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Warnendes Beispiel. Thomas Haffas EM-TV scheiterte auf dem Neuen Markt.

© picture-alliance / dpa

Neues Börsensegment: Nie wieder Neuer Markt

Die Deutsche Börse führt ab März 2017 ein neues Marktsegment für kleine und mittlere Firmen ein. Die Erinnerungen an den früheren "Zockermarkt" sind noch wach.

Die Deutsche Börse will kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Aktienmarkt erleichtern. Zum 1. März 2017 führt der Frankfurter Marktbetreiber ein neues Segment ein, das den sogenannten Entry Standard ersetzt, für den geringere Berichterstattungspflichten gelten. Der Börsenbetreiber verspricht sich durch die Neuordnung mehr Börsengänge.

„Der Kapitalbedarf von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland und Europa ist deutlich gestiegen“, erklärte Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter am Montag. Das neue Angebot bringe diese Unternehmen mit Investoren zusammen und ermögliche so die Finanzierung von Wachstum. Einen Namen für das neue Segment gibt es noch nicht. Kengeter rief die Öffentlichkeit auf, sich an einem Ideenwettbewerb zu beteiligen. Als Gewinn winkt ein Besuch bei einem Heimspiel des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt.

Unternehmen, die aufgenommen werden wollen, müssen mindestens drei von fünf Kriterien erfüllen. Zu diesen zählen etwa, dass die Firmen mindestens 20 Mitarbeiter, ein positives Eigenkapital und mindestens zehn Millionen Euro Jahresumsatz haben sollten. Zudem müssen sich die Unternehmen zu vergleichsweise großer Transparenz verpflichten. Dazu zählen etwa regelmäßige Aktienanalysen, die von der Börse in Auftrag gegeben werden, sowie aktuelle Mitteilungen über wichtige Unternehmensentscheidungen.

40 von 140 Firmen aus dem Entry Standard sollen wechseln

Die Deutsche Börse rechnet damit, dass zum Start des neuen Segments im März kommenden Jahres 40 der derzeit etwa 140 Unternehmen aus dem Entry Standard in dem neuen Segment notieren. Die restlichen sollen künftig im Freiverkehr gehandelt werden.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Ankündigung der Deutschen Börse: „Der Börse kommt bei der Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland eine wichtige Rolle zu“, sagte Gabriel. Gerade für junge Wachstumsunternehmen sei die Kapitalaufnahme an der Börse oft die zentrale Chance, weiteres Wachstum finanzieren zu können. „Die bestehenden Segmente der Deutschen Börse können diese Funktion nicht in dem Maße erfüllen, wie es für die Innovationsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft erforderlich ist“, sagte der Bundeswirtschaftsminister, der auch mit mehr Börsengängen rechnet. Gabriel hatte ein eigenes Börsensegment für kleine und mittlere Unternehmen schon länger gefordert.

Die schlechte Versorgung mit Geld für Wachstum galt in den vergangenen Jahren als eines der größten Probleme der deutschen Gründerszene. Entsprechend groß war der politische Druck. Im Koalitionsvertrag hat sich die aktuelle Bundesregierung vorgenommen, einen „Neuen Markt 2.0“ ins Leben zu rufen. Doch davor scheute die Börse lange zurück.

Dunkle Erinnerungen an den "Zockermarkt"

Zu dunkel sind die Erinnerungen an die Geldvernichter des Neuen Markts um die Jahrtausendwende. Zum Start am 10. März 1997 knallten auf dem Frankfurter Parkett noch die Sektkorken. Goldgräberstimmung machte sich breit, die Aussicht auf schnellen Reichtum lockte tausende Privatanleger an. Doch Kursrallys brachte den Neuen Markt als „Zockermarkt“ in Verruf, aufgeblasene Bilanzen, Kursbetrug und Insiderhandel gaben der „New Economy“ den Rest. Seit dem 5. Juni 2003 ist der Neue Markt Geschichte.

Die Fehler von damals will die Deutsche Börse heute deshalb unbedingt vermeiden. Zuletzt hatte sie mit ihren Ideen für neue Geschäfte eher wenig Glück. So haben mehrere Pleiten den Markt für Mittelstandsanleihen in Verruf gebracht. Auch der Versuch, sich als Börse für chinesische Unternehmen zu etablieren, missglückte. 2015 begann der Konzern mit dem Aufbau der Plattform „Venture Network“, die inzwischen etwa 200 Investoren und gut 100 Wachstumsfirmen in Deutschland verbindet. mot/rtr/dpa

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