: Im Oktober und im bisherigen Verlauf des Monats November verzeichnete Fraikin eigenen Angaben zufolge Netto-Mittelzuflüsse von 28 beziehungsweise 33 Millionen Euro - Geld, das man für Nachkäufe genutzt hat, zum Beispiel von Parsytec, Thiel Logistik, Teleplan oder Qiagen. Allerdings hält Fraikin aktuell noch rund 38 Millionen Euro Bargeld, das sind immerhin acht Prozent des Fondsvermögens von 470 Millionen. Denn wie lange die aktuelle Panikphase noch anhalten werde, "kann niemand sagen".

Auch die Manager von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, ordnen sich momentan bei den Käufern ein und "verbilligen ihre alten Favoriten", zum Beispiel Qiagen, Aixtron und Medion. Ob der Ausverkauf schon vorüber sei, sei schwer zu sagen, urteilt Ronny Ruchay, der mit dem Euro-Action MidCaps einen der drei Union-Fonds mit Schwerpunkt Neuer Markt betreut. Wie umgekehrt in der Hausse im Frühjahr befänden sich die Bewertungen der deutsche Wachstumswerte jedoch jetzt bereits "jenseits von Gut und Böse". Selbst "gute Papiere" würden hemmungslos aus den Depots geworfen. Union-Manager Wassili Papas: "Gerade jetzt muss der Anleger zugreifen."

Blue Chips an der Nasdaq

Papas, der den Uni Neue Märkte führt, hat allein im November 45 Millionen Euro frisches Anlegergeld erhalten. Sein Fonds investiert nicht nur in deutsche Wachstumswerte, sondern auch an der US-Börse Nasdaq: Unter den zehn größten Positionen finden sich Cisco, Verisign, Brocade und Broadcom, vom Neuen Markt sind aktuell Intershop und Qiagen dabei. Der Uni Neue Märkte, mit 1,2 Milliarden Euro einer der größten in dem Segment, hat binnen Monatsfrist 31 Prozent eingebüßt und liegt im Jahresvergleich nur noch vier Prozent im Plus.

"Geringe Nettoabflüsse", also Fondsverkäufe von Privatanlegern, hatte der DAC Universal Kontrast in den letzten Tagen zu verzeichnen. In den Crash hineinverkauft habe man aber nicht, da genügend Liquidität vorhanden sei, sagt Bernd Förtsch, der den Fonds der Gesellschaft Universal Investment berät. Mit einem Jahresgewinn von etwa 60 Prozent gehört der DAC Universal zu den erfolgreichsten Neue-Markt-Fonds, hat aber im letzten Monat wie die Konkurrenz etwa 30 Prozent verloren. Förtsch ist indes optimistisch: Der Markt stehe nach Verkaufspanik und Käuferstreik vor einer Wende.

Der Schwesterfonds DAC UI, der weltweit anlegt und gegenwärtig nur fünf Prozent seines Vermögens in deutschen Wachstumswerten hält, werde nun "massiv" am Neuen Markt einsteigen. Anlegern sollten beim Kauf nun nicht auf den breiten Markt, sondern auf ausgewählte Werte setzen. Denn die Trennung von Spreu und Weizen werde sich verstärkt fortsetzen: Während letztes Jahr 20 Prozent der Aktien 80 Prozent der Wertentwicklung im Neuen Markt brachten, würden 2001 sogar nur 15 Prozent 90 Prozent der Performance bringen.

"Diese 50 richtigen Papiere muss man erwischen", so Förtsch. Zu seinen Favoriten zählen der Logistik-Bereich, vor allem D-Logistics, ferner Comroad und ausgewählte Biotechnologiewerte wie Morphosys, Medigene oder Evotec. Skeptisch ist der Fondsberater bei Flaggschiffen wie Mobilcom oder Intershop. Der Thüringer Hersteller von E-Commerce-Software habe sich vor allem mit dem jüngsten Gang an die Nasdaq "keinen Gefallen getan". Intershop, einst Liebling am Neuen Markt, hat seit September zwei Drittel seines Wertes verloren. Förtsch wie auch Union-Manager Ruchay vermuten, dass hier auch US-amerikanische Short-Seller am Werk waren - also Anleger, die sich Papiere leihen, sie dann verkaufen, um sie später deutlich billiger zurückzukaufen und mit Gewinn an den Verleiher zurückgeben.

Schaden am Qualitätsimage

Den starken Verkaufsdruck auf den Frankfurter Neuen Markt, so ist von den Fondsgesellschaften zu hören, hätten ohnehin vor allem britische und amerikanische Großinvestoren ausgelöst. "Die haben ihren Anlageschwerpunkt nicht am Neuen Markt und werfen nun reihenweise Leichen aus ihren Portfolios", so Invesco-Manager Fraikin. Zudem hätten Betrugsfälle (wie beim Augsburger Softwarehaus Infomatec vermutet) und frisierte Geschäftsberichte dem ursprünglichen Qualitätsimage sehr geschadet. Allerdings könne man gegenwärtig auch gezielte Spekulationsverkäufe großer deutscher Anleger und Banken nicht ausschließen, wenn auch nur bei marktbreiten Titeln wie Qiagen, Broadvision oder eben Intershop. Anlegern empfiehlt Fraikin, "gefallene Engel" aus den Branchen Internet und Telekom zu meiden und statt dessen auf fundamental gute und nun auch vernünftig bewertete Titel zu setzen. "Der Markt ist keineswegs tot, sondern sehr attraktiv."

Veronika Csizi

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