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Wirtschaft: Neuland in Leipzig

Heute feiert BMW Richtfest: Der erfolgreiche Fertigungsstandort wird um ein Kompetenzzentrum für Elektromobilität erweitert

Leipzig - Von Krise ist hier nichts zu spüren. Seit mehr als zwei Jahren läuft im Leipziger BMW-Werk die Fertigung „an der Kammlinie“: Mehr als die täglich vom Band rollenden 730 Fahrzeuge täglich sind technologisch nicht möglich, weil die Lackierung, das Presswerk und auch Teile des Karosseriebaus an sechs Wochentagen bereits in drei Schichten laufen. Die Nachfrage nach dem hier gebauten kleinen SUV X1 und nach dem 1er ist groß, die Lieferfrist lang, auch anderswo. Für neue BMW-Werke in China und Südafrika werden daher Module und Einzelkomponenten für die kleinste Baureihe gleich nebenan in einem nagelneuen Logistikzentrum von der Bahn-Tochter Schenker in Kisten und Container verpackt und zur Endmontage nach Übersee verschickt, seit neuestem sogar mit der Transsibirischen Eisenbahn.

Doch Werksleiter Manfred Erlacher hat noch ganz andere Baustellen. Zum einen steht gerade ein Modellwechsel an, der im Dezember für etwa vier Wochen zu einer Zwangspause führen wird, weil dann neue Werkzeuge eingepasst werden müssen. Ab März soll der zunächst nur in Regensburg gebaute neue 1er dann auch in Leipzig vom Band laufen. „Unsere Werke sind in einem flexiblen Netz so eingebunden, dass wir die Baureihen entsprechend ihres Lebenszyklus auch austauschen können“, sagt Erlacher.

Dennoch ist dem sächsischen Standort eine besondere Rolle zugedacht. Am Werkseingang stehen an Ladesäulen zwei weiße „Active-e“ genannte Pkw einer Testreihe von 1300 Fahrzeugen. Sie sind Vorbote für das hier entstehende „Kompetenzzentrum Elektrofahrzeuge“ der Münchner. Vier große Montagehallen sind derzeit im Bau, am heutigen Montag wird Richtfest für das 400-Millionen-Projekt sein. Selbst die Gebäude sind mit höchsten Ansprüchen belegt: Durch eine hohe Wärmedämmung und die Energierückgewinnung aus der Raumluft sollen die Energiekosten für die neuen Werksteile um rund 50 Prozent sinken.

Zwar läuft die Entwicklung der beiden elektrisch angetriebenen Modellreihen i3 und i8 im Münchner Technologiezentrum. „Doch die Industrialisierung der neuen, bahnbrechenden Technik wird hier in Leipzig stattfinden“, verspricht Erlacher. Und natürlich auch die ab 2013 geplante Serienfertigung der mit einer Sandwichkarosse aus Karbonfaser und Aluminium besonders leichten Fahrzeuge selbst. Von „einigen zehntausend Stück“ ist derzeit die Rede – das wäre dann wohl die erste tatsächliche Großserie einer solchen Leichtbaukarosse mit Hochvoltelektronik. Die Anordnung der Hallen für die Formung der Karbonteile, den Karosseriebau und die Montage ist so gewählt, dass die zunächst zwei Elektrobaureihen auf eigenen Bändern laufen und erst beim Finish ins Hauptband eingegliedert werden. „Für uns ist da vieles Neuland, entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter“, sagt Erlacher. Von den entstehenden etwa 800 neuen Arbeitsplätzen seien rund ein Viertel Spezialisten. Die Resonanz auf erste Ausschreibungen seien äußerst positiv verlaufen, mehr als 60 Bewerber pro Stelle habe es gegeben.

Freuen können sich über die Entwicklung auch zahlreiche kleinere Zulieferer aus der Region. An der Produktion der Elektrofahrzeuge werden zehn Hersteller von Einzelkomponenten aus Sachsen beteiligt, aber auch bei dem Nachfolger für den neuen 1er habe man bewusst in der Ausschreibung auch ostdeutsche Firmen eine Chance gegeben, berichtet Erlacher.

Und Leipzig könnte auch bei einer weiteren Ansiedlung zum Zuge kommen. SB LiMotive, ein Joint Venture von Bosch und Samsung, beliefert BMW ab 2013 mit den erforderlichen Batteriesätzen. Die teuren und schweren Bauteile kommen zunächst aus Fernost, jedoch sucht das Unternehmen einen Standort für die Produktion in Europa. Die Entscheidung soll in Kürze fallen. Manfred Schulze

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