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Wirtschaft: Nicht schön, aber trendy

Von Dirk Benninghoff Das Geräusch des Sommers entsteht beim Gehen. Wenn der nackte Fuß sich von der Schaumstoffsohle löst und diese wieder an das Fußbett knallt, macht es angeblich „Flip-Flop“.

Von Dirk Benninghoff

Das Geräusch des Sommers entsteht beim Gehen. Wenn der nackte Fuß sich von der Schaumstoffsohle löst und diese wieder an das Fußbett knallt, macht es angeblich „Flip-Flop“. Vielleicht auch „Schmatz“ oder „Flatsch“; Comic-Texter könnten es wohl treffender wiedergeben. Allerdings kann sich jeder selbst einen Eindruck verschaffen, denn das geräuschvolle Zusammenspiel von Fuß und Sohle ist derzeit auf Straßen, in Büros und U-Bahnen allgegenwärtig. Die Schuh-Industrie hat sich für „Flip-Flop“ entschieden und die gleichamigen Schlappen, die ihren Ursprung in den Latschen der alten Römer haben dürften, sind zum Schrecken mancher Ästheten der Schuh-Hit des Sommers.

In den vergangenen beiden Jahren eher von Mode-Hippstern getragen, erobern die Schaumstoff-Schlappen mit dem V-förmigen Riemen in diesem Jahr den Mainstream. Die Absatzzahlen sind mächtig in die Höhe geschossen und Trend-Taktgeber wie das Frauenmagazin „Elle“ statten ihre Hefte inzwischen mit „Flip-Flops“ als Kaufanreiz aus. Die Schuhkette Görtz berichtet von einem Absatzplus um die 150 Prozent gegenüber 2001, bei der Billig-Konkurrenz von Deichmann ist die Entwicklung ähnlich. „Das knallt momentan richtig. Wir erleben ein echtes Revival“, sagte Deichmann-Sprecher Ulrich Effing über den Absatzboom der Schaumstoff- und Gummi-Schuhe, die bereits Ende der 60er Jahre mit der Hippie-Bewegung kurzzeitig als „trendy“ galten. Zu „Flower Power“ und Woodstock passten die lässigen Schlappen gut, denn maximale Freiheit war angesagt, und freier als mit „Rubber Thongs“ (Gummizungen), wie die Latschen im Englischen genannt werden, können Füße nur noch nackt sein. Nach der Hippie-Ära wurden die Schuhe allerdings fast nur noch am Strand getragen, vielleicht noch in der Sauna und zu Hause.

Ein wenig überrascht sind Produzenten und Verkäufer schon über den Sprung vom Strand in die City, aber die Gründe für den neuen Trend an den Füßen liegen auf der Hand: Die „Flip-Flops“ sind billig (schon ab 2,50 Euro zu haben) und leicht, sie passen – jedenfalls nach Meinung der Branche – zu fast jedem Outfit. Und wenn man die „Flip Flops“ draußen nicht mehr tragen kann, tun sie „indoor“ ihren Dienst.

Zudem kaufen auch Männer verstärkt „Flip-Flops“. Dies habe damit zu tun, dass sie „mode-mutiger“ geworden seien, mutmaßt Michael Jacobs von Görtz. So hat die Schuhkette an Herren in diesem Jahr etwa 30 Prozent mehr „Flip Flops“ verkauft als noch im vergangenen. Hauptkäufer bleiben aber Frauen zwischen 16 und 30 Jahren. Sie können zumeist auch zwischen deutlich mehr Modellen auswählen. Die Latschen gibt es inzwischen in allen erdenkbaren Farben, ob schlicht oder reichlich verziert mit Blumen, Schmetterlingen oder Drachen.

Ein Schuh für (fast) alle Anlässe

Die Gründerin der Flip Flop GmbH, Stefanie Schulze, sieht noch einen weiteren Grund für den Trend: „Es passt sehr gut in die derzeitige Retro-Welle.“ Die Unternehmerin kann sich den „Flip-Flop“-Boom in Deutschland auf ihre Fahnen schreiben. 1997, weit vor dem Hype, gründete sie ihre Schuh-Firma, ließ sich den n „Flip Flop“ schützen und konzentrierte sich auf die Gummi-Schaumstoff-Schuhe. Die Idee, bei drei Gläsern Rotwein geboren, entpuppte sich als Volltreffer. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Original-Flip-Flop mehrere hunderttausend Mal verkauft. Große Ketten wie Görtz oder Leiser vertreiben Schulzes Schuhe ebenso wie kleine Trendläden.

Das Original macht allerdings nur einen Bruchteil des gesamten Absatzes der trendigen Sandalen aus. Mittlerweile verkauft jeder Schuhhändler, ob Billig-Kette oder Edel-Laden, Schaumstoff-Latschen mit Gummi-Riemen. Zahlreiche Top-Designer sind auf den Zug aufgesprungen. Von Jil Sander gibt es Modelle für 220 Euro, Miu Miu bietet Latschen für 250 Euro an. Allerdings haben diese Modelle nur noch entfernte Verwandtschaft zu den originalen „Flip-Flops“, die zwischen 16 und 20 Euro kosten. Die Form ist dieselbe, die Materialen sind allerdings meist andere, vorzugsweise Leder.

Tragen, da sind sich die Protagonisten des neuen Schuh-Kultes einig, kann man die Schlappen zu fast allen Anlässen und Kostümierungen. Kürzlich habe sie bei einer Modenschau von Windsor sogar Models mit Anzügen und „Flip-Flops“ gesehen, erzählt Trend-Initiatorin Schulze. Smoking oder Ballkleid sollten aber mit anderem Material kombiniert werden. Bei Abendkleidern gehen die Meinungen der Stil-Experten auseinander.

Ganz schmerzlos ist der Umstieg auf die Trendprodukte aber nicht. Beim Einlaufen können an Zehen und Fußaußenseiten Blasen entstehen. Wer diese vermeiden will, kann zwar auf Socken, sogar auf spezielle „Flip-Flop“-Socken, zurückgreifen, dürfte dafür von Vertretern der reinen Schlappen-Lehre aber verdientermaßen einiges an Spott einstecken.

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