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Ost/West-Unterschiede: Niedriglohnland Deutschland

Jeder fünfte Arbeitnehmer verdient weniger als zwei Drittel des Durchschnittslohns. Deutliche Unterschiede in der Lohnstruktur sind zwischen Ost- und Westdeutschland zu beobachten.

Von Anna Sauerbrey

Berlin - Sie sind viele und sie verdienen wenig. 6,5 Millionen Menschen, etwa jeder fünfte Beschäftigte, erhielt 2008 in Deutschland einen Niedriglohn. Das bestätigen die jüngsten verfügbaren Zahlen des Sozio-ökonomischen Panels, einer repräsentativen Wiederholungsbefragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Unter Niedriglöhnen versteht die Wirtschaftsvereinigung OECD solche Gehälter, die weniger als zwei Drittel des mittleren Einkommens eines Landes betragen. Mit einem Anteil von rund 21 Prozent an Niedriglöhnern liegt Deutschland unter den Industriestaaten inzwischen im oberen Mittelfeld, hinter den USA (25 Prozent), aber deutlich vor Frankreich (11,1 Prozent).

Niedriglöhner sind häufig Frauen, sie machen rund 70 Prozent aus. Auch Minijobber, junge Menschen und gering Qualifizierte sind oft darunter. Besonders betroffene Branchen sind etwa das Gastgewerbe, der Einzelhandel sowie das Gesundheits- und Sozialwesen. Aber auch andere Berufsgruppen verdienen sehr wenig. Eine Friseurin in der untersten Tarifgruppe in Thüringen erhält in der Stunde 3,18 Euro, ein Fleischer aus Niedersachsen 6,33 Euro.

Deutliche Unterschiede in der Lohnstruktur sind zwischen Ost und West zu beobachten. Das Institut Arbeit und Qualifikation schlägt daher vor, zwei Niedriglohnschwellen anzusetzen. Im Westen lag die Schwelle 2008 bei 9,50 Euro, im Osten bei 6,87 Euro pro Stunde. Setzt man diese Grenzwerte an, ist der Anteil der Niedrigentlohnten in Ost und West in etwa gleich. Berechnet man die Schwelle allerdings bundesweit, liegen 40 Prozent der ostdeutschen Arbeitnehmer unter dem Grenzwert.

Wie sich der Sektor in Deutschland weiter entwickeln wird, ist umstritten. Der Anteil der Niedriglöhner an allen Arbeitnehmern ist seit einigen Jahren fast konstant. Das IAQ betont allerdings, dass ihre Zahl absolut gesehen steigt. Zudem sinken die Löhne innerhalb des Sektors. Das DIW sprach hingegen 2008 von einer Trendwende, da die Entwicklung stagniere. Auch kann noch niemand absehen, wie die Krise den Sektor beeinflusst, die Zahlen werden in diesem Jahr veröffentlicht. „Einigkeit herrscht aber darüber, dass der Niedriglohnsektor stark gewachsen und zu einer Konstante geworden ist“, sagt Werner Eichhorst, Forscher beim Institut zur Zukunft der Arbeit.

Auch die Frage, welche Konsequenzen aus dem Phänomen Niedriglohnsektor gezogen werden sollen, wird unterschiedlich beantwortet. Während das IAQ die Einführung eines Mindestlohns empfiehlt, erinnern andere Wissenschaftler an die positiven Effekte, die die Entwicklung des Sektors hatte. „Der Niedriglohnsektor hat den Arbeitsmarkt nach unten ergänzt“, sagt Werner Eichhorst. „So sind mehr Menschen überhaupt in Arbeit gekommen.“

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