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Wirtschaft: New Yorker Börsenchef stolpert über Gehaltsaffäre Richard Grasso tritt zurück – 140 Millionen Dollar darf er behalten

New Yor k/Berlin (pf/mot). Der Chef der New Yorker Börse, Richard Grasso, ist nach heftiger Kritik an seinen überhöhten Bezügen zurückgetreten.

New Yor k/Berlin (pf/mot). Der Chef der New Yorker Börse, Richard Grasso, ist nach heftiger Kritik an seinen überhöhten Bezügen zurückgetreten. Der 57Jährige hatte das Vertrauen des Verwaltungsrats der New York Stock Exchange (Nyse) verloren und dem Gremium am Mittwochabend seinen Rücktritt angeboten. Beobachter erwarten, dass die Affäre Grasso nun zu massiven internen Reformen der größten Börsengesellschaft der Welt führen wird.

Das Ende seiner steilen Karriere zeichnete sich für Grasso, der seit 1995 Börsenchef war, vor knapp einem Monat ab, als bekannt wurde, dass er mit der Nyse ein Gehaltspaket in Höhe von 140 Millionen Dollar (125 Millionen Euro) ausgehandelt hatte. Kritiker bezeichneten die Summe als völlig überzogen. Im internationalen Vergleich kassiert Grasso damit ein Vielfaches dessen, was seine Kollegen an anderen Börsenplätzen verdienen. Laut „Wall Street Journal“ machen Grassos Bezüge etwa so viel aus, wie acht der weltweit am besten verdienenden Börsenchefs zusammen verdienen. Werner Seifert, Chef der Deutschen Börse, kommt auf ein Jahresgehalt von 1,6 Millionen Euro. Darin enthalten sind ein Fixum von 642000 Euro, eine ertragsabhängige Vergütung von 818000 Euro sowie Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung von 170000 Euro.

Grasso hat mit seinem Rücktritt seine Gehaltsansprüche nicht verloren. Im Gegenteil: Er darf nicht nur das zugesagte Einkommenspaket behalten, sondern bekommt möglicherweise zusätzlich eine Übergangszahlung von zehn Millionen Dollar und hat Anrecht auf lebenslange Versicherungszahlungen.

Die Kritik an diesem Geldsegen hatte sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. Der Chef der Börsenaufsicht SEC, William Donaldson, schrieb einen Brief an das Nyse-Direktorium, in dem er Zweifel an der Effizienz der Corporate-Governance-Regeln der Börse formulierte. Anschließend forderten die drei größten Pensionskassen Grassos Rücktritt. Auch die Chefs der führenden Wall-Street-Firmen Goldman Sachs, J.P. Morgan Chase und Morgan Stanley distanzierten sich. Schließlich gab der Börsenchef auf: „Ich glaube, mein Rücktritt liegt im besten Interesse sowohl der Börse als auch in meinem“, sagte er.

Grassos Sturz wirft ein grelles Licht auf Interessenkonflikte innerhalb der New Yorker Börse, die von Massenentlassungen heimgesucht wird. So war Grasso an der Bestellung von Mitgliedern des Vergütungsausschusses beteiligt, der die Gehälter der Nyse-Manager festlegt. Erst im August hatte das Börsen-Direktorium Grassos Vertrag um zwei Jahre verlängert und erklärt, es werde dessen Bezüge und Pensionsansprüche von 139,5 Millionen Dollar in bar auszahlen. Auf zusätzliche 48 Millionen Dollar, die er in den kommenden Jahren bezogen hätte, verzichtete Grasso unter dem Druck des Direktoriums. 2001 war Grasso als Anerkennung für die schnelle Wiedereröffnung der Börse nach den Terroranschlägen mit fünf Millionen Dollar belohnt worden.

Der glatzköpfige Vater von vier Kindern gilt als Shooting Star der Finanzwelt. Grasso stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Im New Yorker Stadtteil Queens von einer ledigen Mutter und zwei Tanten großgezogen, verließ er ohne Abschluss das College, um 1968 als Sekretär bei der Nyse anzufangen – mit einem Wochengehalt von 82,50 Dollar. In den acht Jahren seiner Amtszeit als Börsenchef hatte er die Aufsicht über 2700 gelistete Unternehmen mit einem Wert von mehr als 14 Billionen Dollar inne. Auf dem New Yorker Parkett herrschte nach Grassos Rücktritt Genugtuung: Er habe die Nyse in einen Selbstbedienungsladen verwandelt, schimpfte ein Aktienhändler. Nach den Enron- und Worldcom-Skandalen kommt das am wichtigsten Finanzplatz der Welt nicht mehr gut an.

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